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Einpflegung von Brief 321.
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<line tab="5"/>Und heiter jeder Tag, – uns Muster des Bestrebens
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<line tab="5"/>Auch einst in unserm Herbst so from und froh zu seyn. –</letterText>
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<letterText letter="321"><align pos="right">Riga d. 2ten 8br 1779 a. St.</align><line type="break"/>
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Theurester Bester! <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Verzeyhen Sie die Form dieses Briefs, wie die Zumuthung die er enthält und setzen beydes auf die
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Rechnung des strengsten Vertrauens nicht in Ihre Freundschaft und Güte für mich, die, wie ich aus
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Proben ersehen unbeschränkt ist – sondern in Ihre Gerechtigkeit und Wahrheitsliebe. Ich bitte diese
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Worte nicht nach dem Herkommen gedruckter Stutzernomenklatur – sondern diesmal nach der Bedeutung der
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Einsamkeit und ihres Entschlusses auf immer zu nehmen. Also fort für diesmal mit allen äußern
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Verhältnissen, die die schnelle Sprache dessen was eine besondere Lage der Umstände jetzt auf mich
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wirken muß, nur höchst unfruchtbar aufhalten würden. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Ich komme eben von einem Besuch in Gesellschaft meines lieben grauen Vaters und eines jüngeren Bruders,
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der Sie in Weymar gesehen, wo ich auf die sonderbarste Art von der Welt in die Enge gebracht bin. Die
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zärtesten Sayten meines Herzens und möcht ich sagen, einer gewissen Art von Ehre deren System ich eben nicht
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recht von mir geben kann, sind angeschlagen und – kurz ich bin diesmal in großer Verlegenheit – – die
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vielleicht durch diesen Brief noch vergrössert wird; aber genug, ich kann mir nicht helfen. Es ist lange
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vor meiner Ankunft in Riga von einer Besetzung des nur halb erledigten Rektorats der Dohmschule (von dem Hr.
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D. Schlegel sich den Theologischen Theil vorbehält) die Rede gewesen. Mir hatte man gleich bei meiner Ankunft
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ins Land verschiedene Vorschläge nach Petersburg gemacht, von denen mein Herz, weiß ich aus was für Besorgnissen,
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zurücksteuerte, doch ohne sie ganz aufzugeben. Ein Gönner meines Schwagers <page index="2"/> ein Edelmann der es auch ohne
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Geburt seyn würde, den soll ich sagen sein Herz oder sein Geschmak der auf Ambassaden bis nach Spanien, wohl hat
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ausgebildet werden können, auch mir sehr anziehend machen – schon damals gemacht hatten, als er von seinen ersten
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Reisen als blosser Cavalier durch Königsberg nach Hause zurückgieng; erscheint in unsers Freund Hartknochs Laden.
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Außer dem Anzüglichen seiner Person, hielt ichs in Ansehung meines Schwagers, der von dem Hause viel Güte genossen,
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für Pflicht, ihn – und zugleich dem Haupt dieser Stadt, seinem Schwiegervater die Aufwartung zu machen. Ich beredte,
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weil er von einem vorhabenden Besuch bey meinem Vater sprach, den Altgen mit dazu, ihm zuvorzukommen. Wir treffen ihn
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nicht zu Hause, wohl aber den Hn. Bürgermeister, einen der thätigsten und ausgezeichnetsten Patrioten der Stadt und –
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stellen Sie sich meine Verwirrung vor, als ganz unvorbereitet, ganz überraschend für mich und vermuthlich für alle die
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gegenwärtig waren, mit der Naivität von der Sie sich bey meinem Vater nur eine dunkle Vorstellung – auch Sie! machen
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können, er förmlich bey der Schule für mich anspricht, und wenn ihnen ein Subjekt dazu fehlte, mich – unparteyisch – welch
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ein Ausdruck – unparteyisch dazu empfielt. Herr Burgermeisters S. Miene die sich dabey sichtbar veränderte, machte mir den
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Mann noch einmal so ehrwürdig, denn nun hatte ich wenigstens meiner eignen Verlegenheit etwas zuzugesellen. Noch mehr aber
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seine langsame und geflissentlich <page index="3"/> überlegte Antwort: es sey deswegen an auswärtige Gelehrte geschrieben worden,
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von denen zwey abgesagt, itzt steh man mit einem dritten in Traktaten habe aber auch zugleich an Sie – geschrieben und
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wolle in dem Stück ganz und gar auf Ihre Empfehlung fussen. Itzt hätte mir wohl werden sollen, und mir wards – aber
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nicht so ganz – ich gehe zu einem Freunde wo ich von andern in das Fach hin einschlagenden Dingen sehr beunruhigt,
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aber ohne daß sie mich selbst angiengen, zu sprechen hatte, komme zurück und will sehen, was unsers Hartknochs sehr
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üble Brust heute macht und – find ihn an einer Post nach Leipzig die er expedirt, und mir Pappier und Feder hinlegt,
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wenn ich auch an jemand schreiben wollte. – An wen anders als an Sie – – mich zu empfehlen? nicht doch – Ihre
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Empfehlung zu erbitten, zu verbitten – auch nicht, kurz ich weiß selbst nicht was ich will, was ich soll – – aber
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an wen anders kann, darf ich das schreiben als an Sie – Freund Goethe – hat mich wohl vergessen – mag will wie ich
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sehe sich in keins meiner Angelegenheiten mehr mischen, wird vielleicht durch jede Art meiner Zuschriften selber
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soll ich sagen beleidigt? – – doch gewiß beunruhigt – und soll ich empfolen sein – wär ichs am liebsten von Ihnen.
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Guter Gott, aber Sie kennen, wenn Sie mein Herz ja kennen, weder mein Geschick überhaupt noch zu einer solchen Stelle
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in sonderheit. Soviel sag ich Ihnen frey und wills druken lassen, daß in <ul>meinem Vaterlande</ul> mir eine solche Stelle
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die wünschenswertheste wäre. Und wem sollte sie es nicht seyn. Ich wollte solang wenigstens an mir pressen <page index="4"/>
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bis das was ich gutes und vortheilhaftes draussen eingesogen, ausgedrükt wäre, mögte man hernach mit dem löchrichten
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Herzen machen was man wollte. Bey alledem aber habe ich die Theologie – nicht gründlich studirt, kann auch keine grosse
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Theologen auf die grosse Bühne der Welt schicken. Dafür aber hab ich mich ein wenig in der Geschichte und Gesetzen meines
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Vaterlands umgesehen, die ich immer fleissiger mit Zuziehung der erfahrensten Männer zu studieren gedenke, will dabey
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gern in dem bißgen Griechisch und modernen Sprachen, was ich weiß, auch in der sogenannten schönen Kenntniß von
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Kunstwerken und Kunstsachen, auch wenn der Adel, der fast den zahlreichsten Theil unsers Landes ausmacht und um
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Unterricht verlegen ist, mit zu unsrer Bürgerschule gezogen werden soll, in besondern Stunden in dem historischen
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Theil der alten und neuen Taktik Fortifikation u. s. f. soweit Unterricht geben, daß er hernach praktischem Unterricht
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schneller nutzen kann, so auch in Staatsgeschichte und <ul>Staatswirtschaft</ul> welches mir ein Hauptbedürfniß meines
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Vaterlands scheint – auch lateinische Autoren lesen, und Redübungen mitbetreiben helfen, nach meinen Kräften – <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Wissen Sie ein redlicheres, stärkeres und ausdaurenderes Subjekt für diese Anstalt deren Einrichtung so wie die Stärke
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und Umfang seiner Nerven, Kräfte und erworbenen Anlagen Sie kennen, so bezeuge ich hiemit vor Gott – den ich nicht
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leichtsinnig zum Zeugen nehmen mag – daß ich der Anstalt Glük wünschen und mit dem Schmerz hier nicht haben nützen zu
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können mich auch a<note>Textverlust</note>hnen lernen werde ohne einen Gedanken von <note>Textverlust</note>le den, Ihnen und Ihnen ähnlichen,
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mit voller warmer Hochachtung gewiedmeten wegzugeben oder ärmer an <note>Textverlust</note>m Gefühl zu <sidenote pos="left" page="4" annotation="am linken Rand, vertikal">
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werden, mit dem ich auch schweigend mich jederzeit und überall nennen werde</sidenote><line type="break"/>
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<align pos="right">Ihren<line type="break"/>
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gehorsamstergebensten<line type="break"/>
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JMR Lenz.</align> <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Mein Vater ist – für mich – reich, so auch meine Geschwister. Daß also das nicht in Anschlag
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kommen darf.</letterText>
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</opus>
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