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Einpflegung von Brief 343.
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fühle, so wenig im Stande bin mich zu vertheidigen. Oder glaubten Sie vielleicht die Wunde auf die man
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schlägt, blute weniger</letterText>
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<letterText letter="343"><align pos="center">Empfindungen<line type="break"/>
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eines jungen Russen <line type="empty"/>
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der in der Fremde erzogen<line type="break"/>
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seine allerhöchste Landesherrschaft wiedererblickte.</align> <line type="empty"/> <!-- Wird der Titel besonders formatiert? -->
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<line tab="5"/>So ward ich denn noch dazu aufgehoben
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<line tab="5"/>Das Angesicht zu sehn, das unter Still und Nacht
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<line tab="5"/>Und Sturm und Sonnenschein wie eine Gottheit oben
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<line tab="5"/>So manches Tagewerk ausbildend schon vollbracht
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<line tab="5"/>Und Völker, welche sie in hundert Sprachen loben
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<line tab="5"/>Zu einer Nazion gemacht.
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<line tab="5"/>Da stehn sie, um sie her, mit Flammen in den Blicken
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<line tab="5"/>Die Glücklichen, den Seegen auszudrüken,
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<line tab="5"/>Der ihr seit der Vereinigung,
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<line tab="5"/>Von einer halben Welt gelung. –
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<line tab="5"/>Da steht der große Geist: der, Muster von Regenten
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<line tab="5"/>Doch, keine Mutter sah wie <del>Hie</del> die; <line type="empty"/>
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<line tab="5"/>Den Friedriche belohnen könnten
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<line tab="5"/>Doch glücklich machen nicht, wie <ul>sie.</ul>
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<line tab="5"/>Sie, die das Ganze zu umfassen
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<line tab="5"/>Selbst ihrem Scharfsinn wehrt, sobald er Wesen drückt, <page index="2"/>
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<line tab="5"/>Die zu Maschinen sich einmal nicht brauchen lassen
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<line tab="5"/>Und schienen sie noch so beglückt.
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<line tab="5"/>Sie die so menschlich herrscht, daß jeglichem Talente
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<line tab="5"/>Die Fessel von den Händen sinkt
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<line tab="5"/><insertion pos="left">Sie</insertion> <del>Und</del> die selbst da, wo Titus zwingen könnte
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<line tab="5"/>Nie anders als durch Freiheit zwingt. –
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<line tab="5"/>Da steht der schwache Kopf, für den, in dem sie denket
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<line tab="5"/>Erstaunt, daß sies ergänzt, an seiner Statt vollendt,
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<line tab="5"/>Worauf er hofnungslos die letzte Kraft verschwende
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<line tab="5"/>Woran er sich zersann, <del>verstiegne Plane</del> daß sie den Schwindel lenket
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<line tab="5"/>Und <del>offt wie</del> <insertion pos="top">selbst den</insertion> Phaeton sanft auf den Boden senket
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<line tab="5"/>Damit er keine Welt verbrennt. <line type="empty"/>
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<align pos="center">x x x</align> <line type="empty"/>
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<line tab="5"/>So <del>Und</del> ist denn das die Frau, die über jedes Lob
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<line tab="5"/>Das Schwachheit oder Furcht dicktirte
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<line tab="5"/>Durch Thaten, die kein Lob berührte
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<line tab="5"/>Und durch Bescheidenheit unsterblich sich erhob? – <page index="3"/>
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<line tab="5"/>Die selbst die Schmeichelei durch unbesungne Schritte
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<line tab="5"/>Womit sie nach der Wahrheit rang,
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<line tab="5"/>Offt durch das Gegenteil, offt durch die weisre Mitte
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<line tab="5"/>Zu heilsamer Beschämung zwang.
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<line tab="5"/>Die jede Politick studierte,
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<line tab="5"/>Zu lernen nie verschmäht’, auch wenn kein Lob es rieth;
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<line tab="5"/>Selbst8 das erschuf, was sie kopierte,
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<line tab="5"/>Der Fehler feinsten Anfang mied
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<line tab="5"/>Und standhaft, wenn um sie die Staatskunst kabalirte
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<line tab="5"/>Selbst da, wo offt ein Pitt nur Zweiffel kalkulirte
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<line tab="5"/>Den feinen Schlangenpfad, der zur Vollendung führte
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<line tab="5"/>Allzeit mit Sicherheit entschied. –
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<line tab="5"/>Die still und sanft ihr Reich auf einen Felsen baute
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<line tab="5"/>Auf zweyer Welten Schlangen trat
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<line tab="5"/>Und dann – mit <ul>Petern</ul> um sich schaute
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<line tab="5"/>Auf einen ewigfesten Staat. <page index="4"/>
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<line tab="5"/><del>Ist das die Frau!</del> <insertion pos="top">Die Frau</insertion> die selbst in ihren Kriegen
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<line tab="5"/>Noch Muster ist und Herzen nur besiegt
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<line tab="5"/><insertion pos="left">Der die</insertion> <del>Sich die</del> Bezwungnen selbst <del>Dir froh</del> <insertion pos="top">mit Dank</insertion> zu Füssen liegen
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<line tab="5"/>Weil <del>Du</del> <insertion pos="top">sie</insertion> ihr Unglück nur bekriegt.<line type="break"/>
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<align pos="center">x x x</align><line type="break"/>
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<line tab="5"/>Wie aber?- jener Blick voll Kraft und doch voll Güte
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<line tab="5"/>Der Weise selbst zur Ehrfurcht zwingt,
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<line tab="5"/>Mit wundervoller Jugendblüthe
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<line tab="5"/>Die Mentors um sich her verjüngt:
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<line tab="5"/>Ist das der junge Fürst, der schon so lang sie heget
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<line tab="5"/>Gefühle jener Art, wie Peters Brust bewegt,
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<line tab="5"/>Und sie verschließt – weil er die Kräfte wäget,
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<line tab="5"/>Mit denen er die Welt einst trägt.
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<line tab="5"/>O theurer Fürst! der Kenner wird sie finden <page index="5"/>
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<line tab="5"/>Des Weisen schärfster Blick sie gründen
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<line tab="5"/>In Deinem feinsten Zug, wenn er Dein Bild vergleicht
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<line tab="5"/>Den Ahnherrn sieht, erblaßt – und schweigt.
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<line tab="5"/><del>Geliebte Majestät! die durch verschwiegne</del>
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<line tab="5"/><insertion pos="left">Geliebte Grösse! die durch sanft verschwiegne Tugend</insertion>
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<line tab="5"/>Die durch zurückgehahne Kraft
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<line tab="5"/>Schon jetzt sich eine Welt erschafft
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<line tab="5"/>In der sie <ul>Vorbild</ul> ist: sieh unsre beßre Jugend,
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<line tab="5"/>Bekannt mit jedem Reitz der Tugend,
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<line tab="5"/>Die still und froh in Deinem Beyspiel liest,
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<line tab="5"/><del>Die es</del> <insertion pos="top">Der es, indem es sie</insertion> zur Lust, <del>wie zu dem</del> <insertion pos="top">zum</insertion> Kampf begleitet,
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<line tab="5"/><del>Sein</del> Das Saitenspiel <del>für sie,</del> so wie den Bogen leitet,
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<line tab="5"/><del>Sie in der Freunden Kreis begleitet</del>
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<line tab="5"/><insertion pos="left">In jeder Klasse Vorbild ist.</insertion>
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<line tab="5"/>Kurz, der, Du Mensch-Apollo bist.
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<line tab="5"/>Für diese ists, daß Du die Triebe zwingest
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<line tab="5"/><insertion pos="left">Die dich so menschlich sanft</insertion> <del>Die Dich</del> zum Schutzgestirn erhöhn, <page index="6"/>
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<line tab="5"/>Und dann im Geist hoch über Wolken dringest
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<line tab="5"/><del>Bis Du auf einmal frei Dich über Wolken schwingest</del>
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<line tab="5"/>Zahllose Herzen glühn zu sehn.
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<line tab="5"/>Für diese ists, daß sich in Unschuldstänzen
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<line tab="5"/><insertion pos="left">Der süsse Pfeil</insertion> <del>Die Liebe Deines Volks</del> in jeden Busen pflanzt
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<line tab="5"/>Und Beyfall, womit nur die freisten Seelen <del>offt</del> kränzen
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<line tab="5"/>Dein Herz, ganz Güte, sich ertanzt. *
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<line tab="5"/>Für diese ists, daß eitle Lorbeerreiser
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<line tab="5"/>Dies Herz verschmäht und Alexanders Ruhm,
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<line tab="5"/>Für einen Blick, der redlicher und weiser
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<line tab="5"/>Dir sagt: Du <del>bist</del> wirst der Herzen Käiser
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<line tab="5"/>Auch meines ist Dein <del>Eige Heiligthum.</del> Eigenthum. <line type="empty"/>
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<line type="empty"/>
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<line tab="1"/>* Daß das Tanzen, bei dem Zwange, in dem unsere Fürsten leben, die einzige Gelegenheit ist, sich
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dem Volk vortheilhaft zu weisen und ihre Liebe zu gewinnen, kann man nur beurteilen, wenn man
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lang an Höfen gelebt hat. <page index="7"/> <line type="empty"/>
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<line tab="5"/>Ja Prinz! die Frau, die Dich der Welt geschenket
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<line tab="5"/>Ward dadurch Mutter auch für mich.
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<line tab="5"/>Daß sie der Welten Zügellenket
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<line tab="5"/>Ist groß, doch grösser nicht, als das: Sie schenkt’ uns Dich.
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<line tab="5"/>Sie gab die Fürstino uns, die <ul>Paulen</ul> glücklich machet*)
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<line tab="5"/>Und durch ihn eine Welt, die, wenn er glücklich ist,
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<line tab="5"/><insertion pos="left">Mariens</insertion> Schatten seegnend küßt
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<line tab="5"/><del>Von seiner Licht das Echo ist,</del>
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<line tab="5"/>Die den in <ul>ihr</ul> verehrt, durch den die Erde lachet
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<line tab="5"/>Der keines Staubs darauf vergißt
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<align pos="center"><note>Kringel</note></align> <line type="empty"/>
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Lenz.<line type="break"/>
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<page index="8"/><line type="break"/>
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<line tab="1"/>Hier lieber Bruder sind die Verse wieder und tausend Dank für die Erinnerungen, die ich zwar nicht
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alle habe brauchen können, die aber bei so manchen Stellen dennoch die Feile mir geführt haben. Du
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thätest mir einen Gefallen, wenn Du so wie es ist, sie an Papa schicktest und ihn auch um sein Urteil
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fragtest. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Ich habe mir vorgenommen, es vor <ul>die Uebersetzung von Domaschnews Rede</ul> zu setzen, schreib mir Deine
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Meynung darüber. Wenn Du es an Papa schickst, so laß es ja abschreiben. Gustelchen thut mir das wohl
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in einer Freistunde zu Gefallen. Wo nicht so schick mirs vorher selbst wieder <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Dies Exemplar behalt ich für mich. Lies sie doch auch der Frau Obristin ja vor und schreib mir ihr Urteil
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darüber, so wie sie jetzt sind <line type="empty"/>
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<line tab="1"/><sidenote pos="left" page="8" annotation="Am linken Rand, vertikal">Wirst Du nicht die Geduld verlieren, heut nichts als Verse zu lesen. Sei versichert, daß meine Ader Dir wieder
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sehr lange Ruhe lassen wird.</sidenote></letterText>
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@@ -5155,5 +5155,20 @@
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<isDraft value="true" />
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<letterDesc letter="343">
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<date value="unbekannter Ort, Mitte 1779 bis Ende 1780" />
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<sort value="1780-10-30" />
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Kraków, Biblioteka Jagiellońska, Lenziana 1, II, Nr. 1; das Manuskript enthält zunächst das Gedicht
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„Empfindungen eines jungen Russen“, auf der letzten Seite dann den Brief an Johann Christian Lenz
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Reference in New Issue
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