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Einpflegung von Brief 49.
This commit is contained in:
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<note>Adresse</note>
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An Lavatern.
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in Zürich.</letterText>
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<letterText letter="49"><align pos="right">Strasb. den 10ten May 1775.</align> <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Es ist wohl wunderbar daß ich einen Brief vom Jenner erst im May beantworte: aber ich muß Ihnen
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gestehen Gotter, daß ich Sie im Verdacht hielt, Sie hätten die kritischen Nachrichten im Merkur
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gemacht und die gefallen mir nicht. Darum schwieg ich. Meine Autorschaft läßt mir gute Ruh und
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kann mich einen Freund nicht vergessen machen. Das ist kein Vorwurf für Sie mein Lieber, denn
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Sie hatten mich darum nicht vergessen, obschon Sie mir nicht schrieben und auf die Versprechungen
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der Freundschaft halte ich so streng nicht, weil ich mich selbst auf den Punkt nichts
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zuverlässiger kenne. Wir sind in gewissen Augenblicken so seelig, so trunken vom Gefühl unsers
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Daseins daß wir die ganze Welt mit einem Blick übersehen mit einem Schritt überschreiten da
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fühlen wir uns eine gewisse Größe unmögliche Dinge in einem ganz leichten Roman zu kombiniren
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wie meine Reise nach Gotha war. #<!-- Was bedeutet#? --> Nehmen Sie das Projekt für ein Zeichen meines Vergnügens in
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Ihrer Gesellschaft an wie ich Ihr Versprechen mir aufs geschwindeste zu schreiben dessen Erfüllung
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und die Nachrichten von Ihrer fürtrefflichen Schwester mir nun ein unvermutetes Geschenk sind
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wofür ich sehr danke obwohl etwas spät. Was aber langsam kommt kommt gut und mein Dank ist
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aufrichtig. Ich habe alle Ihre Aufträge ausgerichtet und von alle den Herrn viel Gegenkomplimente
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zu versichern. Gerhardi ist Rath worden bei den Prinzen von Hessen die er itzt hofmeistert.
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Ich hab ihn seit unsrer guten letzten Zusammenkunft nur einmal gesehen und von beyden Seiten
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sehr zerstreut. Ich gehe <page index="2"/> so meinen Gang fort über Stock und Stein und bekümmere mich
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eigentlich nur um die Leute deren Herz und Geschmack sich mit meinem berühren kann. So waren
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Sie mir recht was Sie mir auch übern Menoza schreiben können, den ich selber eine übereilte Comödie
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zu nennen pflege. Mein Theater ist wie ich Ihnen sage unter freyem Himmel vor der ganzen deutschen
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Nation, in der mir die untern Stände mit den obern gleich gelten die <aq>pedites</aq> wie die <aq>equites</aq>
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ehrenwürdig sind. Findt sich niemand in meinen Stücken wieder so bedaure ich Oel und Mühe – ob sie
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übrigens spielbar sind bekümmert mich nicht, so hoch ich ein spielbares Stück schätze wenn es gut
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gerathen ist. Sich nächst an die Natur hält und doch Herz und Auge fesselt. Neugier auf einen Grad
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der Leidenschaft zu treiben weiß und doch durch Befriedigung derselben mich nicht unlustig macht,
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weil ich sie möglich und wahr finde. Das letzte könnte Thema zu einer Kritik meines Menoza geben
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und ich danke Hn. Wieland für einige Winke in der seinigen. Wiewohl er hoffe ich bei der nächsten
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Auflage das zu harte: <ul>„Mischspiel“</ul> zurücknehmen wird. Ich hatte bloß versäumt einige Erzehlungen
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deutlicher zu machen die <ul>das Ganze</ul> in ein besseres Licht stellen –
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<sidenote pos="left" page="1" annotation="am linken Rand der ersten Seite, vertikal">
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<line tab="1"/># Der Kurländer sitzt schon lang unter seinen Hausgöttern und ist auf dem Wege gestorben und
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wieder auferstanden. Ich war wirklich auf den Punkt ihn zu begleiten, aber all meine Anstalten
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wurden zu Wasser. Doch trag ich mich immer noch mit einer Ausschweiffung nach Deutschland.
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Warum haben Sie mir denn nichts von Ihnen zukommen lassen? Das Versprechen hätten Sie doch
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halten sollen. Sie wissen wie es uns armen Poeten geht, die die Bücher lesen wie Vögel unter dem
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Himmel ein Korn finden. Ich habe noch keins von Ihren Stücken in die Hände bekommen Von der
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Seilerschen Gesellschaft verseh ich mir sehr viel Gutes Gott weiß wenn ich <aq>exul</aq> wieder einmal
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deutsches Schauspiel zu sehn bekomme</sidenote>
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<sidenote pos="left" page="2" annotation="am linken Rand, vertikal">
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<line tab="1"/>Grüßen Sie mir Ihre verehrungswürdige Schwester und den lieben Doktor. Wenn Sie aber nach Lyon
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schreiben, oder Himmel führe Ihre Hand alsdenn, meiner im besten zu gedenken. Kann ich nicht
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erfahren wenn sie zurückkommen. Lieber Freund! wären doch alle Oerter in der Welt so nah bey
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einander als in Shakespears Stücken! Lion, Strasburg, Gotha – ich denk’, ich erwarte Sie alle.</sidenote>
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<sidenote page="2" annotation="am oberen Rand, spiegelverkehrt">
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<line tab="1"/>Was sagen Sie zu all dem Gelärms übern Werther? Ist das erhört einen Roman wie eine Predigt zu
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beurtheilen. O Deutschland mit deinem Geschmack!</sidenote></letterText>
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</document>
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</opus>
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@@ -731,6 +731,22 @@
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<isDraft value="false" />
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</letterDesc>
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<letterDesc letter="49">
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<date value="Straßburg, 10. Mai 1775" />
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<sort value="1775-05-10" />
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<location ref="7" />
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<senders>
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</senders>
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<receivers>
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</receivers>
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<isProofread value="true" />
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<isDraft value="false" />
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</descriptions>
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</opus>
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@@ -303,6 +303,11 @@
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</app>
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</letterTradition>
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<letterTradition letter="49">
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<app ref="4">
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Kraków, Biblioteka Jagiellońska, Lenziana 5, Nr. 1
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</app>
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</letterTradition>
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