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@@ -485,14 +485,10 @@ Tarwast den 9ten November 1767.
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<line tab="1"/>Herr Simon kommt zurück eh’ ich ihn haben will: ich kann Ihnen also das Versprochene nicht zuschicken. Es war mein Trauerspiel, welches ich jetzt eben für Sie abschreibe. Ich werde schon eine andre Gelegenheit finden es Ihnen zukommen zu lassen. Nicht einmal einen langen Brief erlaubt mir seine beschleunigte Abreise. Gut, daß ich dann und wann, bei Lesung des Leibnitz ein hingeworfenes Blatt für Sie beschrieben habe. Vergeben Sie mir, daß ich es nicht abschreibe und meine Gedanken in Ordnung bringe. Ihnen, als einem unverwöhnten Auge, darf ich sie auch im Schlafrock zeigen; wenn sie wahr sind, werden sie Ihnen auch alsdann besser gefallen, als falsche in einem Gallakleide. – Wie ich Ihnen gesagt habe, meine philosophischen Betrachtungen dürfen nicht über zwo, drei Minuten währen, sonst tut mir der Kopf weh. Aber wenn ich einen Gegenstand fünf-, zehnmal so flüchtig angesehen habe, und finde, daß er noch immer da bleibt und mir immer besser gefällt, so halt’ ich ihn für wahr und meine Empfindung führt mich darin richtiger als meine Schlüsse. Nro. 11. ist eine Apologie meines allerersten Briefes über die Erlösung. Nachdem ich aber Ihre Antwort wieder durchgelesen, finde ich, daß wir fast einerlei gedacht und dasselbe mit andern Worten ausgedrückt haben. Sie haben mich unrecht verstanden, wenn Sie glaubten, ich ließe Gott die übeln Folgen der Sünde auf den Mittler lenken, bloß um seine strafende Gerechtigkeit zu befriedigen. Leibnitz dieses; er sagt, es ist eine Convenienz, die ihn zwingt Gutes zu belohnen und Böses zu bestrafen. Ich denke aber, es geschieht bloß um unsertwillen, weil, auf das moralische Uebel kein physisches Uebel, als eine Strafe folgt; wir lieber Böses als Gutes tun würden, da das Böse leichter zu tun ist. Und warum Gott das Gute für unsere Natur schwerer gemacht hat, davon ist die Ursache klar, damit wir nicht müßig gehen; unsere Seele ist nicht zum Stillsitzen, sondern zum Gehen, Arbeiten, Handeln geschaffen.
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<line tab="1"/>Doch <aq>seriosa in crastinum</aq>. – Ich werde hoffentlich noch mit Ihnen diesen Winter zusammenkommen; wiewohl das Regiment jetzt die letzte Ordre erhalten hat, hier zu bleiben. Wenn ich Sie Sehe – Jetzt fühle ich, daß die ideale Gegenwart eines Freundes die persönliche nicht ersetzen kann, so werde ich Ihnen viel zu sagen haben. Meine Seele hat sich hier zu einem Entschlusse ausgewickelt, dem alle Ihre Vorstellungen – dem die Vorstellungen der ganzen Welt vielleicht, keine andere Falte werden geben können. Wenn ich anders ihn einem Menschen auf der Welt mittheile, ehe er ausgeführt ist. – Mein guter Sokrates, entziehen Sie mir um dessentwillen Ihre Freundschaft nicht; bedenken Sie, daß die Welt ein Ganzes ist, in welches allerlei Individua passen; die der Schöpfer jedes mit verschiedenen Kräften und Neigungen ausgerüstet hat, die ihre Bestimmung in sich selbst erforschen und hernach dieselbe erfüllen müssen; sie seie welche sie wolle. Das Ganze giebt doch hernach die schönste Harmonie die zu denken ist und macht daß der Werkmeister mit gnädigen Augen darauf hinabsieht und <it>gut findet</it> <!-- Handelt es sich hier um einen Kursivschreibung in der Drucküberlieferung, da hier nicht-lateinische Wörter kursiv gesetzt sind? -->was er geschaffen hat.
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<line tab="1"/>Nicht wahr, ich rede mystisch, Ihnen fehlten die Prämissen, um meine Folgesätze zu verstehen. Sie werden sie verstehen, nur Geduld. – In der Erwartung will ich Ihnen nur mit der größten logischen Deutlichkeit sagen, daß ich von ganzem Herzen bin und bleibe
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<line type="break"/>Ihr drollichter <aq>Alcibiades</aq>.
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<line type="break" />Sagen Sie doch dem Ott, daß er den <aq>Lenz</aq> nicht über dem <it>Herbst</it><!-- Handelt es sich hier um einen Kursivschreibung in der Drucküberlieferung, da hier nicht-lateinische Wörter kursiv gesetzt sind? --> vergesse.
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<line type="break"/><align pos="right">Ihr drollichter <aq>Alcibiades</aq>.</align>
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<line type="break" /><line tab="1"/>Sagen Sie doch dem Ott, daß er den <it>Lenz</it> nicht über dem <it>Herbst</it><!-- Handelt es sich hier um einen Kursivschreibung in der Drucküberlieferung, da hier nicht-lateinische Wörter kursiv gesetzt sind? --> vergesse.
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<letterText letter="22">Würdiger Mann!
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