mirror of
https://github.com/Theodor-Springmann-Stiftung/lenz-briefe.git
synced 2025-10-29 17:15:31 +00:00
Einpflegung von Brief 115.
This commit is contained in:
@@ -4843,5 +4843,50 @@
|
|||||||
<line tab="1"/>Die Wolken bitte ich mir doch zurück. Vielleicht komm ich noch dieses Jahr in Ihre Gegenden. Mein
|
<line tab="1"/>Die Wolken bitte ich mir doch zurück. Vielleicht komm ich noch dieses Jahr in Ihre Gegenden. Mein
|
||||||
Name wird nicht genannt.</sidenote></letterText>
|
Name wird nicht genannt.</sidenote></letterText>
|
||||||
|
|
||||||
|
<letterText letter="115"><line tab="1"/>Daß mich Ihr gütiges, mehr als mütterlich herablassendes Zutrauen, gnädige Frau! bis zu Thränen
|
||||||
|
gerührt hat, – warum muß ich es Ihnen so spät sagen? Anstatt meine fürwitzigen Erkundigungen mit
|
||||||
|
dem Ernst der Weisheit abzuweisen, geben Sie Ihnen mütterlich gütig nach, und beschämen auf die
|
||||||
|
Art meine Dreistigkeit bis zum Verstummen. Indessen war mir alles auf der Welt an diesen Nachrichten gelegen, und
|
||||||
|
ich bedaure nichts weiter, als daß ich mit Einziehung derselben bisher so saumselig gewesen. Die geringste
|
||||||
|
Kleinigkeit von Ihnen und Ihrer würdigen Familie Umständen, ist mir von jeher äußerst wichtig gewesen; nur
|
||||||
|
waren die Nachrichten, die ich, als ein in diesen Gegenden völlig fremder, halber Lapländer, bisher davon hatte
|
||||||
|
einsammlen können, alle so mangelhaft, so wiedersprechend, in einem so hohen Grade wiedersprechend gewesen, daß
|
||||||
|
dieses Bedürfniß meines Herzens auf keine andre Art befriediget werden konnte, als von Ihnen selbst. Wollte
|
||||||
|
Gott, ich hätte eher so glücklich seyn können! Werden Sie es einem Kopf, der von hundert nothwendigen, und zehn
|
||||||
|
Tausend unwichtigen Dingen gezerrt wird, verzeihen, daß ich mit meinem Dank so spät komme? Und dennoch Keckheit
|
||||||
|
genug habe, so viel es möglich, und so weit eine solche Bitte von mir, ohne unbescheiden zu werden, geschehen
|
||||||
|
kann, Sie um nähere Aufhellungen einiger Stellen Ihres lezten Briefes anzuflehen? Wer war der Hohepriester, der
|
||||||
|
bey dem Schicksal der liebenswürdigsten Person Ihres Geschlechts eine so unliebenswürdige Rolle spielte? Und war
|
||||||
|
die Leidenschaft des Andern edel, die, wie ich aus allem ahne, unglückliche Folgen hatte? Ich las alle diese
|
||||||
|
Worte, wie die Passionsgeschichte unsers Heilandes. <line type="empty"/>
|
||||||
|
|
||||||
|
<line tab="1"/>Wie entzückt bin ich über die Familienportraite, die Sie mir aufgestellt haben. Noch oft spaziere ich in
|
||||||
|
Gedanken in dieser Gallerie herum, und freue mich über die mannigfaltigen, und doch einartigen Abdrücke des treflichsten
|
||||||
|
Vaters, (den ich zwar nur von der Seite seiner Erholungen und Vergnügungen, ich meyne die Briefe über das Mönchswesen,
|
||||||
|
kenne, dessen ganzen Werth ich aber, nach Maaßgabe dieser, mit einem angenehmen Schaudern ahne,) und der fühlbarsten,
|
||||||
|
weisesten und aller Verehrung würdigsten Mutter. <line type="empty"/>
|
||||||
|
|
||||||
|
<line tab="1"/>Könnte ich Ihnen doch alles sagen, was mir auf dem Herzen liegt. So viel müssen Sie wissen, daß Ihre
|
||||||
|
Nachrichten mir in einem Augenblicke kamen, wo sie mich fast zu Boden schlugen. Ich wußte nie, daß
|
||||||
|
Sie einen Sohn hatten, geschweige einen würdigen Sohn, der bey Wieland im Hause gewesen, und
|
||||||
|
also auch ihm manches zu danken hat. <line type="empty"/>
|
||||||
|
|
||||||
|
<line tab="1"/>Mein Wiederwillen gegen W., schrieb sich bloß aus einigen seiner Schriften her; seine
|
||||||
|
Privatverhältnisse habe ich nie gewußt, mich freilich mit großen Unrecht zu wenig darum
|
||||||
|
bekümmert. Erst jezt geht mir über viele Stellen in Ihrer unsterblichen Sternheim ein Licht auf, das
|
||||||
|
mich in einen wunderbaren Zustand versetzt, den ich Ihnen lieber, vielleicht sehr dunkel und unvollkommen,
|
||||||
|
zu ahnen überlassen, als beschreiben will. Auch wären vielleicht noch viel fatalere Sachen erfolgt,
|
||||||
|
wenn ich nicht, (ich denke, aus Fügung der Providenz,) noch im kritischen Augenblicke, diese Winke erhalten,
|
||||||
|
die mir nun, von Ihnen, um so viel heiliger sind. Nehmen Sie mehr als wörtlichen Dank, würdige Frau! <line type="empty"/>
|
||||||
|
|
||||||
|
<line tab="1"/>Ich hoffe, daß auch ich Wieland kennen lernen, und mit ihm, zwar zu seinem Vorteil, werde
|
||||||
|
ausgesöhnt werden. Indessen hat doch alles das zu manchem gut seyn müssen. <line type="empty"/>
|
||||||
|
|
||||||
|
<line tab="1"/>Gegenwärtig gehe ich mit einer kleinen Reise nach Deutschland um, die die nach Italien wohl noch
|
||||||
|
vorher kreuzen, vielleicht ganz auf eine andre Zeit aussetzen könnte. Ich bin nicht so ganz Dichter
|
||||||
|
allein, als Sie wohl glauben werden, und fühle es wenigstens sehr lebhaft, daß zum gut und artig
|
||||||
|
seyn, auch nothwendig das <ul>seyn</ul> gehöre. <line type="empty"/>
|
||||||
|
</letterText>
|
||||||
|
|
||||||
</document>
|
</document>
|
||||||
</opus>
|
</opus>
|
||||||
|
|||||||
@@ -1725,6 +1725,22 @@
|
|||||||
<isDraft value="false" />
|
<isDraft value="false" />
|
||||||
</letterDesc>
|
</letterDesc>
|
||||||
|
|
||||||
|
<letterDesc letter="115">
|
||||||
|
<date value="Straßburg, Ende Februar 1776" />
|
||||||
|
<sort value="1776-02-25" />
|
||||||
|
<location ref="7" />
|
||||||
|
<senders>
|
||||||
|
<sender ref="1" />
|
||||||
|
</senders>
|
||||||
|
<receivers>
|
||||||
|
<receiver ref="13" />
|
||||||
|
</receivers>
|
||||||
|
<hasOriginal value="false" />
|
||||||
|
<isProofread value="true" />
|
||||||
|
<isDraft value="false" />
|
||||||
|
</letterDesc>
|
||||||
|
|
||||||
|
|
||||||
|
|
||||||
</descriptions>
|
</descriptions>
|
||||||
</opus>
|
</opus>
|
||||||
|
|||||||
@@ -709,6 +709,13 @@
|
|||||||
</app>
|
</app>
|
||||||
</letterTradition>
|
</letterTradition>
|
||||||
|
|
||||||
|
<letterTradition letter="115">
|
||||||
|
<app ref="4">
|
||||||
|
Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv, GSA 56/I,6,1, Bl. 6r–7r; zg. Abschrift
|
||||||
|
</app>
|
||||||
|
</letterTradition>
|
||||||
|
|
||||||
|
|
||||||
|
|
||||||
</traditions>
|
</traditions>
|
||||||
</opus>
|
</opus>
|
||||||
|
|||||||
Reference in New Issue
Block a user