Einpflegung von Brief 358.

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<align pos="right">aufrichtigergebenster<line type="break"/> <align pos="right">aufrichtigergebenster<line type="break"/>
JMRLenz.</align></letterText> JMRLenz.</align></letterText>
<letterText letter="358"><align pos="right">Sr. HochEdelgebornen Herrn <aq>Brouwer</aq><line type="break"/>
fürnehmen Handelsherrn in Peterb.</align> <line type="empty"/>
<align pos="center"><ru>Мнлостнвый rocyаpы мои н покровинено<line type="break"/>
Инконай Иьваанобнью!</ru></align> <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Verzeyhen Sie daß ich Ihnen diesen Namen gebe und Sie ihn noch dazu aus der Brieftasche des
Grafen Anhalt bekommen <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Sie erinnern sich noch meines kurzen Aufenthalts in Petersburg, meiner Unentschlossenheit,
Unwissenheit, Trägheit, Schöngeisterey, Schwermuth kurz aller der Fehler, welche gegenwärtig
mit eben dem dringenden Eiffer und Ernst ein für allemal der Vergessenheit zu übergeben bitte,
als mir die Geduld, Dienstbegierde, Nachsicht, Ermunterungen so Sie mir in Ihrem Hause gaben,
ewig unvergeßlich seyn werden. <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Unter einige der vorzüglichsten Proben Ihrer Freundschaft zähle die Bekanntschaft, so Sie mir auf
dem Musikalischen Klubb mit einem Herrn <ul>Ziero,</ul> Freund des Herrn <ul>Weitbrecht</ul> machten, durch welchen
auch die Ehre hatte der Demoiselle Beausobre in dem Gräflich Tschernitscheffschen Hause aufzuwarten,
deren Verwandter durch die fürtreffliche Schrift über das Finanzwesen, sich die Hochachtung der
ganzen gelehrten Welt erworben. Ich hatte einen französischen Brief an diesen Herrn aufgesetzt, mit
welchem ihm jetzt nicht beschwerlich fallen will, da ich weiß daß Sie auch französisch sprechen und
ihm allenfalls die Stelle desselben so ich Ihnen hier in der Abschrift beilege, mündlich vorsagen
oder auch vorlesen werden, falls Sie Gelegenheit haben, ihn zu besuchen oder auf dem Klubb zu sehen.
Ein gleiches wird mit Herrn <ul>Bakmeister,</ul> der in dem Hause des <aq>Etats</aq>rath <ul>Schwebs</ul> wohnte geschehen können,
da ich seine itzige <aq>Charge</aq> nicht gleich auswendig weiß und Fehler in dem Briefe gegen das <aq>Etiquette</aq> zu
begehen fürchte <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Sie haben doch wohl Bekanntschaft mit dem Herrn Obristen <ul>Boc,</ul> welcher die Tochter eines Direktors des Baues
der Isaacskirche geheurathet. Ich bin dieser ganzen Familie (denn wo ich nicht irre giebt es mehrere Brüder,
von welchen einen <ul>jüngern in Liefland</ul> auf dem Lande bei einer <ul>Dame</ul> kennen gelernt, deren Schwester itzt
Generalin bei der Flotte in Petersburg ist und deren <ul>Gemahl,</ul> obgleich dem Namen nach wie es scheint von
<ul>Schwedischer</ul> Abkunft, dennoch in russischen Diensten, und wo ich nicht irre gegen die Schweden <ul>geblieben</ul>)
noch von den Jahren her Erkenntlichkeit <page index="2"/> schuldig, da sie meine Studien auf der Universität mit einer
Beyhülfe unterstützten. Sie erinnern sich auch wohl noch, als Sie mich in Petersburg an den Hof nahmen daß ein
Kammerherr <ul>Bok</ul> und der Major Berg, Sohn des Generallieutenants in <ul>Riga,</ul> eines vorzüglichen Gönners meines lieben
Bruder und apostolischen Vikars in <ul>Derpt,</ul> eine Art von Bollwerk vor uns machten, daß wir weniger beobachtet wurden
und durch die kleinen Oefnungen so sie uns doch bisweilen liessen, besser und ungehinderter <ul>sehen</ul> konnten. Der
jüngere Herr von Boc war auch ein Freund des jungen Herrn von Behagels, Verwandten des schwedischen Ministers,
den Sie in Petersburg gesehen haben. Ein Kammerherr Boc der in dem Demuthschen Gasthof abgetreten war, hat mir
viel von seiner gefahrvollen Reise über Schweden erzehlt alles dieses werden Sie vielleicht schon vergessen haben
ich erinnere mich aber noch, daß ich sogar in Liefland mit Ruhm erzehlen hörte, wie glüklich dieser Herr mit seinen
<ul>Bauren</ul> war, für welche er einige geschikte Handwerker aus fremden Ländern mit gebracht und viele derselben, so er an
seinen <ul>Adelhof nahm,</ul> eben so wohl zu guten Künsten als zu der deutschen Sprache anhalten lassen. Ein Beyspiel das in
Rußland Nachahmung verdiente. <line type="empty"/>
<line tab="1"/><sidenote pos="left" page="1" annotation="am linken Rand der ersten Seite, vertikal">Sollte ihnen nicht Herr Merslukin aus Biel bekannt seyn, oder Herr Biel, der, wo nicht irre eine Person ist?
Ich kenne nur seine Person. Er ist glaube ich nach Petersburg zurükgegangen und hat mir sehr wohl gefallen</sidenote> <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Das Alpendihlsche Geschlecht ist eines der ältesten und angesehensten in Liefland und das kleine Rüklehn, welches
die Monarchinn der Wittwe des verstorbenen Obristen als ein <ul>Wittwengeschenk</ul> für sie und ihre Töchter zur <aq>Anende</aq>
gegeben, ward vormals von dem Assessor Hagmeister verwaltet. <line type="empty"/>
<line tab="1"/><sidenote pos="left" page="2" annotation="am linken Rand der zweiten Seite die folgenden beiden Absätze, vertikal">Sollte Ihnen, theurester Freund! des Zusammenhanges wegen vieles in meinem Briefe noch sehr undeutlich scheinen
so muß Ihnen nur grade heraus meinen Fehler gestehen, daß ich meine <ul>eigene</ul> Person aus <ul>dringenden</ul> Ursachen von
allem was meine Freunde Bekannte und Verwandte in Liefland darinne angeht, sehr <ul>bestimmt und deutsch</ul> ausschliessen
muß, weil ich weiß, daß man nach gewissen Verabredungen von mir als einem Schwärmer urtheilt und nach denen Briefen
so ich Ihnen aus Liefland geschrieben und schon <ul>oft wiederruffen,</ul> halten mußte. Ich war damals wirklich nicht
<ul>recht bei mir,</ul> wie ich schon oft erklärt habe, <ul>besonders denjenigen Herrn die besondre Geheimnisse der Freymäurerey
<line tab="1"/>in meinem Betragen</ul> suchten.<line type="break"/>
Eben entzükt mich eine neue Bekanntschafft, so ich von einem Reisenden der aus Peterb. angekommen, gemacht.
Wollte Gott, ich hätte vier Pfenninge des Tages einzunehmen und könnte sie mit ihm theilen. Wäre doch die Moskwa
der Rhein! <line type="empty"/></sidenote>
<line tab="1"/><sidenote pos="bottom" page="2" annotation="am unteren Rand der zweiten Seite">*<!-- Verweiszeichen -->Herrn Bakmeister, wie auch Herrn Arndt bitte zu fragen ob ihre Russischen Bibliotheken schon Uebersetzer gefunden.
Ist Herr Arndt verwandt mit dem V. der liefländischen Chronik?</sidenote> <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Man hat in Derpt noch das alte Gemäur einer sogenannten Schwedischen Kirche, welches Herrn Bakmeister*<!-- Verweiszeichen -->, der mit allen
<page index="3"/> Details von diesem Ort bekannt seyn muß, dessen Universität er beschrieben, nicht unbekannt geblieben seyn kann.
Auch wird er wissen, daß Derpt zum <ul>Anseebunde</ul> gehörte (der in Nowgorod zerstöhrt ward) und eine Verbindung durch Pernau
mit der Ostsee hatte, so wie durch den Peipus und den Fluß Narwa mit dem Finnischen Meerbusen, folglich die <ul>Möglichkeit</ul>
einer <ul>Handelsschule</ul> in Derpt, die freilich den Beystand des umliegenden Adels, der den Jahrmarkt oder die Messe daselbst
besucht, nöthig hat, nicht so ganz völlig unter die eitlen Träume und Schimären verwiesen werden muß, zumahl da nach dem
Plan der Monarchinn mit der Moskauschen Handelsschule des verewigten geheimen Raths von Demidoff die jungen Studenten
dieser Handlungsakademie nach vollendeten Studien <ul>Reisen</ul> erst <ul>innerhalb,</ul> dann ausserhalb des Vaterlandes anstellen sollen,
um den Handelszustand und die Produkte jedes Orts, den Karakter der besten Kaufleute u. s. f. kennen zu lernen und ihren
künftigen Credit ein wenig zu befestigen. <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Sollten die Herrn <ul>Correktoren und Verbesserer</ul> der Sitten und Denkart des Landes, besonders des Volks, in Lief
Ingermannland und Finnland, die sonst unter dem altmodischen Tittel von <ul>Hofmeistern</ul> ins Reich verschrieben worden,
nicht Gelegenheit haben den Adel auch in Liefland zur Unterschrift <ul>einer Uebersetzung</ul> der berühmten Bonnetschen
Sammlungen der Naturgeschichte, des Pflanzen, Stein und Thierreichs in die <ul>Russische Sprache,</ul> wahrscheinlich auch
mit Beyträgen von einheimisch Russischen Produckten aus den drey <ul>Reichen,</ul> zu welchen <ul>Künstler, Mahler **<!-- Verweiszeichen --> und
Kupferstecher</ul> (ich habe im Elsaß sechs Wochen lang Kuhfleisch gegessen, welches mich sehr oft an die Geschichte
Abrahams erinnerte, welche am Terek von den dasigen wilden Kosaken noch mit Schlachtung eines wirklich
buchstäblichen <ul>Boks mit Hörnern, Fell und Klauen begangen</ul> werden soll; so nöthig sind in unsren neuern
<ul>geschliffenen Zeiten</ul> richtige Erklärungen der Kunstwörter, deren <ul>Mißverstand</ul> entsetzliche Folgen haben kann)**<!-- Verweiszeichen -->
in <ul>Contracktmässigen Anspruch</ul> genommen und wohl bezahlt werden müssen, durch ein gutes Wort zu gelegener Zeit,
willig zu machen? Der Adel und die Damen <page index="4"/> unterschreiben doch so gern zu allerley <ul>Kleinigkeiten und
Possen</ul> in Prosa und Versen, die nur zur Belustigung in trüben Stunden und wieder die Langeweile auf dem Lande
auch zu einer <ul>künstlichen</ul> angenehmen Melancholey dienen, aber eigentlich den <ul>wahren Nutzen</ul> ihrer <ul>Haushaltungen,
Kinderzucht Bediente</ul> und <ul>Unterthanen,</ul> ja sogar des Umsatzes ihrer Naturprodukte mit <ul>Ausländern,</ul> niemals befördern
werden. Solche Bilder mit Farben würden allen möglichen Arten von <aq>langues</aq> und Zungen, sie mögen nun <aq>oui,</aq> oder <aq>oc</aq>
aussprechen, willkommen und verständlich seyn. Ich hoffe meinem lieben Bruder Vicarius und durch ihn und Herrn
Pastor Oldekopp auch meinem theuren alten Vater gelegentlich davon zu schreiben, wenn der letztere schon sein
kleines <ul>Bischofshoff noch nicht einmal besucht hat,</ul> wo ich mich gern mit ihm zusammen fände, um auch ein Paar
<ul>neue</ul> Worte mündlich mit ihm wechseln zu können, über hundert Dinge, die hauptsächlich Schulen und Erziehungsanstalten
betreffen, da Herr Pastor Gerzimsky und Lau das Vergnügen haben, zu hoffen, eine neue Handlungsschule in Moskau vor
ihren Augen aufsteigen zu sehen, die mich sehr oft in <ul>stumme Bewunderung der Gnade der großen und unvergessamen eben</ul>
sowohl als <ul>unvergeßlichen Landesmutter</ul> gegen das alte <ul>Lyceum in Riga</ul> hinreisset, wo wie Ihnen bekannt sein wird, Herr
Past. Dingelstädt und Moritz die Erziehung dirigiren. <line type="empty"/>
<line tab="1"/><sidenote pos="left" page="4" annotation="am linken Rand der vierten Seite, vertikal"> Sollten Sie nicht einen Herrn v. Neumann leiblichen Schwager des Holländischen und Französischenglischen lieben
Herrn Prediger Brunners, der in Kriegsdiensten war und in Peterburg Seedienste nehmen wollte, kennengelernt haben?
Herr Reimann, der Assistent des Herrn Hartknoch des Rigischen Bücher und Verlagsraths (der die Weissischen Schriften
so ungemessen verehrt) wird Sie vielleicht auch besucht haben. Wir hätten ihn gern hier zu einer Leih- und
Lesebibliothek, die noch nicht creirt ist, mit angestellt</sidenote> <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Erinnern Sie sich noch eines Apfels in Matten vom Berge <ul>Caukasus</ul> <insertion pos="top">und Caspischen Meer</insertion> den mir der verstorbne
Professor Güldenstedt schenkte und mit welchem ich Ihren oder Ihres lieben Herrn Schwager Pflugs Kindern ein
Geschenk hätte machen sollen. Ich bracht ihn der Frau Generalin Kurganowsky, da ich weiß, daß ich ein schlechter
Admiral bin und überhaupt so wenig Russisch in meiner Kindheit gelernt, daß ich von denen Geheimnissen die in
Rußland unter der Figur eines Apfels liegen sollen, ganz und gar nicht <ul>unterrichtet</ul> war auch <ul>nicht daran gedacht
habe:</ul> Ich wollte und mußte nun galant seyn und begieng vielleicht einen groben Fehler. So ist es mir mit dem
Tanzen und hundert andern Dinge dieser Art gegangen, <ul>so daß ich mehr als jemand Satyren verdient hätte.</ul> Möchten
doch nur alle Satyren ohne <ul>Personalstachel</ul> und so meisterhaft geschrieben seyn, als einige seitdem in Petersburg
herausgekommen. Ich umarme Dero fürtrefliche liebe Kinder in Gedanken und bitte Dero Herrn Schwägern Pflug und
Kreidmann, wie auch sämtlichen Angehörigen unvergeßliche Achtung zu versichern von Ihrem unverändert <line type="empty"/>
<align pos="center">Ihnen persöhnlich verbundenen</align><line type="break"/>
<align pos="right">JM RLenz.</align></letterText>
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<date when="1787-11-15">Moskau, nach dem 4. November 1788</date>
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Euphorion 14 (1907), S. 614f. Euphorion 14 (1907), S. 614f.
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Riga, Latvijas Akadēmiskā Bibliotekā, Ms. 1113, F. 25, V. 31, Nr. 37
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