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Einpflegung von Brief 57.
This commit is contained in:
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<note>Nachschrift Lavaters</note><hand ref="10">
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<line tab="1"/>Zwei Dinge sind unter der Sonne, die du zu meiden hast – allzustille Einsamkeit u.
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allzulautes Geräusch – dass du in jener nicht dich selbst, in anderer nicht andre versehrest. d. 29. Jul. 75.</hand>
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</letterText>
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allzulautes Geräusch – dass du in jener nicht dich selbst, in anderer nicht andre versehrest. d. 29. Jul. 75.</hand></letterText>
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<letterText letter="57"><line tab="1"/>– – Ich sage immer: die größte Unvollkommenheit auf unsrer Welt ist, daß Liebe und Liebe sich so oft
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verfehlt, und nach unsrer physischen, moralischen und politischen Einrichtung, sich fast immer
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verfehlen muß. Dahin sollten alle vereinigte Kräfte streben, die Hindernisse wegzuriegeln; aber leider
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ist’s unmöglich. Wer nur eines jeden Menschen Gesichtspunkt finden könnte; seinen moralischen Thermometer;
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sein Eigenes; sein Nachgemachtes; sein Herz. Wer den Augenblick haschen könnte, wo sich seine Seele mit der andern
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zu vereinigen strebt. Wer seine ganze Relation von seinem Character absondern, und unterscheiden könnte, was er
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zu seyn gezwungen ist, und was er ist. Stille, Stille gehört dazu; stille, heitre, ruhige, göttlichertragende
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Beobachtung. Rosalia! In jeder Gesellschaft zieht nichts mein Aug’ auf sich, als Sie, wenn Sie einem andern
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zuhören, und etwas aus ihm heraus zu schweigen suchen. Fahren Sie so fort, meine liebe Gnädige; es wird Ihnen
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immer wohler dabei werden. Aufzumuntern – ist eine göttliche Eigenschaft, und was muntert mehr auf, als
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Aufmerksamkeit hochachtungswürdiger Personen. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Ihre deutsche Diction bewundre ich. Personen aus Ihrer Sphäre, (das will noch ganz etwas anders
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sagen, als: von Ihrem Stand) sollten doch unsrer treuen Muttersprache die Hand bieten. Wär es auch
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nur, um einen gewissen Ton in unsre Gesellschaft zu bringen, wo deutsch-französisch Geplauder mit
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rätselhaften Kränzchen-Witz abwechseln, und so mancher ehrliche Fremde auf der Folter liegt, welches einen
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am Ende ganz und gar mistrauisch in seinen eigenen Verstand machen kann. Ich häre eine Deutsche mit
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Vergnügen fremde Sprachen wie ihre eigene reden und schreiben; aber Schriftstellerin darin zu werden, ist
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doch zu viel Herablassung. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Werden Sie nicht glauben, ich höre mich gern, daß ich so viel rede? Ach freilich, so ist es! Mit
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gewissen Personen fühlt man sich so offen, besonders wenn es selten kömmt. Wenigstens lernen Sie
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nun auch mich ertragen, der freilich es selbst wohl fühlt, wie sehr er nicht mit Wieland allein, (denn
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das würde mir Ehre machen,) sondern mit hundert Tausend bessern Personen absticht. Bei allen dem
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bin ich mir keiner Absichten bewußt, und das erhält mich. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Ihr Ausdruck: neuer Freund, soll mich lange, lange durch heiße Sandwüsten begleiten und erfrischen,
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denn ich sehe deren vor mir. Ich will niemals fodern; aber ich bitte Sie, ach! gnädige Frau, sagen Sie
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mir Ihre ganze Meinung; aber ich werde mich niemals ändern. Modifiziren kann sich der nur, der nicht
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von Jugend auf, wie ich, mit dem Kopf gegen die Wand gerennt ist. Aber sagen Sie mir alles; ich
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beschwöre Sie. Ewig <line type="empty"/><line type="break"/>
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Ihr Freund und Verehrer, <line type="empty"/>
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M. R. <ul>Lenz.</ul></letterText>
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</document>
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</opus>
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@@ -853,6 +853,22 @@
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<isDraft value="false" />
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</letterDesc>
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<letterDesc letter="57">
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<date value="Straßburg, Juli 1775" />
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<sort value="1775-07-17" />
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@@ -355,6 +355,11 @@
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</letterTradition>
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<letterTradition letter="57">
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Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv, GSA 56/I,6,1, Bl. 8v–9r, zg. Abschrift
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