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@@ -670,7 +670,8 @@ Tarwast den 9ten November 1767.
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<line tab="1"/>Aber freylich hat Gott nicht so eingeschränkt, als der Eremit und die Nonne es wähnen; darüber, Liebster, sind wir ganz einig.
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<line tab="1"/>Weinen mögt ich mit Dir, wie die Mönchstugend tausend gute Samen in der Menschennatur erstickt. Ich irrte ehedem hierin auch sehr. Gott zog zurück. – „Christus hat nichts ausrotten wollen, was Kraft und Anlage im Menschen ist!“ Goldene – bestäubte verkannte Wahrheit! Aber, Liebster! wie manches Scrüpelchen, das Dir vielleicht doch mehr als recht ist, im Wege steht, müßt wegfallen, wenn wir uns nur einige Zeit sähen. Von d. Apocalypse izt nichts. Aber „draußen sind die Hunde <aq>etc.</aq>“ das ärgert dich? – Gibts einst eine Sammlung der Guten die sich einen Himmel machen, willst Du denn die Hunde wider drinnen haben, und die Ehebrecher? u. die Bösewichter? – In den Spital mit ihnen, und sie curirt mit scharfen Mitteln, wenns so seyn muß. pppp.
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<line type="break" />Donnerstag morgen um 7 Uhr. So eben empfang ich Deinen Brief an mich und <aq>Paß</aq>. und <aq>Clavigo</aq>.
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<line type="break" />Donnerstag morgen um 7 Uhr.
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<line tab="1"/>So eben empfang ich Deinen Brief an mich und <aq>Paß</aq>. und <aq>Clavigo</aq>.
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<line tab="1"/>Bin ich nicht ein gerechter Mensch, daß ich Clavigo liegen lasse und erst gehe den Brief an Dich zu vollenden?
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<line tab="1"/>Noch eins auf den vorletzten. Man hat’s in unseren Tagen besonders sehr schwierig machen, wie Jesus – und daß er nicht buchstäblich zu verstehen sey pp. und ist die Sache so simpel! – so schlecht und recht, so buchstäblich wie möglich, nur ohne Eulenspiegel-Chicane, alles in der Bahn des gemeinen <aq>bon sens</aq> – wie Kinder einen Vater verstehen. (Ausgenommen was seiner Natur nach räthselhaft seyn mußte, prophetisches und was er genirt war herauszusagen.)
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<line tab="1"/>Z.B., wenn ich Dir sagte, ich hab <it>Deinen Hofmeister</it> neulich gelesen – ich rathe Dir, schreib nichts mehr!“ (was ich aber weder in der gegenwärtigen, noch zukünftigen Welt nie zu Dir sagen werde). Nun sieh, wie simpel buchstäblich das zu verstehen wär. Wie gefiel uns nun folgendes Raisonnement (der neumodischen Theologen) darüber: „das könne unmöglich im eigentlichsten Wortverstande genommen werden, daß Du keine Feder mehr anrühren, keinen Brief u.s.w. <aq>schreiben dörfest u.s.w.</aq> also, weil’s nicht buchstäblich zu verstehen sey, so werde es sagen wollen, Du sollest eben keine Folianten mehr in Druck geben, bisweilen ein Drama habe just nichts zu sagen, es sey ja nicht buchstäblich zu verstehen – das nichts“ <aq>etc.</aq>
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@@ -690,17 +691,16 @@ Tarwast den 9ten November 1767.
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<line type="break" />Zürich,
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<line type="break"/>den 1. des Herbstmonats. 1774.
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<line type="break"/><aq>Johann Caspar Lavater.</aq>
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<line type="break"/><align pos="right"><aq>Johann Caspar Lavater.</aq></align>
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<line type="break" /><note>Lavaters oder andere zg. Hand</note>
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<line tab="1"/>Nur ein Zeichelchen, daß ich an Dich, und Röderer, als liebe Brüder denke! Ich kann, ich kann nicht schreiben! Nicht danken! Ich habe nicht einmal Zeit, Arbeiten zusammen zu suchen, dich ich Euch auftragen möchte, für mich zu thun. Verzeihet mir, glaubet an meine Liebe, obgleich Ihr wenig oder nichts sehet. Schreibet mir viel, aber erwartet keine Antwort. – Macht Ihr physiognomische Beobachtungen; theilt sie mir <aq>Sans ápropos</aq> – halb, quart, <aq>octav</aq> – wie Ihr sie macht nur auf <aq>octav</aq>blätchen mit. Auch Monatgedanken hab’ ich keine mehr gemacht. Liebet einander Brüder, und mich, und grüßt alle und entschuldigt mich bey allen, daß ich – Ruhe suche, nicht die Ruhe der Trägheit.
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<line type="break" /><aq>Z. den 2. Sept. 1774.</aq>
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<line type="break" /><address>An Herrn Lenze im Finkweiler, in <ul>Straßburg.</ul></address>
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<line type="break" /><address>An Herrn Lenze im Finkweiler, in <it>Straßburg.</it></address></hand>
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<letterText letter="40"><align pos="center">Straßb. d. 7 Novbr. 1774.</align>
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<letterText letter="40"><page index="1" />
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<align pos="center">Straßb. d. 7 Novbr. 1774.</align>
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<line tab="1"/>Konnt’ ich mein edler Bruder! einen bessern Gebrauch von Deinem Briefe (den ich erst im August erhielt) machen, als daß ich ihn einem zweyten Du, durch die Bande der Freundschaft näher mit mir verbunden als durch die Bande des Bluts, meinem Bruder Goethe<fn index="5"><anchor>#</anchor></fn> in Frankfurt zuschickte und Dein Glück mit ihm theilte. Wie ich denn nichts geheimes für den haben kann. Dafür ward aber auch Deine Verbindung von zwey gleich warm theilnehmenden Seelen hier doppelt gefeyert. Was soll ich Dir viel drüber sagen? Glückwünsche zeigen von einer armen Seele, deren Leerheit der Witz und strafbare Gefälligkeit zu bepappen sucht, aber das wahre Gefühl bindet die Zunge, kehrt die Augen gen Himmel und läßt Tränen reden. Verstehst Du diese Sprache mein Brüderchen! Einziger aus meiner Familie der mich versteht. Der Himmel belohnt Dich dafür. Er gab Dir ein Weib und ich beneide Dich nicht. Ich segne ihn, daß er Dich vorzüglichen Glücks würdigt da Du es vorzüglich verdienst. Kein wildes Zielen nach einem ungewissen Zweck, edles starkes Bestreben einen kleinen glücklichen Zirkel um dich her zu machen und von ihm wiederbeglückt zu werden. Dein vorjähriger Brief mit diesem zusammengehalten welch ein Gemählde von Deinem Herzen stellt es mir auf! Dein letzter Wunsch, <ul>„eine eigene Hütte mit einer Freundin die die Mühseeligkeiten dieses Lebens“</ul> p. er ist erfüllt, Du bist
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<page index="2"/>belohnt, edler Freund! kleiner – großer Mann in Deiner Genügsamkeit. Du wirst nach Deinem Herzen gewählt haben, also glücklich – täglich neue Vorzüge werdt Ihr aneinander entdecken, täglich neuer Beruf zu lieben und geliebt zu werden. Und so unsterblich, noch übers Grab hinaus – o ich muß mich wegwenden von Eurem Glück, wem zu essen versagt ist steht mit Verzweiflung vor dem Gemähld eines Banquets.
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Zürich, Zentralbibliothek, FA Lav. Ms. 16a, Abschrift des Lenz-Gedichts von Johann Caspar
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Zürich, Zentralbibliothek, FA Lav. Ms. 16a; Abschrift des Lenz-Gedichts von Johann Caspar
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Lavater in
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seinem „Tagebuch einer Reise nach Bad Ems im Sommer 1774“, Heft X, [S. 10], unter dem Datum
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vom
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15. Juli 1774
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15. Juli 1774.
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</letterTradition>
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<letterTradition letter="38">
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Freye/Stammler I, S. 78–81
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Freye/Stammler I, S. 78–81.
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<letterTradition letter="39">
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Zürich, Zentralbibliothek, FA Lav. Ms. 572, Nr. 19, Abschrift von Lavaters oder anderer zg.
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Hand
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Freye/Stammler I S. 81f. Zürich, Zentralbibliothek, FA Lav. Ms. 572, Nr. 19: Abschrift von Lavaters oder anderer zg.
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Hand mit dem Zusatz „Z. den 2. Sept. 1774.“
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<letterTradition letter="40">
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<app ref="4">
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Kraków, Biblioteka Jagiellońska, Krakau, Lenziana 5, Nr. 11
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Kraków, Biblioteka Jagiellońska, Krakau, Lenziana 5, Nr. 11.
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Reference in New Issue
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