mirror of
				https://github.com/Theodor-Springmann-Stiftung/lenz-briefe.git
				synced 2025-10-31 09:45:31 +00:00 
			
		
		
		
	Einpflegung von Brief 102.
This commit is contained in:
		| @@ -4384,5 +4384,63 @@ | |||||||
| 			zuverlässige Richterin meiner Handlungen seyn und wer mein Verhältniß zu ihr versteht. Ob sie es  | 			zuverlässige Richterin meiner Handlungen seyn und wer mein Verhältniß zu ihr versteht. Ob sie es  | ||||||
| 			seyn wird ist die Frage nicht.</letterText> | 			seyn wird ist die Frage nicht.</letterText> | ||||||
| 		 | 		 | ||||||
|  | 		<letterText letter="102">Mein bester Lavater! <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			<line tab="1"/>Eben habe ich ein paar Seiten in Deiner Gastpredigt gelesen Auch ich hoffe ich baue auf dem Grunde  | ||||||
|  | 			in welchem Jesus Christus der Eckstein ist. Alle Verschiedenheiten aber wird und muß Gott einigen. <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			<line tab="1"/>Ich habe Lindau an mein Herz gedrückt. Er ist viel besser zurückgekommen als er hinreiste und sein  | ||||||
|  | 			Herz fühlt sehr sehr dankbar gegen Dich. Könnt ich Dir nur mehrere zur Kur zusenden – <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			<line tab="1"/>Hier hast Du eine Layenepistel von Schlossern, hast Du einen ruhigen Augenblick so ließ sie und sag  | ||||||
|  | 			mir wie sie Dir gefallen hat. Ich muß sie wieder haben weil sie weiter geht. <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			<line tab="1"/>Goethe hat mir ein Zettelgen aus Weimar geschrieben und ist sehr zufrieden mit Wielanden. Bindet  | ||||||
|  | 			mir auch ein, ich soll ihn ungeschoren lassen. – Er hat mich auf meinen Posten nicht hingestellt, und  | ||||||
|  | 			ich kann nicht wider meine <aq>Consigne</aq> handeln, was auch Freund und Feind dazu sagen mag. Soviel  | ||||||
|  | 			weiß ich aber daß Wiel. mein Freund werden wird wenn alles unter uns abgethan ist. Nur das letzte  | ||||||
|  | 			Wort darf ich ihn nicht behalten lassen, weil es nicht meine Sache ist die ich treibe. Sobald der Streit  | ||||||
|  | 			nur mich <page index="2"/> angeht, werd’ ich zu schweigen wissen. Das kannst Du allenfalls auch Wiel.  | ||||||
|  | 			selber sagen und ihm das Schwert gegen mich in die Hand weyhen. Nur schone er was heilig ist unter  | ||||||
|  | 			<ul>Göttern</ul> und <ul>Menschen,</ul> ich will nicht geschonet seyn. <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			<line tab="1"/>Lavater! möchtest Du ein Bild in Deine Physiognomik, mit dem Du das Ideal weiblicher  | ||||||
|  | 			Vollkommenheit ausgedruckt bekommst. Von einem erhabenen Stande, durch persöhnliche  | ||||||
|  | 			Eigenschaften unendlich weit über denselben erhaben, die Gelassenheit, die Bescheidenheit, die  | ||||||
|  | 			Aquieszenz in alles was die ihr gewiß innig vertraute Gottheit über sie verhängt – mit allem  | ||||||
|  | 			Feuer des ungewöhnlichsten erhabensten Genies, den scharfen Blick durch das Innerste aller Sachen,  | ||||||
|  | 			das Eigentümliche, das unumstößlich Feste, das Weitumfassende aller ihrer Urtheile, die Kenntniß  | ||||||
|  | 			der Welt die sich nicht allein auf die Denkungsart der Grossen deren Herzen sie alle wie in Händen  | ||||||
|  | 			hat, sondern bis auf das Fassungs- und Empfindungsvermögen des Allergeringsten ausdehnt, so daß  | ||||||
|  | 			alle ihre Befehle und Aufträge <page index="3"/> an ihre Untergebenen aus den Wünschen derselben hervorgeholt  | ||||||
|  | 			scheinen, so daß sie eine Welt regieren könnte ohne daß sie es inne würde – alles dieses, alles  | ||||||
|  | 			alles – und mehr – willst Du sie – bethe – <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			<line tab="1"/>Durch verborgene Wirkungen höherer Mächte muß sie dazu gebracht werden – denn es ist nicht  | ||||||
|  | 			falsche Bescheidenheit – es ist das zärteste Gefühl weiblicher Schüchternheit, das sie so gänzlich  | ||||||
|  | 			abgeneigt macht, irgend einem Menschlichen Anhalten ihren Schattenr<note>Textverlust</note> mitzutheilen.  | ||||||
|  | 			Gott welche Seele mahlt sich in dem Profile – welch ein Meisterstück von edler Erziehung unter den  | ||||||
|  | 			Grossen, mit alledem verbunden was ein unauslöschlicher Durst nach allem was vollkommen ist, was  | ||||||
|  | 			Kenntniß heißt und das Herz eröfnet, aus uns selber machen kann. Und denn alle die Hülfsmittel, die  | ||||||
|  | 			Constellation aller äußern Umstände – auf dem Lande gepflanzt, erzogen, an einem Hofe zur Reiffe  | ||||||
|  | 			gebracht und jetzt in seiner ganzen Liebenswürdigkeit vollendet um Tausend Elend und Einen zu  | ||||||
|  | 			einem Gott zu machen – <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			<line tab="1"/>Verzeyh mir Lavater! die Romantische Sprache. lsts Idololatrie so kann sie mir Gott nicht zurechnen,  | ||||||
|  | 			es ist sein Geschöpf: sein Bild. In einem Jahr reis’ ich wohl nach Italien um alles das an den todten  | ||||||
|  | 			Werken der Kunst zu vergessen zu suchen. Noch ist mein Reisegefährt zu sehr an Strasbg. geheftet. <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			<sidenote pos="left" page="3" annotation="am linken Rand, vertikal"> | ||||||
|  | 			<line tab="1"/>Vorher komm ich aber gewiß noch zu Dir und lasse mich heilen, weyhen und stärken Ob zu Leben  | ||||||
|  | 			oder Tod ist hier nicht nöthig zu fragen, Euripides sagt, vielleicht ist das Leben ein Tod und der Tod das  | ||||||
|  | 			Leben – Sey glücklich lieber Herzensforscher und antworte mir ob Du das Bild möchtest. Dein Glaube  | ||||||
|  | 			erzwingt Dirs gewiß. Immerweg und ewig Dein Lenz.</sidenote> <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			<page index="4"/> | ||||||
|  | 			<note>Adresse</note> | ||||||
|  | 			Herrn Herrn Joh. Casp. <ul>Lavater</ul><line type="break"/>  | ||||||
|  | 			Pfarrer am Waysenhause <ul>zu Zürich.</ul><line type="break"/> | ||||||
|  | 			Durch einen Freund.</letterText> | ||||||
|  |  | ||||||
| 	</document> | 	</document> | ||||||
| </opus> | </opus> | ||||||
|   | |||||||
| @@ -1530,6 +1530,22 @@ | |||||||
| 			<isDraft value="false" /> | 			<isDraft value="false" /> | ||||||
| 		</letterDesc> | 		</letterDesc> | ||||||
| 		 | 		 | ||||||
|  | 		<letterDesc letter="102"> | ||||||
|  | 			<date value="Straßburg, Januar 1776" /> | ||||||
|  | 			<sort value="1776-01-17" /> | ||||||
|  | 			<location ref="7" /> | ||||||
|  | 			<senders> | ||||||
|  | 				<sender ref="1" /> | ||||||
|  | 			</senders> | ||||||
|  | 			<receivers> | ||||||
|  | 				<receiver ref="10" /> | ||||||
|  | 			</receivers> | ||||||
|  | 			<hasOriginal value="true" /> | ||||||
|  | 			<isProofread value="true" /> | ||||||
|  | 			<isDraft value="false" /> | ||||||
|  | 		</letterDesc> | ||||||
|  | 		 | ||||||
|  | 		 | ||||||
| 		 | 		 | ||||||
| 	</descriptions> | 	</descriptions> | ||||||
| </opus> | </opus> | ||||||
|   | |||||||
| @@ -631,6 +631,13 @@ | |||||||
| 			</app> | 			</app> | ||||||
| 		</letterTradition> | 		</letterTradition> | ||||||
| 		 | 		 | ||||||
|  | 		<letterTradition letter="102"> | ||||||
|  | 			<app ref="4"> | ||||||
|  | 				Zürich, Zentralbibliothek, RP 20, Nr. 7 | ||||||
|  | 			</app> | ||||||
|  | 		</letterTradition> | ||||||
|  | 		 | ||||||
|  | 		 | ||||||
| 		 | 		 | ||||||
| 	</traditions> | 	</traditions> | ||||||
| </opus> | </opus> | ||||||
|   | |||||||
		Reference in New Issue
	
	Block a user
	 GregorMichalski
					GregorMichalski