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@@ -276,145 +276,145 @@ Von Herrn von Kleist ein ganz ergebenstes Compliment. Wollen Sie so gütig seyn,
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Ich sehe daß mein guter Ott mich nicht versteht und durchaus glaubt, wenn ich nicht lustig bin, müsse ich unglücklich seyn. Benehmen Sie ihm doch dieses schlechte Zutraun zu mir, welches mich in der That schamroth machen muß. Der Himmel ist noch nie so strenge gegen mich gewesen, mir größeren Kummer aufzulegen, als wozu er mir Schultern gegeben, und wenn ich jetzt die feige Memme machte, der Ungedult und Thorheit über die Backen liefen, so verdient ich in Essig eingemacht zu werden, damit ich nicht in <aq>putredinem</aq> überginge. Ich fürchte, weil ich an ihn jetzt nicht mehr mit lachendem Munde schreiben kann, sein gar zu gutes und empfindliches Herz wird glauben, ich sey niedergeschlagen und ich bin es doch niemals weniger gewesen als itzt.
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Ich sehe daß mein guter Ott mich nicht versteht und durchaus glaubt, wenn ich nicht lustig bin, müsse ich unglücklich seyn. Benehmen Sie ihm doch dieses schlechte Zutraun zu mir, welches mich in der That schamroth machen muß. Der Himmel ist noch nie so strenge gegen mich gewesen, mir größeren Kummer aufzulegen, als wozu er mir Schultern gegeben, und wenn ich jetzt die feige Memme machte, der Ungedult und Thorheit über die Backen liefen, so verdient ich in Essig eingemacht zu werden, damit ich nicht in <aq>putredinem</aq> überginge. Ich fürchte, weil ich an ihn jetzt nicht mehr mit lachendem Munde schreiben kann, sein gar zu gutes und empfindliches Herz wird glauben, ich sey niedergeschlagen und ich bin es doch niemals weniger gewesen als itzt.
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<line tab="1" />Neulich als ich einige Stunden einsam unter einem Baum gelesen, sah ich unvermuthet eine erschreckliche Schlange ganzgeruhig zwei Zoll weit neben mir liegen. Ich flog schneller als ein Blitz davon, und dachte es muß doch noch nicht Zeit für dich sein – Diese Anekdote schreibe ich meinen Freunden nur darum, damit sie sich in Acht nehmen, unter einem Baum auszuruhen – denn sonst denk ich interessirt sie niemanden als mich.
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<line tab="1" />Neulich als ich einige Stunden einsam unter einem Baum gelesen, sah ich unvermuthet eine erschreckliche Schlange ganzgeruhig zwei Zoll weit neben mir liegen. Ich flog schneller als ein Blitz davon, und dachte es muß doch noch nicht Zeit für dich sein – Diese Anekdote schreibe ich meinen Freunden nur darum, damit sie sich in Acht nehmen, unter einem Baum auszuruhen – denn sonst denk ich interessirt sie niemanden als mich.
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<line tab="1" />Ich schick Ihnen zur Ausfüllung einer vegetirenden Stunde nach dem Essen, eine kleine Romanze, die ich in einer eben so leeren Stunde gemacht habe.
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<line tab="1" />Ich schick Ihnen zur Ausfüllung einer vegetirenden Stunde nach dem Essen, eine kleine Romanze, die ich in einer eben so leeren Stunde gemacht habe.
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<align pos="center">Piramus und Thisbe.</align pos="center">
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Piramus und Thisbe
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<line tab="4" />Der junge Piramus in Babel
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<line tab="4" />Hat in der Wand
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Der junge Piramus in Babel
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<line tab="4" />Sich nach und nach mit einer heissen Gabel
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Hat in der Wand
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<line tab="4" />Ein Loch gebrannt.
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Sich nach und nach mit einer heissen Gabel
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Ein Loch gebrannt.
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<line tab="4" />Hart an der Wand, da schlief sein Liebchen,
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<line tab="4" />Die Thisbe hieß,
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Hart an der Wand, da schlief sein Liebchen,
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<line tab="4" />Und ihr Papa auf ihrem Stübchen
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Die Thisbe hieß,
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<line tab="4" />Verderben ließ.
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Und ihr Papa auf ihrem Stübchen
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Verderben ließ.
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<line tab="4" />Die Liebe geht so, wie Gespenster,
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<line tab="4" />Durch Holz und Stein.
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Die Liebe geht so, wie Gespenster,
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<line tab="4" />Sie machten sich ein kleines Fenster
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Durch Holz und Stein.
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<line tab="4" />Für ihre Pein.
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Sie machten sich ein kleines Fenster
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Für ihre Pein.
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<line tab="4" />Da hieß es: liebst du mich? da schallte:
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<line tab="4" />Wie lieb ich dich!
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Da hieß es: liebst du mich? da schallte:
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<line tab="4" />Sie küßten Stundenlang die Spalte
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Wie lieb ich dich!
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<line tab="4" />Und meynten sich.
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Sie küßten Stundenlang die Spalte
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Und meynten sich.
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<line tab="4" />Geraumer ward sie jede Stunde,
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<line tab="4" />Und manchen Kuß
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Geraumer ward sie jede Stunde,
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<line tab="4" />Erreichte schon von Thisbens Munde
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Und manchen Kuß
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<line tab="4" />err Piramus.
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Erreichte schon von Thisbens Munde
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Herr Piramus.
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<line tab="4" />In einer Nacht, da Mond und Sterne
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<line tab="4" />Vom Himmel sahn,
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In einer Nacht, da Mond und Sterne
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<line tab="4" />Da hätten sie die Wand so gerne
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Vom Himmel sahn,
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<line tab="4" />Beyseits gethan.
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Da hätten sie die Wand so gerne
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Beyseits gethan.
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<line tab="4" />Ach Thisbe! weint er, sie zurücke:
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<line tab="4" />Ach Piramus!
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Ach Thisbe! weint er, sie zurücke:
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<line tab="4" />Besteht denn unser ganzes Glücke
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Ach Piramus!
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<line tab="4" />In einem Kuß?
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Besteht denn unser ganzes Glücke
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In einem Kuß?
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<line tab="4" />Sie sprach: ich will mit einer Gabe,
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<line tab="4" />Als wär ich fromm,
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Sie sprach: ich will mit einer Gabe,
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<line tab="4" />Hinaus bei Nacht zu Nini Grabe,
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Als wär ich fromm,
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<line tab="4" />Alsdann so komm!
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Hinaus bei Nacht zu Nini Grabe,
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Alsdann so komm!
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<line tab="4" />Dies wird Papa mir nicht verwehren,
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<line tab="4" />Dann spude dich.
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Dies wird Papa mir nicht verwehren,
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<line tab="4" />Du wirst mich eifrig bethen hören,
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Dann spude dich.
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<line tab="4" />Und tröste mich.
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Du wirst mich eifrig bethen hören,
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Und tröste mich.
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<line tab="4" />Ein Mann ein Wort! Auf einem Beine
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<line tab="4" />Sprang er für Lust:
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Ein Mann ein Wort! Auf einem Beine
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<line tab="4" />Auf Morgen Nacht da küß ich deine
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Sprang er für Lust:
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<line tab="4" />Geliebte Brust.
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Auf Morgen Nacht da küß ich deine
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Geliebte Brust.
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<line tab="4" />Sie, Opferkuchen bei sich habend,
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<line tab="4" />Trippt durch den Hayn,
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Sie, Opferkuchen bei sich habend,
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<line tab="4" />Schneeweiß gekleidt, den andern Abend
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Trippt durch den Hayn,
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<line tab="4" />Im Mondenschein.
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Schneeweiß gekleidt, den andern Abend
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Im Mondenschein.
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<line tab="4" />Da fährt ein Löwe aus den Hecken,
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<line tab="4" />Ganz ungewohnt,
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Da fährt ein Löwe aus den Hecken,
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<line tab="4" />Er brüllt so laut: sie wird vor Schrecken
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Ganz ungewohnt,
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<line tab="4" />Bleich wie der Mond.
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Er brüllt so laut: sie wird vor Schrecken
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Bleich wie der Mond.
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<line tab="4" />Ha, zitternd warf sie mit dem Schleyer
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<line tab="4" />Den Korb ins Graß
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Ha, zitternd warf sie mit dem Schleyer
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<line tab="4" />Und lief, indem das Ungeheuer
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Den Korb ins Graß
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<line tab="4" />Die Kuchen aß.
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Und lief, indem das Ungeheuer
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Die Kuchen aß.
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<line tab="4" />Kaum war es fort, so mißt ein Knabe
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<line tab="4" />Mit leichtem Schritt
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Kaum war es fort, so mißt ein Knabe
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<line tab="4" />Denselben Weg zu Nini Grabe –
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Mit leichtem Schritt
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<line tab="4" />Der rückwärts tritt,
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Denselben Weg zu Nini Grabe –
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Der rückwärts tritt,
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<line tab="4" />Als hätt ein Donner ihn erschossen:
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<line tab="4" />Den Löwen weit –
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Als hätt ein Donner ihn erschossen:
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<line tab="4" />Und weiß im Grase hingegossen
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Den Löwen weit –
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<line tab="4" />Der Thisbe Kleid.
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Und weiß im Grase hingegossen
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Der Thisbe Kleid.
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<line tab="4" />Plump fällt er hin im Mondenlichte:
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<line tab="4" />So fällt vom Sturm
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Plump fällt er hin im Mondenlichte:
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<line tab="4" />Mit unbeholfenem Gewichte
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So fällt vom Sturm
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<line tab="4" />Ein alter Thurm.
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Mit unbeholfenem Gewichte
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Ein alter Thurm.
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<line tab="4" />O Thisbe, so bewegen leise
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<line tab="4" />Die Lippen sich,
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O Thisbe, so bewegen leise
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<line tab="4" />O Thisbe, zu des Löwen Speise
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Die Lippen sich,
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<line tab="4" />Da schick ich mich.
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O Thisbe, zu des Löwen Speise
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Da schick ich mich.
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<line tab="4" />Zu hören meine treuen Schwüre
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<line tab="4" />Warst du gewohnt;
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Zu hören meine treuen Schwüre
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<line tab="4" />Sey Zeuge, wie ich sie vollführe,
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Warst du gewohnt;
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<line tab="4" />Du falscher Mond!
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Sey Zeuge, wie ich sie vollführe,
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Du falscher Mond!
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<line tab="4" />Die kalte Hand fuhr nach dem Degen
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<line tab="4" />Und dann durchs Herz.
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Die kalte Hand fuhr nach dem Degen
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<line tab="4" />Der Mond fing an sich zu bewegen
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Und dann durchs Herz.
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<line tab="4" />Für Leid und Schmerz.
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Der Mond fing an sich zu bewegen
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Für Leid und Schmerz.
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<line tab="4" />Ihn suchte Zephir zu erfrischen
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<line tab="4" />Umsonst bemüht.
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Ihn suchte Zephir zu erfrischen
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<line tab="4" />Die Vögel sangen aus den Büschen
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Umsonst bemüht.
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<line tab="4" />Sein Todtenlied.
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Die Vögel sangen aus den Büschen
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Sein Todtenlied.
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<line tab="4" />Schnell lauschte Thisbe durch die Blätter
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<line tab="4" />Und sah das Graß,
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Schnell lauschte Thisbe durch die Blätter
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<line tab="4" />Wie unter einem Donnerwetter,
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Und sah das Graß,
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<line tab="4" />Von Purpur naß.
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Wie unter einem Donnerwetter,
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Von Purpur naß.
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<line tab="4" />O Gott, wie pochte da so heftig
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<line tab="4" />Ihr kleines Herz!
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O Gott, wie pochte da so heftig
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<line tab="4" />Das braune Haupthaar ward geschäftig,
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Ihr kleines Herz!
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<line tab="4" />Stieg himmelwärts.
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Das braune Haupthaar ward geschäftig,
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Stieg himmelwärts.
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<line tab="4" />Sie floh – hier zieht, ihr blassen Musen,
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<line tab="4" />Den Vorhang zu!
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Sie floh – hier zieht, ihr blassen Musen,
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<line tab="4" />Dahinter ruht sie, Stahl im Busen:
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Den Vorhang zu!
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<line tab="4" />O herbe Ruh!
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Dahinter ruht sie, Stahl im Busen:
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O herbe Ruh!
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<line tab="4" />Der Mond vergaß sie zu bescheinen,
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<line tab="4" />Von Schrecken blind.
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Der Mond vergaß sie zu bescheinen,
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<line tab="4" />Der Himmel selbst fieng an zu weinen
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Von Schrecken blind.
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<line tab="4" />Als wie ein Kind.
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Der Himmel selbst fieng an zu weinen
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Als wie ein Kind.
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<line tab="4" />Man sagt vom Löwen, sein Gewissen
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<line tab="4" />Hab ihn erschröckt,
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Man sagt vom Löwen, sein Gewissen
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<line tab="4" />Er habe sich zu ihren Füßen
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Hab ihn erschröckt,
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<line tab="4" />Lang hingestreckt.
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Er habe sich zu ihren Füßen
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Lang hingestreckt.
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<line tab="4" />O nehmt, was euch ein Beyspiel lehret,
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<line tab="4" />Ihr Alten, wahr!
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O nehmt, was euch ein Beyspiel lehret,
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<line tab="4" />Nehmt euch in Acht, ihr Alten! störet
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Ihr Alten, wahr!
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<line tab="4" />Kein liebend Paar.
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Nehmt euch in Acht, ihr Alten! störet
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Kein liebend Paar.
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<note> < Auf einem beiliegenden Zettel > </note>
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<note> < Auf einem beiliegenden Zettel > </note>
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Man sagt daß keine Frau dem Mann die Herrschaft gönnt;
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<line tab="4" />Man sagt daß keine Frau dem Mann die Herrschaft gönnt;
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So nicht Frau Magdelone.
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<line tab="4" />So nicht Frau Magdelone.
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Sie theilt mit ihm das Regiment:
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<line tab="4" />Sie theilt mit ihm das Regiment:
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Behält den Zepter nur und lässet ihm die Krone.
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<line tab="4" />Behält den Zepter nur und lässet ihm die Krone.
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