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Einpflegung von Brief 46.
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und zu mässigen suchen mußten. Das waren <ul>gesammlete Gesichter</ul>, bey uns sind es <ul>angestrengte.</ul>
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Derselbe Unterscheid, der zwischen einem <ul>berittenen</ul> wilden Hengst und einem mit <ul>Sporn und
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Kourierpeitsche in Galopp</ul> gebrachten Karrengaul ist.</letterText>
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<letterText letter="46"><align pos="right">D. 1sten May 1775.</align><line type="empty"/>
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<align pos="center">Gnädige Frau!</align><line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Ich halte mich für eben so berechtigt Ihnen zu schreiben, als ein freyer Geist über alle
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Unterscheidungszeichen und Verhältnisse in der Welt herausgehoben, Ihnen seinen Beyfall zulispeln
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würde, wenn er Sie irgend eine edle grosse Handlung ausüben sähe. Ich habe von Ihnen weder zu
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hoffen <insertion pos="top">noch</insertion> zu fürchten, und um Ihnen die Warheit dessen und die Ungezwungenheit und Freywilligkeit
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meines Urtheils zu beweisen sollen Sie meinen Namen nicht erfahren, aber erlauben Sie mir
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auch jetzt mit aller der Hochachtung zu Ihnen zu treten, die das Anschauen Ihrer wundernswürdigen
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Eigenschaften in mir rege macht. Ich habe hie und da Nachrichten von Ihnen eingezogen die alle
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dunkel und unzuverlässig waren, besser wust ich mich nicht zu wenden als an Goethe der mir einmal
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einen Brief in Coblenz aus Ihrem Dintenfaß geschrieben hat. Und wie entzückt ich darüber seyn
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muß die Züge Ihrer Hand in meinen Händen zu sehen, dieser Hand die die Sternheim schrieb, und
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von dieser soviel Gütiges für mich! „Das Gleichgestimmte meines Carakters“ – wissen Sie auch was
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das auf sich hat gnädige Frau? Die göttliche Güte hat mich, da ich eben durch andere Vorfälle
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meines Lebens und Verirrungen meines Kopfs und Herzens bis <page index="2"/> zu Boden gedrückt war, auf
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einmal wieder erhöhen wollen, ich fühle ein neues Leben in mir, neue Aussichten, neue Hoffnungen
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und ach Gott! wie selten kommt mir das, etwas von Ihrer Selbstzufriedenheit. – Erschrecken Sie
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über dies Wort nicht, Sie allein können es ohne Gefahr brauchen. Solange konnten Sie zusehn daß
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Ihre Sternheim unter fremdem Namen möchte ich beynahe sagen vor der Welt aufgeführet wurde und
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mit halb sovielem Glück, als wenn jedermann gewußt, aus wessen Händen dieses herrliche Geschöpf
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entschlüpfte. O wahrhaftig starke Seele, müssen doch Männer Ihnen erröthen und zittern.
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Lassen Sie mich aufrichtig reden, der Name des Verfassers komischer Erzehlungen war keine gute
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Empfehlung für einen Engel des Himmels der auf Rosengewölken herabsank das menschliche Geschlecht
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verliebt in die Tugend zu machen, dieser Name warf einen Nebel auf die ganze Erscheinung und
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ich danke Ihnen eben so eyfrig, daß Sie ihn mir von den Augen genommen als ich Ihnen das
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erstemahl für Ihre Schöpfung gedankt haben würde. Und wie es mir in die Seele hinein Vergnügen
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macht, daß ich mich in der Ahndung auch um kein Haar <page index="3"/> verschnappt, W. habe nur die
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Noten und die Vorrede gemacht, denn sie sind so ganz sein würdig. Ich verkenne diesen Mann nicht,
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aber er hätte mit mehrerer Ehrfurcht dem Publikum ein Werk darstellen sollen, dessen Verfasserin
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zu groß war selber auf dem Schauplatz zu erscheinen und dies soll geahndet werden. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Gnädige Frau! nennen Sie Ihr Mädgen nicht phantastisch, ich hoffe es werden Zeiten erwachen die
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itzt unter dem Obdach göttlicher Vorsehung schlummern, in denen Leserinnen von Ihnen Ihr Buch
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das sie jetzt noch als Ideal ansehen, zur getreuen Copey machen werden. Wenn Sie doch für jedes # <!-- Was bedeutet #? -->
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Alter dergleichen Ideale schüfen! Sie würden alle einen Thon haben, weil sie aus Ihrem Herzen
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kämen, das sich in dergleichen Gemählden nur selbst abdruckt. Liebe gnädige Frau! der Himmel
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belohne Sie. – Wär’ es auch nur für all die wollüstigen Tränen die Sie mir haben aus den Augen
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schwärmen machen und in denen die ganze Welt um mich her verschwand <line type="empty"/>
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<sidenote pos="left bottom" page="3" annotation="links unten">
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#<!-- Was bedeutet #? --> weibliche
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<page index="4"/>
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<line tab="1"/>Wenn ich bedenke, daß und womit ich Ihnen Freude gemacht habe, so werde ich stolz auf mich
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selber und danke dem Himmel für die Stunde in der er mich hat geboren werden lassen, für die
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Leiden, den schönen krummen Pfad durch den er mich bis zu Ihnen hinaufführte, daß ich wenigstens Ihr
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Angesicht sehen kann. Ich habe nur den ersten Brief in der Iris gelesen und Sie gleich wieder darin gefunden.
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Lebt solch eine Freundin wirklich die mit den geheimsten Bewegungen Ihrer grossen Seele vertraut ist,
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so sei sie dem Himmel gesegnet, mit Ihnen die Zierde unsers Säculums. Was sollen wir schmeicheln liebe
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gnädige Frau, mich däuchte der erste Brief mit mehr Feuer geschrieben als die nachfolgenden. Binden
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Sie doch Goethen ja recht ein, mir wenns möglich die nächstfolgenden im Mskpt mitzutheilen, ich werde
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mit diesem Heiligthum gewissenhafter umgehen als W. Nicht ein Wort in diesem ganzen Briefe habe ich
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gesagt, das nicht mit der vollen Empfindung meines Herzens ausgesprochen, das ich nicht vielleicht
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weit stärker gebraucht haben würde wenn ich in einer andern Himmelsgegend und Zeitraum <ul>von Ihnen</ul>
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gesprochen hätte <line type="empty"/></sidenote>
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<align pos="right">x x x</align><!-- Was bedeutet "x x x" -->
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<sidenote pos="left" page="4" annotation="am linken Rand, vertikal">
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<line tab="1"/>Alles alles schicken Sie mir was Sie gemacht haben, auch das französische. Ich muß Sie ganz kennen
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lernen und das grad in dieser Lage meines Herzens. Hier ist meine Adresse. Was kannֹ’<aq>S</aq>s mir auch schaden
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Ihnen meinen Namen zu sagen. Es ist so der <ul>kürzeste</ul> Weg. Und ich habe viele Namensvetter,
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die auch Goethen kennen. <line type="empty"/></sidenote></letterText>
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</document>
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</opus>
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@@ -686,6 +686,20 @@
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<isDraft value="false" />
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</letterDesc>
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<letterDesc letter="46">
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<date value="Straßburg, 1. Mai 1775" />
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<sort value="1775-05-01" />
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<location ref="7" />
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@@ -285,6 +285,13 @@
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<letterTradition letter="46">
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<app ref="4">
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Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv, GSA 56/N3, Bl. 3–4
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