diff --git a/data/xml/briefe.xml b/data/xml/briefe.xml index e1894d7..7ca385d 100644 --- a/data/xml/briefe.xml +++ b/data/xml/briefe.xml @@ -2386,6 +2386,72 @@ und zu mässigen suchen mußten. Das waren , bey uns sind es Derselbe Unterscheid, der zwischen einem wilden Hengst und einem mit gebrachten Karrengaul ist. + + D. 1sten May 1775. + + Gnädige Frau! + + Ich halte mich für eben so berechtigt Ihnen zu schreiben, als ein freyer Geist über alle + Unterscheidungszeichen und Verhältnisse in der Welt herausgehoben, Ihnen seinen Beyfall zulispeln + würde, wenn er Sie irgend eine edle grosse Handlung ausüben sähe. Ich habe von Ihnen weder zu + hoffen noch zu fürchten, und um Ihnen die Warheit dessen und die Ungezwungenheit und Freywilligkeit + meines Urtheils zu beweisen sollen Sie meinen Namen nicht erfahren, aber erlauben Sie mir + auch jetzt mit aller der Hochachtung zu Ihnen zu treten, die das Anschauen Ihrer wundernswürdigen + Eigenschaften in mir rege macht. Ich habe hie und da Nachrichten von Ihnen eingezogen die alle + dunkel und unzuverlässig waren, besser wust ich mich nicht zu wenden als an Goethe der mir einmal + einen Brief in Coblenz aus Ihrem Dintenfaß geschrieben hat. Und wie entzückt ich darüber seyn + muß die Züge Ihrer Hand in meinen Händen zu sehen, dieser Hand die die Sternheim schrieb, und + von dieser soviel Gütiges für mich! „Das Gleichgestimmte meines Carakters“ – wissen Sie auch was + das auf sich hat gnädige Frau? Die göttliche Güte hat mich, da ich eben durch andere Vorfälle + meines Lebens und Verirrungen meines Kopfs und Herzens bis zu Boden gedrückt war, auf + einmal wieder erhöhen wollen, ich fühle ein neues Leben in mir, neue Aussichten, neue Hoffnungen + und ach Gott! wie selten kommt mir das, etwas von Ihrer Selbstzufriedenheit. – Erschrecken Sie + über dies Wort nicht, Sie allein können es ohne Gefahr brauchen. Solange konnten Sie zusehn daß + Ihre Sternheim unter fremdem Namen möchte ich beynahe sagen vor der Welt aufgeführet wurde und + mit halb sovielem Glück, als wenn jedermann gewußt, aus wessen Händen dieses herrliche Geschöpf + entschlüpfte. O wahrhaftig starke Seele, müssen doch Männer Ihnen erröthen und zittern. + Lassen Sie mich aufrichtig reden, der Name des Verfassers komischer Erzehlungen war keine gute + Empfehlung für einen Engel des Himmels der auf Rosengewölken herabsank das menschliche Geschlecht + verliebt in die Tugend zu machen, dieser Name warf einen Nebel auf die ganze Erscheinung und + ich danke Ihnen eben so eyfrig, daß Sie ihn mir von den Augen genommen als ich Ihnen das + erstemahl für Ihre Schöpfung gedankt haben würde. Und wie es mir in die Seele hinein Vergnügen + macht, daß ich mich in der Ahndung auch um kein Haar verschnappt, W. habe nur die + Noten und die Vorrede gemacht, denn sie sind so ganz sein würdig. Ich verkenne diesen Mann nicht, + aber er hätte mit mehrerer Ehrfurcht dem Publikum ein Werk darstellen sollen, dessen Verfasserin + zu groß war selber auf dem Schauplatz zu erscheinen und dies soll geahndet werden. + + Gnädige Frau! nennen Sie Ihr Mädgen nicht phantastisch, ich hoffe es werden Zeiten erwachen die + itzt unter dem Obdach göttlicher Vorsehung schlummern, in denen Leserinnen von Ihnen Ihr Buch + das sie jetzt noch als Ideal ansehen, zur getreuen Copey machen werden. Wenn Sie doch für jedes # + Alter dergleichen Ideale schüfen! Sie würden alle einen Thon haben, weil sie aus Ihrem Herzen + kämen, das sich in dergleichen Gemählden nur selbst abdruckt. Liebe gnädige Frau! der Himmel + belohne Sie. – Wär’ es auch nur für all die wollüstigen Tränen die Sie mir haben aus den Augen + schwärmen machen und in denen die ganze Welt um mich her verschwand + + + # weibliche + + Wenn ich bedenke, daß und womit ich Ihnen Freude gemacht habe, so werde ich stolz auf mich + selber und danke dem Himmel für die Stunde in der er mich hat geboren werden lassen, für die + Leiden, den schönen krummen Pfad durch den er mich bis zu Ihnen hinaufführte, daß ich wenigstens Ihr + Angesicht sehen kann. Ich habe nur den ersten Brief in der Iris gelesen und Sie gleich wieder darin gefunden. + Lebt solch eine Freundin wirklich die mit den geheimsten Bewegungen Ihrer grossen Seele vertraut ist, + so sei sie dem Himmel gesegnet, mit Ihnen die Zierde unsers Säculums. Was sollen wir schmeicheln liebe + gnädige Frau, mich däuchte der erste Brief mit mehr Feuer geschrieben als die nachfolgenden. Binden + Sie doch Goethen ja recht ein, mir wenns möglich die nächstfolgenden im Mskpt mitzutheilen, ich werde + mit diesem Heiligthum gewissenhafter umgehen als W. Nicht ein Wort in diesem ganzen Briefe habe ich + gesagt, das nicht mit der vollen Empfindung meines Herzens ausgesprochen, das ich nicht vielleicht + weit stärker gebraucht haben würde wenn ich in einer andern Himmelsgegend und Zeitraum
    von Ihnen
+ gesprochen hätte
+ + x x x + + + + Alles alles schicken Sie mir was Sie gemacht haben, auch das französische. Ich muß Sie ganz kennen + lernen und das grad in dieser Lage meines Herzens. Hier ist meine Adresse. Was kannֹ’Ss mir auch schaden + Ihnen meinen Namen zu sagen. Es ist so der
    kürzeste
Weg. Und ich habe viele Namensvetter, + die auch Goethen kennen.
diff --git a/data/xml/meta.xml b/data/xml/meta.xml index 3952cca..856b3b2 100644 --- a/data/xml/meta.xml +++ b/data/xml/meta.xml @@ -686,6 +686,20 @@ + + + + + + + + + + + + + + diff --git a/data/xml/traditions.xml b/data/xml/traditions.xml index 8f23fef..0afc2e9 100644 --- a/data/xml/traditions.xml +++ b/data/xml/traditions.xml @@ -285,6 +285,13 @@ + + + Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv, GSA 56/N3, Bl. 3–4 + + + +