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Einpflegung von Brief 369.
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Wir wollen also einmal eine Ausname von deiner Immanoyukase machen und einem auf den Tod Gefangenen das Leben – ey pfuj
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doch, mehr, ich handle itzt – mehr mehr Schwester – pfuj schäme dich – mehr – um das rechte Leben – ich bin zufrieden</letterText>
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<letterText letter="369">Hier ist an den Herrn Pastor Brunner <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>und allen die ihm und seiner für ihn erschaffenen Gehülfen an Empfindung ähnlich sind die
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ungekünstelte Erzehlung eines mir in Liefland aufgehefteten von mir gegebnen Versprechens an
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ein adliches Fräulein, das mir und diesem Fräulein selbst zum äussersten Nachtheil nicht nur
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des Rufs sondern auch bey allen möglichen zu treffenden anderweitigen Verbindungen zur
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unvermeidlichen Hinderniß gereichen mußte. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Dieses Fräulein war als ich Liefland verließ ungefähr 9 oder 10 Jahr alt, konnte also wenig sich
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meiner erinnern als ich nach mehr als 10 jähriger Abwesenheit wiederkam oder lieber nur durch Derpt
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nach Petersburg reisete. Ich hörte bei meinen Eltern und Geschwistern mit denen sie erzogen worden,
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daß sie sehr gut sänge und da wir einen Besuch bei ihrer Mutter ablegten die Wittwe eines Obristen der
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bey Hofe in keinem geringen Ansehen war ist und eine Schwester bey der Admiralität hat, die seit diesem
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Vorfall auf Assekuranz der Englischen Handlungskompagnie sich ein neues steinernes Haus auf Wasilei
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ostrow gekauft nachdem ihr Gemahl der sich in Cherson befindet zum General ist avanciert worden, hörte
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ich bemeldetes Fräulein singen und schikte darüber ein versifizirtes Monodrama aus Shakespear in
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eben der Gesangweise in das Lüneburgische Journal. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/><sidenote pos="right" page="1" annotation="am rechten Rand, vertikal">Wenn <aq>Mr Pükter</aq> oder <aq>Mr d’Enbrad</aq> Herrn Capellmeister Siedler oder Gemalinn besuchen bitte von mir
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viele Grüsse zu sagen, der angenagelt ist durch einen kranken Zähen am Fuß, der garstig verschwollen
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ist wie ein elender Mensch, der nicht auftreten kann ohne zu schreyen</sidenote> <line type="empty"/>
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<line tab="1"/><sidenote pos="left" page="1" annotation="am linken Rand, vertikal, die folgenden beiden Absätze">zur neuen kleinen Kanzel für die Kaufleute + Kaufleute theilen sich in 2 Klassen, die erste handelt aus
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Buden oder Magasinen mit Commissionen von Materialien auch Waaren die andere mit eigenen ausgearbeiteten
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Waaren, ohne Gilde, denn <aq>guild</aq> aus Engeland ist darum nicht englisch und bedeutet <aq>obrok</aq> oder Abtrag einer
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Schuld. Hir her gehören ohne Untscheid ausser nach der Materie in der sie arbeiten <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>l. In Marmor u. Elfenbein Bildschnitzer, Dreher In Diamanten Silber Gold. Juweliere, in schlichten Metallen
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Galanteriehändler in Tüchern Schneider (itzt vorzüglich rasch) in Häuten Schuster end ftir Reithosen in
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Seide und Leinwand Weber u. Stricker in Gold Posumentirer Dratzieher in Holz verschiedner Gattung Tischer
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Kanzelbauer Orgelbauer in Eisen Pferdärzte Schmiede für Küchengeräth und Schlosser. Die sich hier versammlen
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und Sonntags eine russische Predigt des Schwarzischen Seminarii hören. Zur Aufname neuer Städter.
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<ru>o;w <aq>cmpoeHZIRJIOBblXb zopodoeo</aq></ru></sidenote> <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Nun fand ich daß das Lehngut dieser Dame nach der gnädigen Verordnung der Käiserin für Staatsoffizierenwittwen
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durch die Gegenwart einer Russin, der Schnur oder Sohnsfrau dieser Dame ein wenig beschwert war, weil die
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Gebäude nicht aufs beste dort eingerichtet schienen. Dieses gab zu manchen unangenehmen Auftritten Gelegenheit
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weshalb ich mich in Petersburg bey der Schwester dieser Dame zum Vermittler machen wollte, in der That auch meine
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Absicht war, sie zu bereden, daß sie ihre Nichte nach Petersburg an den Hof nähme, besonders da sie ein neues
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Haus gekauft. Dieses bestättigte sich noch mehr da mir mein Vater ausdrüklich nach St. Petersburg schrieb, diese
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junge Dame sei als Braut mit einem Offizier vom Cadettenkorps namens Prattje als Braut versprochen, der <ul>vor</ul> mir
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in Derpt gewesen und den ich in dem Hause der Generalin <aq>Kurganoffsky</aq> als einen vollkommen artigen jungen Offizier
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kennen lernte. Man hatte mir in meiner Eltern Hause gesagt, es fehlen ihm die gewöhnlichen Blumen und Schmeicheleyen
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die eine Braut von ihrem Liebhaber erwartet, welches mich um so mehr veranlaßte die Verse druken zu lassen um in
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gewisser Weise sein Freywerber zu werden. <line type="empty"/>
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<sidenote pos="right" page="1" annotation="am rechten Rand, vertikal">Ueberbringer dieses ist ein Dorfbalbier der versetzlichen Juden</sidenote> <line type="empty"/>
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<line tab="1"/><sidenote pos="bottom" page="1" annotation="am unteren Rand, horizontal">Allein sie durfte nicht wol nach Pet. reisen, weil ihr bang war die Mutter werde das Gut verlieren, wenn die Töchter
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heuratheten.*</sidenote> <!-- Verweiszeichen --><line type="empty"/>
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<page index="2"/> <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Nachher reisete ein Vetter von mir mit Namen <aq>Andree</aq> – der beym Ingermannländischen Regiment ist in der Suite der Herzogin
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von Kurland nach Petersburg, als ich auf Bitte des Kammerjunker Liphart und der Obristin Albedilla die selbst nach
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Petersburg gekommen war ihre Schwester zu besuchen eine Reise zum Kammerjunker Liphardt auf sein Landgut <aq>Aya</aq> gethan:
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diesem Vetter schrieb ich bey dem Hause der Generalin <aq>Kurganoffsky,</aq> die bey der Flotte was vermag nicht vorbei zu gehen
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und sich auch meiner dort zu erinnern. Er schrieb mir einen Brief, den ich für einen Scherz halten mußte, worin allerley
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ausschweiffende Projekte für mich vorkamen, wenn ich etwa selbst die junge Dame zu heurathen gedächte. Ich lachte über
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sein Mißverständniß denn vermutlich war er an den Ton des Umganges dieser Dame, die eine der geistreichsten und gewitzigsten
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Hofdamen daselbst ist, nicht gewohnt und nahm das alles so vollkommen nach dem tödtenden Buchstaben, wodurch er auch meine
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ganze Familie verwirrt hat. Es ist wahr daß die junge Dame die wirklich Braut war, noch 2 Schwestern hatte, von deren
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Verbindungen übrigens ich keine Notiz nehmen konnte noch mochte, weil ich nicht ihr Vormund war. <line type="empty"/>
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<sidenote pos="left" page="2" annotation="am linken Rand, horizontal">und deren Haus eine hohe Schule sein sollte</sidenote> <line type="empty"/>
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<line tab="1"/><sidenote pos="bottom left" page="2" annotation="am unteren linken Rand, vertikal">*<!-- Verweiszeichen -->Nun war der Umstand der daß die Mutter fürchtete wenn die Tochter Hn. v. Prattje heuratbete würde sie das Gut verlieren,
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das der Wittwe nur geschenkt <ul>scheint</ul> in Rüksicht auf die Töchter, daß sie gut können verheurathet werden. Sie raste aber
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sage ich und verstand den Ukase nicht. Das Gut ist ihre – solang sie lebte als Wittwe des Obristen Albedill u wenn ihre
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Töchter nach Petersb. reisen zu ihrer Tante und sie bleibt mit der Russischen Schwiegertochter allein, so bleibt ihr das
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Gut, die Töchter <ul>mögen heurathen</ul></sidenote> <line type="empty"/>
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<line tab="1"/><sidenote pos="top left" page="2" annotation="am oberen linken Rand, vertikal">zu mal da es im Cadettenkorps ist, von wo Liefländer als Studenten auf die künftige Akademie zu Pieskau gehen. Also thäte
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sie wohl eine oder zwey oder alle drey Töchter nach Petersb. zur Tante zu schiken u. nicht kleingläubig zu seyn.</sidenote> <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Das ist der Verlauf der ganzen Sache, diesmal ganz einfältig und ohne Kunst – ja weil man mich durch Taubheit und
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Mißverstand zu allerley wunderlichen Schritten zwingen wollte – als in der Gegenwart Gottes geschrieben. Ich habe
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übrigens die grösseste Achtung sowohl für die Generalin <aq>Kurganoffsky</aq> als ihre Frau Schwester, die eine vieljährige
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Freundin meines Vaters war und hoffentlich noch ist und bleiben wird. Auch habe nicht ermangelt mich bey Hofe selbst
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durch Kanäle beym Cabinet für sie zu verwenden, daß das ihr zugesprochene Lehngut bey etwa vorfallenden Verfalljahren
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ihr noch erhalten werden möchte, da es ehemals eines der Universität in Derpt zugehörigen Güter gewesen und in sofern
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die Anwendung dergleichen Stiftungen an die Wittwe eines in vielen Schlachten verdienten Offiziers – dem göttlichen
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Willen gemäß ist. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Und hirmit ein für allemal genug von diesen der Ehre dieser Dame sonst nachtheiligen Gerüchten da ich mit derselben ganz
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und gar nichts zu theilen habe</letterText>
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@@ -5205,5 +5205,19 @@
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<isDraft value="false" />
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</letterDesc>
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<letterDesc letter="369">
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<date when="1790-11-01">Moskau, um 1790</date>
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Riga, Latvijas Akadēmiskā Bibliotekā, Ms. 1113, F. 25, V. 31, Nr. 33
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Reference in New Issue
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