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Einpflegung von Brief 370.
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<line tab="1"/>Und hirmit ein für allemal genug von diesen der Ehre dieser Dame sonst nachtheiligen Gerüchten da ich mit derselben ganz
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und gar nichts zu theilen habe</letterText>
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<letterText letter="370"><align pos="center">Theurester mit unsterblichem Ruhm<line type="break"/>
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von oben geschmükter verehrungswerther Papa!</align> <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Nicht Schmeichelei, die reinste Dankbarkeit beseelt meine Feder. Ich lebe – aber Ihnen die Wahrheit
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zu sagen, danke es nur dem allgegenwärtigen, daß ich noch athme – Herr Reimmann kann Ihnen sagen
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daß ich – doch er wußte es nicht – in der seltsamsten Lage von der Welt war, als ich Ihren Brief
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mit dem neuen Beweis Ihres Andenkens erhielt. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Man verfolgt mich – und rathen Sie wer? – Ich habe niemals die Freundschaft verletzt die ich meinen
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frühsten Gönnern schuldig war. Aber – theurester Vater! ich winde mich als ein <ul>Wurm</ul> im Staube und
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flehe um Erlösung von allen <ul>andern</ul> Anmuthungen, die bei dem <ul>seltsamen</ul> Nazionalcharakter hier– mir
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Gift werden. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/><sidenote pos="left" page="1" annotation="am linken Rand, vertikal">Man versorgt Petersb. von der Schifflände Gschat aus mit Waaren aus Briänsk Moskau u. s. f. Dahin könnten
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eben sowohl auch aus Liefland über die Düna Dnepr Trubschewsk Waaren für Moskau gebracht werden.</sidenote> <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Ich habe gefehlt, 1000mal gefehlt. Am meisten in Liefland – gegen Sie, gegen meinen ältesten Bruder der
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ungefähr mein Herz kannte und viel in demselben voraus las. Ein hiesiger Freund hat alle meine Briefschaften
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wer weiß ob nicht aus einem unzeitigen Eiffer <ul>verbrannt</ul> weil er merkte daß sie mich angriffen. Was ich davon
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bisweilen <ul>rette</ul> – ist mir Balsam in offne Seelenwunden – denn ich sehe nun erst spät hinterher, daß Sie mein
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Herz <ul>besser kannten</ul> als ich selber. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Nein, ich war nicht für Liefland gemacht und mein zärtlich geliebter Bruder Carl wird vielleicht eine neue
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Springfeder des Daseyns erhalten, wenn er alle Ansprüche die Liefland auf mich machen konnte, durch sein
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Daseyn vernichtet. Er weiß in welchem Zustande ich war als ich durch Liefland reisete. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Hier ist das Land der heftigen Aeusserungen der Empfindungen und eines seltsamen Systems von Jurisprudenz das
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auf dieselben gebaut ist. Von der Seite also konnte man mir aus Liefland unaussprechlich schaden – und leider!
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es ist bisweilen hart genug geschehen. Denn man spricht mir meinen Taufschein ab. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Ich lebe noch, allein bitte meine theure Verwandte und ihre holländischen und Englischen Korrespondenten zu bedenken
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daß ich <page index="2"/> ein Mensch war, der fehlen konnte und tausendmal gefehlt hat. Herr Bergmann, Herr Lavater, Herr
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Staatsrath Schwebs, Herr Kammerjunker Libhardt werden dis nimmer in Abrede seyn. Ich wollt in Liefland bleiben. Nun
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hat <ul>Gott</ul> es anders gewollt.– Und soll ich darunter <ul>ewig</ul> leiden? Und glauben meine lieben Landsleute daß ich Ihnen von
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hier aus niemals Dienste leisten kann oder sie Maaßregeln nehmen <ul>müssen</ul> mich dazu zu zwingen, was ich von selbst time.
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Ich kenne <ul>ungefähr</ul> den Zustand des dasigen auswärtigen und innländischen Handels. Ich weiß wie die hiesigen Bedürfnisse
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auf die dasigen passen – aber um deswillen der für alle Sünden genug gethan – keine Auslegungen weiter. Mit einem Wort
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– ich <ul>kann</ul> aus Liefland <ul>nicht</ul> heurathen. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Helfen Sie mir bethen, theurester Vater! und alle Schimären weg und ins Fegfeuer bethen, die das Verhältniß in welchem
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ich mit Ihnen meinen theuren Verwandten Freunden u. s. f. stehe, zerstören, trübe und zu einem wahren Sklaven Joch
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machen. Herr Oldekopp Herr Hehn, Moritz u. wie alle die gelehrten Namen heissen, werden in meiner Achtung und
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Freundschaft dabei nichts verlieren, wenn auch kein einziges Consistoriale bei uns unterläuft. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/><sidenote pos="left" page="2" annotation="am linken Rand, vertikal">Die neue Bibelübersetzung auch mit deutsch und liefländischer Version würde auf diese Bank gegründet werden und ein Gott
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und ein Hirte seyn. – Aufgestanden aus den Armen des Todes.</sidenote> <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Helfen Sie mir bethen um Befreiung nicht ftir mich allein sondern für Christen – Christen wie Sie und völlig in der
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Stimmung als ich, die mit mir unaussprechlich leiden. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Herr Eisen hat seine <ul>getrokneten diken Suppen</ul> für Gegenden wo wenig gekocht wird und Kräuter für die Küche nicht wachsen,
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nicht an den Mann bringen. Für einen solchen <ul>Schokoladenhandel</ul> weiß ich hier Absatz. Imgleichen für Liefländische Butter,
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Fische, Lächse, Butten, Austern Säfte mit Honig u. Zuker gekocht u. s. f. Ihnen fehlen allerley Russische Manufakturen,
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an wohlfeilen <ul><aq>Cattunen</aq> Indiennen,</ul> gedruckte Leinwand u. s. f. Damaste, Zeuger die man bis ans schwarze und Caspische Meer
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herab in allen Städten im Ueberfluß fabrizirt; Kumatsch genannt. Sie haben einige feine Liqueurs, Bücher, Moden aus
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England Hamburg Frankreich – sollte eine Bank fur Liefland in Moskau, um derentwillen in Petersb. Anregung gethan, nicht
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zum fasten, denn die Fasten sind aufgehoben– sondern eine Cirkulationsbank für Waare gegen Waare, in welcher von beiden
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Teilen Geld nieder legt wird – eine Schimäre seyn. Doch genug Dero gehor. Sohn<line type="break"/>
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<align pos="right">Jacob R. M. Lenz</align></letterText>
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