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@@ -1967,13 +1967,16 @@ Tarwast den 9ten November 1767.
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<line tab="1"/>Doch hab ich einen grossen alten Drachen in mir, mit dem ich noch viel zu ringen haben werde. Er soll immer hinunter.
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<page index="3"/>Ich hoffe ich glaube ich lebe. Komm bald Herr Jesu!
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<note>Schnörkel</note>
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<line tab="1"/>Aus Deiner Göttingerstelle nichts geworden? Schüttle den Staub über sie!!!
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<line tab="1"/>Ist denn die Regierung Gottes arm? Oder fehlts ihm an Werkzeug und Mittel? Bedaur und belächle der ohnmächtigen Thorheit Rache.
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<note>zwei Schnörkel</note>
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<line type="break" /><align pos="right">Lenz.</align>
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<note>horizontaler Strich</note>
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<line tab="1"/>Grüsse <dul>sie.</dul> – die einzige. Und küß Dein Söhnlein
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@@ -1990,6 +1993,7 @@ Tarwast den 9ten November 1767.
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<line tab="1"/>2) Diese Stelle ebend: Und die Moral Aesthetik u. Tatik. Ist Tatik recht? Ich versteh das Wort nicht!
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<line tab="1"/>3) <ul>In den beeden Reden über die deutsche Sprache, all die französischen Stellen sauber u. korekt geschrieben.</ul>
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<line tab="1"/>Du siehst selbst Schaz daß das nöthig ist, wenn ich was guts liefern will thu’s also!
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<note>zwei horizontale Striche</note>
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<line tab="1"/>Was anlangt den innern Werth der Stücke selbst, so schweig ich. Von <ul>Dir Dir!</ul> Dessen Werth ich kaum (wie Goethe auch nicht) kaum in den Augenblicken der trunkensten Phantasey aussprechen kann! – laß mich. Ich weiß was die Welt an Dir hat. Fluch ihr! weil sie fähig ist Dich zu verkennen. Lieber laß Dir genügen an uns Deinen Treuen! O unser hiesiger kleiner Hauf, der <ul>Gott in Menschengestalt unser Lavater</ul> – da bist Du oft mitten inne. Wir wißen was Du bist! Amen!
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@@ -2009,7 +2013,7 @@ Tarwast den 9ten November 1767.
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<line tab="1"/>Hochwohlgeborner Herr, schätzbarster Freund und Gönner! Wie oft habe ich den Gedanken gefaßt und wieder fahren lassen, den Genuß der wenigen glücklichen Augenblicke, die Sie mir in Straßburg haben schenken wollen, wieder zu erneuern: aber verschiedene Rücksichten haben mich bisher zu schüchtern dazu gemacht. Unser Verhältniß ist nicht mehr dasselbe, dacht’ ich, es war vielleicht mehr die Neugier eines philosophischen Reisenden, der unterwegens nichts aus der Acht läßt, als wahre unbefriedigte Bedürfniß des Herzen und Geistes, was Ihre Aufmerksamkeit auf mich lenkte, und ich konnte Ihnen in meiner Situation wohl nicht anders vorkommen als ein Zeitungsblatt oder eine unbedeutende Broschüre, die man nicht gern zum zweitenmal liest. So resignirte ich mich endlich, in einem Herzen in Vergessenheit zu gerathen, das ich in den wenigen Stunden unsers Umgangs von so viel liebenswürdigen Seiten kennen gelernt hatte und das ich nicht so leicht vergessen konnte. Hundert Arten peinvolle Zerrungen der tausend kleinen Fäden kamen dazu, die an dem Nervensystem eines Menschen angeknötet sein müssen, der nur durch und in andern Menschen existirt – der Ihrige war einmal abgerissen, und ich sahe kein Mittel, bei einem verzettelten Knäuel seiner wieder habhaft zu werden.
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<line tab="1"/>Vielleicht hat die Gegenwart meines Freundes Goethe durch die unerklärbare Association der Ideen einige schwache, dunkle Erinnerungen von mir wieder bei Ihnen rege gemacht. Ich muß diese Gelegenheit haschen, sollte ich sie auch nicht zu halten im Stande sein. Wenigstens habe ich denn alles gethan, was mein Herz von mir foderte. Sie haben in der Zeit viel neue Gegenstände aufgefaßt, die Ihrer Beobachtung und Bearbeitung würdiger waren, als alles, was Straßburg Ihnen (den Münsterthurm ausgenommen) anbieten konnte. Eine Stadt, deren Bürger nur die Ausgelassenheit der Sitten denen Franzosen scheinen abgelernt zu haben und mit den wahren Vorzügen dieser Nation unbekannter als Deutschland und Moskau sind. Nur auf dem Lande hätten Sie (wenn die Absicht Ihrer Reise es erlaubt,) vielleicht Charakter und Sitten angetroffen, die Sie zum Neide gegen einen Boden verleitet hätten, der, wenn er nicht verdorben wird, in seinen physischen sowohl als moralischen Producten einer der mildesten und reichhaltigsten unter der Sonne ist.
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<line type="break" /><note>am Rand:</note>
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<line tab="1"/>Doch muß ich auch Straßburg Gerechtigkeit widerfahren lassen. Ich habe hier neulich eine Dame von Adel kennen lernen, die nun freilich über alle mein Lob erhaben ist. Verzeihen Sie, daß ich alle Ränder vollschreibe; ich konnte es nicht über mein Herz bringen, diese große Ausnahme von der Regel nicht anzuzeigen.
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Doch muß ich auch Straßburg Gerechtigkeit widerfahren lassen. Ich habe hier neulich eine Dame von Adel kennen lernen, die nun freilich über alle mein Lob erhaben ist. Verzeihen Sie, daß ich alle Ränder vollschreibe; ich konnte es nicht über mein Herz bringen, diese große Ausnahme von der Regel nicht anzuzeigen.
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<line tab="1"/>Wenn Sr. Durchlaucht der Herzog sich noch des unbedeutendsten aller Eindrücke zurückerinnern können, den ein Mensch in einem damals gewiß seltsamen Aufzuge und noch seltsamem Lage auf Sie gemacht haben muß, der, wie Diogenes aus seinem Schneckenhause geschüttelt, in einer sehr unphilosophischen Verlegenheit dastand, als ihm die zuvorkommende Herablassung <it>eines solchen Prinzen</it> alle seine weitausgesponnenen Ideen von Verläugnung der Welt mit einemmal zerschnitt und ihn außer der Sonne noch etwas Besseres schätzen lehrte, so legen Sie mich Höchstebenselben unterthänigst zu Füßen. Wie nicht weniger Sr. Durchlaucht dem Prinzen und unbekannterweise den Durchlauchtigsten Herzoginnen. Ich bewundere einen Hof, der Deutschland das erste Muster von Beschützung der deutschen Musen aufstellt, das in der bekannten Wanderung der Wissenschaften gewiß Epoche machen wird. Ich wollte lieber sagen, wie sehr ich ihn dafür verehre, wenn es hier nicht rathsamer wäre, meine Empfindungen in mein Herz zu schließen, als damit Geräusch zu machen und den Argwohn eines Clienten zu erregen.
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<line tab="1"/>Haben Sie denn auch wohl so hübsche Mädchens in Sachsen, als unter unsern Flechten stecken? Ich weiß, daß Sie über die rothen Backen hier manche boshafte Anmerkung machten. Sie haben aber diese Nymphen der Diana noch nicht sprechen, noch nicht die O und A trotz den Italiänern schleppen hören, besonders wenn ihre Sittsamkeit, oder wie soll ich es nennen? Durch artige Sachen, die man ihnen vorsagt, in Verlegenheit gesetzt wird. Da soll mir einer sagen, daß die deutsche Sprache keines Wohllauts fähig sei.
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<line type="break" /><note>am Rand:</note> Ich habe einen <it>Petrarch</it> geschrieben, für den mich die hiesigen Damen steinigen, weil sie alles das für geistliche Lieder halten. In Goethens <it>Werther</it> ist ihnen nur die Stelle verständlich, als er losdrückt und darnach im Blut gefunden und hinterm Kirchhof begraben wird. Wenn er nur ehrlich begraben wäre, hätt’ alles nichts zu sagen.
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