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120-125
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@@ -1951,109 +1951,84 @@ Tarwast den 9ten November 1767.
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<line tab="1"/>Hier ist die erwünschte Silhouette. Ich meyne in dem Leben u: der Blüthe der Farben wird sie Dir beßer gefallen; könntest Du das alles in die Physiog: übertragen. Mache doch beßer verehrungswürdiger, einziger – gemeinschaftlicher Freünd unserer Seelen, daß ihr Gesicht von niemand geringerm als <aq>Chodowieki</aq> gestochen wird. Wer sonst könnte ihre Seele auf diesen meinen faßen.
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<line tab="1"/>Hier ist die erwünschte Silhouette. Ich meyne in dem Leben u: der Blüthe der Farben wird sie Dir beßer gefallen; könntest Du das alles in die Physiog: übertragen. Mache doch beßer verehrungswürdiger, einziger – gemeinschaftlicher Freund unserer Seelen, daß ihr Gesicht von niemand geringerm als <aq>Chodowieki</aq> gestochen wird. Wer sonst könnte ihre Seele auf diesen meinen faßen.
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<line tab="1"/>Wenn der Große Schlüßel der Natur zu allem was hier eingewirkt u: für die Zukunft verborgen liegt gefunden werden könnte – so ahnde – weiß ich Dein Urtheil zum Voraus. Schreib es mir heimlich – zu gleicher Zeit ihr wen Du es für gut findest – mir aber ohne Zurükhaltung. Noch einmal bitt ich Dich beherzige alle die Data die ich Dir in m: vorigen Briefen geben. Ich kann nicht anders als immer zu wenig schreiben. Dein übrigens sehr gedrükter L.
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<line tab="1"/>Gnade und Seegen Gottes ruhen auf Dir Herder! eh ich ein Wort von Deiner Offenbarung sage zu der <ul>Du allein den Schlüssel</ul> <ul>geben konntest</ul> muß ich ein Paar Worte Geschäfte bey Dir ins Reine bringen.
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<line tab="1"/>In den Soldaten muß der Name Ia Roche in die Gräfin von Rochau verwandelt werden ich wußte es nicht daß sie einen Sohn hatte, geschweige einen der bey Wieland im Hause war.
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<line tab="1"/>Daß Du doch immer so geistlich deutest und so einfach, wer hat Lob genug dafür? Ich hatte mir viele noch viel zu sinnliche Deutungen gemacht die ich nun gern aufopfere.
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<line tab="1"/>Vor allen Dingen das Wort „Der Geist der durch alle Gemeinen blickt und in dem Herzen aller Gläubigen ruffet: <ul>das Sensorium</ul> <ul>Gottes in aller Welt:</ul> Echo des Himmels in menschlichen Seelen. Seelig wem dies antwortende Ja, dieser Himmelsnachklang im tiefsten Grunde seiner Seele zur Zeit der Duldung wurde!“ – Herr, es sind Worte des ewigen Lebens.
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<line tab="1"/>Am meisten freut mich die behutsame schöne Deutung des Endes der Dinge. Der heilige Mystische Schleyer – Gott seegne Dich – –
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<page index="2"/>Jetzt bin ich fertig. Als ichs gesehen und gehöret fiel. Ich nieder anzubethen.
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<line tab="1"/>Wie wunderbar einig in allem! Wie Du alle meine dunklen Ahndungen mit Licht trifst. Ach das Bild vom neuen Jerusalem und seiner Sonne und Mond – tausend tausend Dank.
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<line tab="1"/>Ich arbeite jetzt in mancherley Strömen wieder den Strom. Habe Licht und Hofnung im Herzen, die durch Deine Offenbarung auf Ewigkeiten hinaus gemehrt worden. Ist Dir das nicht angenehm. Ein Schaaf ist dem Hirten auch lieb wenn er gleich noch neun und neunzig in der Wüsten hat.
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<line tab="1"/>Doch hab ich einen grossen alten Drachen in mir, mit dem ich noch viel zu ringen haben werde. Er soll immer hinunter.
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<page index="3"/>Ich hoffe ich glaube ich lebe. Komm bald Herr Jesu!
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<line type="break" />Doch hab ich einen grossen alten Drachen in mir, mit dem ich noch viel zu ringen haben werde. Er soll immer hinunter.
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<page index="3"/>Ich hoffe ich glaube ich lebe. Komm bald Herr Jesu! <note>Schnörkel</note>
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<note>Schnörkel</note>
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<line type="break" />Aus Deiner Göttingerstelle nichts geworden? Schüttle den Staub über sie!!!
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<line tab="1"/>Aus Deiner Göttingerstelle nichts geworden? Schüttle den Staub über sie!!!
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<line tab="1"/>Ist denn die Regierung Gottes arm? Oder fehlts ihm an Werkzeug und Mittel? Bedaur und belächle der ohnmächtigen Thorheit Rache.
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<line type="break" /><align pos="center"><note>zwei Schnörkel</note> Lenz.</align>
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<note>zwei Schnörkel</note>
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<line type="break" /><align pos="right">Lenz.</align>
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<line type="break" />Grüsse sie. – die einzige. Und küß Dein Söhnlein
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<line type="break" />Verzeyhung daß ichs solang behalten, es war mir zu lieb. Wenn wirds gedruckt? Wenn darf es in die Welt?
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<note>horizontaler Strich</note>
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<line tab="1"/>Grüsse <dul>sie.</dul> – die einzige. Und küß Dein Söhnlein
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<line tab="1"/>Verzeyhung daß ichs solang behalten, es war mir zu lieb. Wenn wirds gedruckt? Wenn darf es in die Welt?
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<letterText letter="122">
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<letterText letter="122"><page index="1"/>
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<line tab="1"/>Ich habe Deine Manus. ewiglieber Freund durch Schloßern erhalten und was <ul>kann</ul> was darf ich sagen? wie will ich was sagen? Du mir die Sachen schenken mir das Glück das ich noch vor einem Jahr kaum wähnen dürfte – daß Glück Dein Freund zu seyn, vor der Welt mich nennen zu dürfen? – <ul>Herausgeber</ul> Deiner Sachen – – Warlich warlich ich muß schweigen! Ich kann nichts sagen – fühle mich! –
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<line tab="1"/>Du weißt Theurer wie Du in meinem Herzen stehst, aber darf, kann ich das wollen, daß Du mir <ul>die Sachen gibst?–</ul> –
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<line tab="1"/>Die Wolken sind unterdrückt. Verlaß Dich auf mein <ul>Blut</ul> wenn’s nöthig ist, ists Dein! Diese flüchtige Aufsäzze hoff ich noch auf Ostern herauszubringen. Doch allenfalls schreib mir, <ul>wer</ul> Dir Anträge gethan hat, wenn ja mein Buchhändler Mäuse machen solte.
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<line tab="1"/>Schreib mir’s gewiß. Papier, Druck etc. wird werden; <ul>wie Petrarch?</ul> Korektur <ul>ich selbst</ul>!! Nur bitt ich Dich um alles berichtige mir folgendes:
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<line type="break" />1) Im Matz Höcker von der Stelle: <ul>D’ Bücher <del>un</del> nu’ und die Gesellschaften heuer</ul> bis zu dieser:
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<line tab="1"/>1) Im Matz Höcker von der Stelle: <ul>D’ Bücher <del>un</del> nu’ und die Gesellschaften heuer</ul> bis zu dieser:
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<page index="2"/><ul>Sagt man sie sollen Schuld dran seyn.</ul>
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<line type="break" />2) Diese Stelle ebend: Und die Moral Aesthetik u. Tatik. Ist Tatik recht? Ich versteh das Wort nicht!
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<line type="break" />3) <ul>In den beeden Reden über die deutsche Sprache, all die französischen Stellen sauber u. korekt geschrieben.</ul>
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<line type="break" />Du siehst selbst Schaz daß das nöthig ist, wenn ich was guts liefern will thu’s also!
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<line tab="1"/>2) Diese Stelle ebend: Und die Moral Aesthetik u. Tatik. Ist Tatik recht? Ich versteh das Wort nicht!
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<line tab="1"/>3) <ul>In den beeden Reden über die deutsche Sprache, all die französischen Stellen sauber u. korekt geschrieben.</ul>
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<line tab="1"/>Du siehst selbst Schaz daß das nöthig ist, wenn ich was guts liefern will thu’s also!
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<note>zwei horizontale Striche</note>
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<line tab="1"/>Was anlangt den innern Werth der Stücke selbst, so schweig ich. Von <ul>Dir Dir!</ul> Dessen Werth ich kaum (wie Goethe auch nicht) kaum in den Augenblicken der trunkensten Phantasey aussprechen kann! – laß mich. Ich weiß was die Welt an Dir hat. Fluch ihr! weil sie fähig ist Dich zu verkennen. Lieber laß Dir genügen an uns Deinen Treuen! O unser hiesiger kleiner Hauf, der <ul>Gott in Menschengestalt unser Lavater</ul> – da bist Du oft mitten inne. Wir wißen was Du bist! Amen!
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<line type="break" /><align pos="center"><fn index="8"><anchor>×</anchor></fn><!-- Verweiszeichen? --> <ul>Klinger</ul></align>
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<line tab="1"/>Das Drama ist ein Meisterstück. Aber die Musik war nicht dabey. Sende sie mir lieber – ob ich gleich nicht weiß ob sie mit darzu kan gedruckt werden. Die Vertheidigung der Wolken wird hier unter uns circulieren. Schloßer schrieb drunter: <aq>Helas tais toi Jean Jaq. ils ne t’entendront pas</aq> – und das ist herrlich wahr! Darf ich mich unterstehen Dir aufzutragen eine Empfehl. vor meines Goethes herrliche Schwester zu bringen. O! o! Kl. dankt Dir 1000 mal für <tl></tl> Petrarch. Er hat an Petrarch diesen <tl></tl> ter sein ganzes Labsal gefunden <tl></tl> die <aq>Canzonette sorella</aq> übersetzt die Du einmal sehen sollst. Steiner wird Dir Expl. zugeschickt haben. Er <insertion pos="top"><fn index="8"><anchor>×</anchor></fn></insertion> grüßt Dich und ist Dein wie ich! Kaufm. macht mir viel Freude denn er ist eine kostbare Seele. Lavater wird immer mehr mein! O was er von seinen Feinden gepeinigt wird! Gut u. wohl Dir daß Du’s nicht so weißt. Du würdest Höllenangst für ihn leiden wie wir alle. Ich will was für ihn thun u. wär’s mein Blut und Leben, das ich ihm willig darbringe weil er ein <ul>Heiliger</ul> ist. Harre es wird werden!!!
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<line type="break" /><align pos="center">Leb wohl ewiglieber Bruder. K
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<line type="break" />Zürch 3 Merz 76.</align>
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<line type="break"/><address><ul>Herrn Lenz</ul>
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<line type="break"/>abzugeben bey M. Röderer an der neuen Kirch
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<line type="break"/>zu <ul>Strasburg</ul></address>
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</letterText>
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<letterText letter="123">Straßburg, den 6. März
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<letterText letter="123"><align pos="right">Straßburg, den 6. März</align>
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<line tab="1"/>Hochwohlgeborner Herr, schätzbarster Freund und Gönner! Wie oft habe ich den Gedanken gefaßt und wieder fahren lassen, den Genuß der wenigen glücklichen Augenblicke, die Sie mir in Straßburg haben schenken wollen, wieder zu erneuern: aber verschiedene Rücksichten haben mich bisher zu schüchtern dazu gemacht. Unser Verhältniß ist nicht mehr dasselbe, dacht’ ich, es war vielleicht mehr die Neugier eines philosophischen Reisenden, der unterwegens nichts aus der Acht läßt, als wahre unbefriedigte Bedürfniß des Herzen und Geistes, was Ihre Aufmerksamkeit auf mich lenkte, und ich konnte Ihnen in meiner Situation wohl nicht anders vorkommen als ein Zeitungsblatt oder eine unbedeutende Broschüre, die man nicht gern zum zweitenmal liest. So resignirte ich mich endlich, in einem Herzen in Vergessenheit zu gerathen, das ich in den wenigen Stunden unsers Umgangs von so viel liebenswürdigen Seiten kennen gelernt hatte und das ich nicht so leicht vergessen konnte. Hundert Arten peinvolle Zerrungen der tausend kleinen Fäden kamen dazu, die an dem Nervensystem eines Menschen angeknötet sein müssen, der nur durch und in andern Menschen existirt – der Ihrige war einmal abgerissen, und ich sahe kein Mittel, bei einem verzettelten Knäuel seiner wieder habhaft zu werden.
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<line tab="1"/>Vielleicht hat die Gegenwart meines Freundes Goethe durch die unerklärbare Association der Ideen einige schwache, dunkle Erinnerungen von mir wieder bei Ihnen rege gemacht. Ich muß diese Gelegenheit haschen, sollte ich sie auch nicht zu halten im Stande sein. Wenigstens habe ich denn alles gethan, was mein Herz von mir foderte. Sie haben in der Zeit viel neue Gegenstände aufgefaßt, die Ihrer Beobachtung und Bearbeitung würdiger waren, als alles, was Straßburg Ihnen (den Münsterthurm ausgenommen) anbieten konnte. Eine Stadt, deren Bürger nur die Ausgelassenheit der Sitten denen Franzosen scheinen abgelernt zu haben und mit den wahren Vorzügen dieser Nation unbekannter als Deutschland und Moskau sind. Nur auf dem Lande hätten Sie (wenn die Absicht Ihrer Reise es erlaubt,) vielleicht Charakter und Sitten angetroffen, die Sie zum Neide gegen einen Boden verleitet hätten, der, wenn er nicht verdorben wird, in seinen physischen sowohl als moralischen Producten einer der mildesten und reichhaltigsten unter der Sonne ist.
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<line type="break" /><note>am Rand</note>
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<line type="break" /><note>am Rand:</note>
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<line tab="1"/>Doch muß ich auch Straßburg Gerechtigkeit widerfahren lassen. Ich habe hier neulich eine Dame von Adel kennen lernen, die nun freilich über alle mein Lob erhaben ist. Verzeihen Sie, daß ich alle Ränder vollschreibe; ich konnte es nicht über mein Herz bringen, diese große Ausnahme von der Regel nicht anzuzeigen.
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<line tab="1"/>Wenn Sr. Durchlaucht der Herzog sich noch des unbedeutendsten aller Eindrücke zurückerinnern können, den ein Mensch in einem damals gewiß seltsamen Aufzuge und noch seltsamem Lage auf Sie gemacht haben muß, der, wie Diogenes aus seinem Schneckenhause geschüttelt, in einer sehr unphilosophischen Verlegenheit dastand, als ihm die zuvorkommende Herablassung <b>eines solchen Prinzen</b> alle seine weitausgesponnenen Ideen von Verläugnung der Welt mit einemmal zerschnitt und ihn außer der Sonne noch etwas Besseres schätzen lehrte, so legen Sie mich Höchstebenselben unterthänigst zu Füßen. Wie nicht weniger Sr. Durchlaucht dem Prinzen und unbekannterweise den Durchlauchtigsten Herzoginnen. Ich bewundere einen Hof, der Deutschland das erste Muster von Beschützung der deutschen Musen aufstellt, das in der bekannten Wanderung der Wissenschaften gewiß Epoche machen wird. Ich wollte lieber sagen, wie sehr ich ihn dafür verehre, wenn es hier nicht rathsamer wäre, meine Empfindungen in mein Herz zu schließen, als damit Geräusch zu machen und den Argwohn eines Clienten zu erregen.
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<line tab="1"/>Wenn Sr. Durchlaucht der Herzog sich noch des unbedeutendsten aller Eindrücke zurückerinnern können, den ein Mensch in einem damals gewiß seltsamen Aufzuge und noch seltsamem Lage auf Sie gemacht haben muß, der, wie Diogenes aus seinem Schneckenhause geschüttelt, in einer sehr unphilosophischen Verlegenheit dastand, als ihm die zuvorkommende Herablassung <it>eines solchen Prinzen</it> alle seine weitausgesponnenen Ideen von Verläugnung der Welt mit einemmal zerschnitt und ihn außer der Sonne noch etwas Besseres schätzen lehrte, so legen Sie mich Höchstebenselben unterthänigst zu Füßen. Wie nicht weniger Sr. Durchlaucht dem Prinzen und unbekannterweise den Durchlauchtigsten Herzoginnen. Ich bewundere einen Hof, der Deutschland das erste Muster von Beschützung der deutschen Musen aufstellt, das in der bekannten Wanderung der Wissenschaften gewiß Epoche machen wird. Ich wollte lieber sagen, wie sehr ich ihn dafür verehre, wenn es hier nicht rathsamer wäre, meine Empfindungen in mein Herz zu schließen, als damit Geräusch zu machen und den Argwohn eines Clienten zu erregen.
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<line tab="1"/>Haben Sie denn auch wohl so hübsche Mädchens in Sachsen, als unter unsern Flechten stecken? Ich weiß, daß Sie über die rothen Backen hier manche boshafte Anmerkung machten. Sie haben aber diese Nymphen der Diana noch nicht sprechen, noch nicht die O und A trotz den Italiänern schleppen hören, besonders wenn ihre Sittsamkeit, oder wie soll ich es nennen? Durch artige Sachen, die man ihnen vorsagt, in Verlegenheit gesetzt wird. Da soll mir einer sagen, daß die deutsche Sprache keines Wohllauts fähig sei.
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<line type="break" /><note>am Rand</note> Ich habe einen <b>Petrarch</b> geschrieben, für den mich die hiesigen Damen steinigen, weil sie alles das für geistliche Lieder halten. In Goethens <b>Werther</b> ist ihnen nur die Stelle verständlich, als er losdrückt und darnach im Blut gefunden und hinterm Kirchhof begraben wird. Wenn er nur ehrlich begraben wäre, hätt’ alles nichts zu sagen.
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<line type="break" /><note>am Rand:</note> Ich habe einen <it>Petrarch</it> geschrieben, für den mich die hiesigen Damen steinigen, weil sie alles das für geistliche Lieder halten. In Goethens <it>Werther</it> ist ihnen nur die Stelle verständlich, als er losdrückt und darnach im Blut gefunden und hinterm Kirchhof begraben wird. Wenn er nur ehrlich begraben wäre, hätt’ alles nichts zu sagen.
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</letterText>
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<letterText letter="124">
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<line tab="1"/>Ich habe vergessen, Sie neulich zu bitten, den barokken Titel Komödie, der in einigen individuellen Grillen seinen Grund hatte, vor den Soldaten wegstreichen zu lassen und statt dessen darauf zu setzen: Ein Schauspiel von Steenkerk aus Amsterdam. Es könnte außer der Seltsamkeit noch den Schaden haben, daß ein ganzer Stand, der mir ehrwürdig ist, dadurch ein gewisses Lächerliche, das nur den verdorbenen Sitten einiger Individuen desselben zugedacht war, auf sich bezöge.
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</letterText>
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<letterText letter="125">Hannover. Den 8ten Merz. 1776.
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<letterText letter="125"><page index="1"/><align pos="right">Hannover. Den 8ten Merz. 1776.</align>
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<line tab="1"/>Empfangen Sie, liebster Lenz, meinen besten, warmen Dank für Ihr Schauspiel. Ich hab es mit Entzücken gelesen, und es hat mich gerührt und getroffen, wie irgend eines. Ich wollt es heute mit Zimmermann lesen, aber wir haben uns verfehlt, und aufhaltennwill ichs nicht, damit Helwing es ja früh genug erhalte. Sie sehen aus der Ueberschrift, daß ich hier bin. Ich habe meine Stelle angetreten, und befinde mich ganz wohl.darin, wenn ich nur erst aus dem Wirbel von Zerstreuungen heraus wäre, worin ich jetzt schwebe. Wenn ich nur erst die nöthige Routine in den mir ganz fremden militarischen Geschäften habe, werd ich auch Muße für mich zu leben und zu arbeiten find en. Zimmermanns Umgang, so wenig ich auch noch ihn genießen kann, ist mir große Wonne. Sie sind oft der Inhalt unsrer Gespräche gewesen. Er liebt Sie mit Wärme wie ich. Wären Sie doch bey uns! – – – Helwing hat mir endlich, zwar ziemlich verdrießlich und unzufrieden, aber doch geschrieben, daß er die W. unterdrücken will. Der erste Bogen der Vertheidigung war angedruckt. Auch der muß umgedruckt werden. Er verlangt 29 1/2 Rthl, so viel ihm Druck und Papier gekostet, zur Entschädigung. Das soll sich aber schon
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<page index="2"/>geben. Wenn er die Vertheidigung, für die ich, wie für die W. einen Duk. für den Bogen gefodert hatte, nun umsonst erhält, und für das Schauspiel nur 1 Duk. bezahlt, wird er sich schon zufrieden geben. Ich hab ihm geschrieben, der V. bekäme sonst 4. Ich habe die W. gedruckt, und würde sie Ihnen schicken, wenn ich nicht das Postgeld schonte. Die andern Exemplare sind versiegelt, und H. hat mir sein Wort gegeben, daß niemand sie gelesen hat, noch lesen soll. Auch mein heiliges Wort geh ich Ihnen hier. Doch dächt ich Z. dem Sie selbst davon geschrieben haben, könnte sie wohl lesen. Nach dem, was er mir gesagt, fürcht ich nur, daß sie durch die genommene Abschrift bekannt werden, und da wär’s doppelt Uebel. – – Stella hab ich endlich. Welch ein Stück! Welch ein Zauberer dieser Göthe! Ich hab auch versucht, auch gedichtet – – seitdem ich Euch beide kenne, lese, fühle, ihn und Dich, Du, zweyter Zauberer! nichts mehr versucht!
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<line tab="1"/>Haben Sie denn nun unser Mus. gesehen? Ihr Zerbin ist nun ganz abgedruckt. Nochmals meinen besten, wärmsten Dank dafür! Hier hat er große Sensation gemacht, und allgemeinen Beyfall gefunden. Wenn Sie noch die Deklamation des Schulmeister Hieronymus nicht angebracht haben, so laßen Sie sie mir für eins der folgenden Stücke. Ich hab ihm Unrecht gethan. Schreiben Sie mir doch Ihre Meynung übers Mus. Haben Sienun nicht bald wieder was dafür! Zimm. hat mich, wie er sagt, bey Schloß. gerechtfertigt. Sobald ich vom Verleger Geld habe, schreib ich ihm und danke selbst.
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<page index="3"/>
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<line tab="1"/>Gestern hat mich Lindau sehr unerwartet überrascht. Er geht, wie Sie vielleicht wißen, als hessischer Lieutenant, mit nach Amerika. Sonderbar und unbegreiflich! Von Herdern weiß ich lange nichts. Ob er nach Göttingen geht oder nach Weymar?
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<line tab="1"/>Ihr Brief findet mich hier, unter der Adreße an den Stabs Sekretair Boie. Ich umarme Sie mit vollem Herzen. Ewig der
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<line type="break" /><align pos="center">Ihrige Boie.</align>
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<line type="break"/>
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<page index="4"/>
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<page index="4"/><line type="empty" />
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<line type="break"/><address>Herrn Herrn <ul>Lenz,</ul> Gelehrten
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<line type="break"/>in <ul>Straßburg</ul></address>
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</letterText>
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@@ -786,7 +786,7 @@
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<letterTradition letter="122">
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<app ref="4">
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Riga, Latvijas Akadēmiskā Bibliotekā, Ms. 1113, F. 25, V. 32, Nr. 21
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Riga, Latvijas Akadēmiskā Bibliotekā, Ms. 1113, F. 25, V. 32, Nr. 21. Textverlust durch Ausriss.
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