Einpflegung von Brief 346.

This commit is contained in:
GregorMichalski
2025-01-20 21:27:49 +01:00
parent 5c08315967
commit 5ff7e4031e
3 changed files with 75 additions and 0 deletions

View File

@@ -12935,6 +12935,60 @@
da ich weder Wäsche noch Bücher habe und gar nichts von meinen Arbeiten, die Eile verlangen. Liphart
wird hoffentlich nicht <aq>irresanabel</aq> seyn. Ich habe an den Sohn geschrieben.</sidenote></letterText>
<letterText letter="346"><align pos="center">HochEdelgebohrner Herr!<line type="break"/>
Insonders Hochzuverehrender Herr Justiz-Bürgermeister!</align> <line type="empty"/>
<line type="empty"/>
<line type="empty"/>
<line type="empty"/>
<line type="empty"/>
<line tab="1"/>Da ich auf einige Zeit meinen Aufenthalt beym Herrn Assessor von Engelhardt nehmen werde: so
nehme mir die Freyheit, Ew. Hoch Edelgebornen um eines der grösseren Werke aus Dero Bibliothek
zum Durchblättern gehorsamst zu ersuchen, für dessen unschadhafter Zurücklieferung Denensebhen
mein Bruder gut stehen wird. Sollten Dieselben Ihren Schlegel, oder das Theater der Ansprüche p.
füglich entbehren können, würden Sie die Schuld meiner sehr frühen Verbindlichkeiten gegen Sie
vermehren. <line type="empty"/>
<line tab="1"/>In einem Briefe an den Herrn Kabinettssekretär N kam ich auf die Derptsche Akademie, welche ich ihm
als dem Zögling des großen Schöpflins des Stifters so mancher deutschen <page index="2"/> Akademieen ans Herz
zu legen versuchte. In der That ist das Beyspiel des Russischen Adels beschämend für den unsrigen,
der seinen Namen unsterblich machen und zugleich die Preise seiner Güter und der Landesprodukten erhöhen
könnte. Man bedenke nur, was durch 500 Akademisten allein, die eine Menge feinerer Bedürfnisse aus dem
väterlichen Hause mitbringen, für Geld in Umlauf kommen würde, wenn wir auch die erspahrten Summen nicht
rechnen, die der Edelmann itzt mit seinen unverassekurirten Söhnen aus dem Lande schickt, oder lieber
ins Wasser wirft. Ich wagte es, Herrn N. zu behaupten, daß wir Jena Leipzig und einer Menge sonst unwichtiger
Städte in Deutschland ihren Flor gegeben. Ich wagte es, ihm die Parallele <page index="3"/> von Strasburg zu
Frankreich und Derpt zu Rußland zu ziehn, die in sofern ziemlich passend bleibt, da wir sonst keine,
Frankreich aber noch viele andere blühende Akademieen hat. Und doch kommen aus Gascogne und Languedoc
Franzosen dahin um Deutsch und Lateinisch zu lernen. Zugleich studiren dort Ungarn, Russen, Pohlen u. s. f.
Unsere einheimischen neuveränderten Rechte, Ukasen u. s. f. erfodern gewiß eben sowohl ihre eigene Doktoren,
als der Körper Justinians: gleiche Ansprüche macht die sehr versäumte Vaterländische Geschichte, die
Pastoraltheologie und Homiletik, wie sie für unsere Bauren paßt, samt den Landessprachen, die unsere
Prediger oft erst für die andere Welt vollkommen erlernen; imgleichen der einheimische Landbau, über den
bisher immer der Vorurtheilvolle sclavische Bauer und ausländische Bücher die uns nichts fördern, die letzte
Instanz bleiben. Was den Plan anbetrift, so ist <page index="4"/> bei einer Sache die die Natur vorbereitet, kein
weit aussehender Plan nöthig, als den sie selbst mitten unter der Ausführung an die Hand giebt, wie sie es
bey allen Dingen macht, die nicht in der Idée sterben sollen. Man vergißt, daß die grossen Flüsse aus kleinen
Quellen entstehen und wenn wir Müllers russische Geschichte lesen, kommt uns der ehemalige erste Fonds der
Derptschen Akademie unglaublich vor. Ein einziges Kransgut würde zur ersten Besoldung der nöthigsten Professoren
hinreichen und wenn wir die Mittelzahl von 500 Rbl., die jeder Student überhaupt in Derpt liesse annehmen
(die in der That sehr geringe ist) sich bald bezahlt haben, wenn dis Geld auf einmal in die Cirkulation käme;
kämen vornehme Russen dazu, die ohnehin von unsern Sitten mit Recht vortheilhafte Begriffe haben und an dem
Umgang des umliegenden Adels bald Geschmack gewinnen würden, so würde Derpt in kurzem eine der mächtigsten Städte
seyn. Und wieviel würde die Population unter allen Ständen gewinnen, durch die größere Menge der Domestiken,
Familienannäherungen, Bekanntschaften, Verbindungen mehrerer Städte mit dieser p. <line type="empty"/>
Doch ich ermüde Sie mit einem Auszuge, der von lauter schon oft gesagten Dingen spricht. Ew. HochEdelgebornen <line type="empty"/>
<align pos="right">gehorsamster Diener<line type="break"/>
JMR Lenz.</align><line type="break"/>
Ohlershoff d. 26sten Nov 1780. <line type="empty"/>
<line type="empty"/>
<line tab="1"/><sidenote pos="left" page="4" annotation="am linken Rand, vertikal">Meinen Respekt an Dero Frau Gemalinn. Mein Bruder aus Pernau wird Denenselben bereits geschrieben haben. Wenn Ew.
HochEdelgeb. eines oder das andere der Petersb. Manuscripte zu sehen wünschten, so bitte mir nur Nachricht davon
zu geben.</sidenote></letterText>
</document>
</opus>