Einpflegung vom französischen Brief 205 und Übersetzung.

This commit is contained in:
GregorMichalski
2025-02-14 09:32:28 +01:00
parent 29d0baa8cf
commit 246a25f3b7
2 changed files with 79 additions and 1 deletions

View File

@@ -1426,6 +1426,46 @@
<app ref="4">
Riga, Latvijas Akadēmiskā Bibliotekā, Ms. 1113, F. 25, V. 33, Nr. 2; Entwurf
</app>
<app ref="11">
<line tab="1"/>Ich weiß nicht, allzu großzügige Freundin, was ich von der Silhouette halten soll, die
Sie mir liebenswerterweise durch meinen Freund Röderer zukommen ließen. Es
wäre zu anmaßend von mir, dem Märchen, das er mir darüber erzählt hat, Glauben
zu schenken, ich wage jedoch nicht, mir die Wahrheit einzugestehen und mich
des schönsten Traumes zu berauben, den ich in meinem Leben je gehabt habe.
Erlauben Sie, dass ich mich ganz und gar an Ihre Güte halte und dass ich,
indem ich ihn so weit wie möglich in die Länge ziehe, ihn dazu nutze, Ihnen
unendlich zu danken und Ihnen meine innigste Verehrung auszudrücken, weil
diese Illusion meiner Einbildungskraft so guttut, dass es Ihrem Herzen zur
Ehre gereicht, sie mir nicht zu nehmen.<line type="break"/>
Gestatten Sie mir trotzdem, Ihnen zu sagen, dass die Kopie, die ich von besagter,
für Herrn Lavater bestimmten und offensichtlich von Ihnen selbst abgezogenen
Silhouette erhalten habe, Röder nicht so gut gelungen ist, dem Sie wohl die Erlaubnis
gegeben haben, sie bei Ihnen anzufertigen, dass vielleicht Ihnen das Modell
hätte gelingen müssen. Er hat diese schönen Umrisse völlig verfehlt, die Maler
und Graveure, selbst Herr Baley, dessen zu geringe Präzision Lavater nicht genug
tadeln kann, verzweifeln lassen, was dazu führt, dass der wahrhafte Ausdruck der
bedeutsamsten Züge sich nur erraten lässt und eher dem Denken überlassen bleibt
als vor die Augen zu treten.<line type="break"/>
<line tab="1"/>Geruhen Sie, hochgeschätzte Freundin, die beigefügten Fortsetzungen des Teutschen
Merkur an Frau von Oberkirch weiterzuleiten; Herr Wieland, Herausgeber und Verfasser
des Gedichts Liebe um Liebe, empfiehlt sich hierdurch ihrer Gunst und versucht,
ihr seine tiefe Achtung vor allem auszudrücken, was er über sie gehört hat, vor
allem von seinem Freund Goethe. Er wäre äußerst zufrieden über den Zuspruch einer
so vollendeten Kennerin, deren Antwort er sicher verdient und die der süßeste Lohn
für einen der ersten Männer unseres Jahrhunderts wäre. Teilen Sie mir gütigst mit,
beehren Sie mich mit Ihren Aufträgen, falls irgendeine deutsche Broschüre, die Ihre
Aufmerksamkeit verdienen könnte, noch nicht bis nach Straßburg durchgedrungen ist.
Das wäre die größte Gunst eines Schicksals, das bis jetzt nur versucht hat, mich zu
unterjochen.<line type="break"/>
<line tab="1"/>Erweisen Sie Frau von Oberkirch, falls sie es gestattet und sich zu meinem Glück
noch meines Namens erinnert, meine untertänigste Hochachtung. Ich bitte Sie außerdem,
Ihre Frau Mutter und Ihr Fräulein Schwester nicht zu vergessen.<line type="break"/>
Ich bitte Sie nochmals, mir mitzuteilen, ob irgendein neues Buch oder eine andere Neuigkeit
vielleicht die Neugier von Frau von Oberkirch weckt. Nachrichten von Ihrer Cousine wüsste
ich gerade keine, außer, dass sie mit der regierenden Herzogin in ihr Landhaus nach
Belvedere gefahren ist; der Herzog ist in Ilmenau; wo ich ihn bald zu sehen hoffe,
nachdem ich noch einige Wochen die süße Einsamkeit genieße.<line type="break"/>
<align pos="right">Lenz</align></app>
</letterTradition>
<letterTradition letter="206">