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Einpflegung von Brief 301.
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<align pos="right">Dero ergebenster Diener Lenz.</align></letterText>
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<letterText letter="301"><line tab="1"/>Ich sässe jetzt schon zwischen den Bergen von Marschlins oder in einem Tobel von Appenzell, wenn
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mich nicht die bürgerlichen Unruhen in Zürich zurückhielten. In der That wird der politische Himmel
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hier alle Tage merkwürdiger für einen Beobachter der Menschheit und ich musste mit Recht fürchten,
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dergleichen Gelegenheiten für einen dramatischen Spührhund in meinem Leben nicht wieder zu
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finden, wenn ich diese um des Hn. von Salis willen, den ich hauptsächlich unserm Freunde Pfeffel
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zu gefallen besuchen wollte, fahren liesse. Meine Reise in die Trümmer des Philanthropins bleibt
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also vor der Hand noch aufgehoben. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Daß Sie von mir Schweitzerneuigkeiten verlangen und Schweitzerneuigkeiten die vielleicht von grösserm
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Einfluß aufs Allgemeine seyn werden, als hundert es zu glauben scheinen, hat meine Eigenliebe an dem
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empfindlichsten Fleckgen gekützelt. Nur Bester! glauben Sie nicht, daß ohngeachtet ich Freunde unter
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den Whigs und Tories habe (so nennt man hier die beyden Partheyen) mir nicht noch unendlich vieles
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verborgen bleibe, weil man leyder! welches ich sonst nur in den Monarchien zu finden glaubte, auch
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hier nicht gegen einander mit offenen Karten spielt – und dadurch unter uns, die Sachen nicht wenig
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<ul>verschlimmert</ul> werden <line type="empty"/>
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<line tab="1"/><sidenote pos="left" page="1" annotation="Am linken Rand, vertikal">Darf ich Sie um Verzeihung bitten, daß ich Sie mit einem Päckchen für Hn. Schlosser beschwere. Vielleicht
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gibt es Gelegenheit, ein Paar Zeilen von Ihrer Hand hinzuzufügen und in seiner gegenwärtigen Lage muß ich
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auf alle mögliche Gelegenheiten passen, ihn glücklich zu machen.</sidenote> <line type="break"/>
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<line tab="1"/>Es wird Ihnen nicht fremd seyn, daß die Zünfte, nicht mit dem französischen Geschäft selbst, sondern nur mit
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der Art, mit der man darüber mit ihnen zu Rath gegangen, gleich Anfangs ihre Unzufriedenheit bezeuget und da
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man auf ihr Ansuchen den Punkt in dem geschwornen Brief näher zu bestimmen, wenn und wie dergleichen Sachen
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vor dem Rath auf die Zunft gebracht werden sollten, mit Stillschweigen geantwortet erst in geringer Anzahl
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die sich aber bald bis auf 250 vermehrte ein Memorial aufgesetzt in welchem sie halb als getreue Kinder halb
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als gebieterische Gesetzgeber die Bestimmung dieses Gesetzes verlangten. Diese 250 aber hatten wie die
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Thebaner die sich den 30 Tyrannen wiedersetzten, ihre geheimen Anhänger in der ganzen Stadt, so daß in kurzer
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Zeit ihre Anzahl auf 1000 und am Ende für die gemeine Masse der Bürgerschaft geschätzt wurde, unter denen
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nur noch sehr wenig Rechtgläubige übrig blieben. Hierauf erfolgte nothwendiger Weise die Aufmerksamkeit des
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Magistrats, man fieng mit der Geistlichkeit an, die aber von den Kanzeln wie es gemeiniglich geht nur das
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Feuer heftiger anbließ, so daß man sie zwang, ihre Predigten herauszuliefern <page index="3"/> man fuhr fort sie in
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einem Bescheid zum Frieden zu ermahnen, den Weg des Memorials zu verrammeln und ihnen anzudeuten, sie möchten
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ihr Ansuchen durch Representanten dem Wortführenden Bürgermeister mündlich vortragen, dies geschah; dabey wurden
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die besondern Versammlungen der Mißvergnügten immer mehr, in denen ihr Muth und ihre Festigkeit in dem Grad
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zunahmen, daß der Magistrat einen Rathstag hielt, der bis Nachmittage währte und worinn eine Commission aus dem
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geheimen Rath, sechs grossen und sechs kleinen Räthen bestellt ward diese Händel zu schlichten. Diese Commission
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in der eben soviel Bürgerfreunde, als <aq>Esprit de corps</aq> waren, theilt sich wieder und ward noch ein Ausschuß davon
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niedergesetzt, der dann endlich eine öffentliche gedruckte Erklärung an die Bürgerschaft beschloß, die vom
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grossen Rath der abermals bis 3 Uhr Nachmittags versammelt war, genehmigt wurde, in der den Bürgern die Ursache
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des Verzugs der Deliberation mit ihnen angedeutet, ihnen auf die Zukunft alle mögliche Versicherungen ihres
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unbeschadeten Einflusses auf dergleichen Deliberationen gegeben und sie mit den höflichsten Worten zufrieden
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gesprochen wurden. Wie es aber bey alle dergleichen Sachen geht, daß je weiter man kommt, je weiter man hinaus
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will und immer glaubt noch <page index="4"/> nichts erhalten zu haben, wenn man alles erhalten hat – weswegen ich einem
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klugen Obern gerathen haben wollten, immer öffentlich weniger zu bewilligen als er wirklich zu bewilligen
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gesonnen ist – so geht es auch hier. Die Bürgerschaft ist ganz und gar mit dieser Erklärung nicht zufrieden und
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haben sich 14 Tage Bedenkzeit ausgebethen, vermutlich mehr um Anstalten zu Gegenvorstellungen zu machen als um
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sich zu bedenken, wozu man ihr 14 Jahre geben könnte – mittlerweile werden die einzelnen Stimmen der Opposition
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immer lauter, die Animositäten in Gesellschaften gegen Personen des Raths immer unverdaulicher und man spricht
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gar von ähnlichen Erscheinungen bey dem Landvolk den ganzen See entlang, welches denen die den Gang solcher Sachen
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einwenig kennen, bedenklicher vorkommt als dem grösten Theil von denen selbst die am meisten auf ihrer Hut seyn
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sollten. In 14 Tagen wird sich viel entwickeln wovor mir als einem Fremden banget, da zur Beendigung dieser Sache
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in den erhitzten Parthieen auf beyden Seiten, die beyde, <ul>grosse</ul> Köpfe an der Spitze haben, noch keine Aussicht
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auch in der neblichtsten Entfernung sich weiset. <page index="5"/> <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Die Bürgerschaft scheint es, möchte bey nichts weniger aufhören wollen als bey einer Revolution, der Rath hingegen
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möchte gern Ausnahmen zur Regel machen und einen Schritt den er nur durch geheimnißreiche dunkle Ausdrücke von
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Nothwendigkeit der Umstände und wichtigen Staatsursachen entschuldigt, oder vielmehr der Entschuldigung ein für
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allemal überheben will, zur Bestimmung und Erleuterung des im Gesetz strittigen Punkts einsetzen. Sie sehen wie
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Ewigkeitenweit beyde Theile auseinander gehen, verhüte mir der Himmel der über das Schicksal des Schweitzerlandes
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von jeher gewacht hat, die Mittlerschaft eines dritten. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Ich würde Ihnen die gedruckte Deklaration des Raths an die Bürger zusenden, wenn es mir möglich gewesen wäre, eine
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davon einem Bürger abzuschwatzen. Wäre sie vortheilhafter, so hätte ich sie ohne Fehl erhalten, so aber da sie nach
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ihrem Ausdruck nur <aq>lirum larum</aq> enthält, ward mirs aus einem besandem <aq>point d’honeur</aq> rund abgeschlagen. Auch muß ich
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Sie um meiner Zürcherbeziehungen willen bitten, diesen Brief nicht bekannt zu machen, damit er nicht etwa gar in
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einem Journal mich und all meine Freunde rasend macht, wie es wohl neulich ein Brief aus Basel, der sich weiß der
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Himmel wie ins deutsche Musäum verirrt hat, beynahe gethan hat, dessen Verf. auch was gescheuters hätte thun können
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als den armen <page index="6"/> Lavater fast mit allen Zürchern zusammenzuhetzen und in einer Zeit, wo das nur noch zu der
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allgemeinen Gährung fehlte. Ich sehe mich gezwungen diesen Anonymus öffentlich auf die Finger zu klopfen, da ich
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sonst wahrlich kein Mittel weiß Lavater und mich, die beyde mit am Teutschen Museum gearbeitet, ausser Verdacht zu
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setzen. Wenn Sie ihn kennen, so melden Sie mirs und warnen ihn doch ja, gescheut zu seyn und sich nicht merken
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zu lassen daß er Verf. zu einem Briefe sey der seiner Klugheit so wenig Ehre bringt, um nichts mehr zu sagen – <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Jetzt Theurester komm ich auf Ihre Frauenzimmerschule – der Himmel lasse Sie ganze glückliche Geschlechter aus
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dieser Pflanzung erleben und die schönsten Mädgen aus diesen müssen dereinst ihr Grab mit Rosen bestreuen – nur
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Freund! bedenken Sie daß ein Project die allerwichtigste – oder die allernichtswürdigste Sache auf Erden ist, wenn
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es ausgeführt wird – oder steken bleibt. Das war nun bey einem <aq>Sarasi</aq><!-- Andere Tinte? --> freylich eine sehr überflüssige Erinnerung
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und muß mir verziehen werden, so wie meine ganze Existenz. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Ich Ihnen aber darüber eine Abhandlung schreiben Freund! wo denken Sie hin, ich, ein Mensch der weder <page index="7"/> Vater
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noch Mutter Bruder noch Schwester – geistlicher weise mehr hat, kein Weib noch Weibesart hat u. s. f. auch niemals
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eins hoffen darf: Ich eine Abhandlung über die Frauenzimmerschule, gehts mir doch damit, wie den Gelehrten in Klims
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Unterwelt, die grosse Abhandlungen über den berühmten Kometen schrieben, den sie endlich in der Person des Hn. Klim
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selber vor sich sahn. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Mit alledem, weil auch aus dem Munde der Unmündigen die Wahrheit bisweilen an Tag kommt, will ich Ihnen nicht verhehlen,
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daß selbst bey der Untersuchung der hiesigen Frauenzimmerschule und bey allen Frauenzimmerschulen in der Welt, mir für
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einen höchstwichtigen Punkt der Frauenzimmer nicht gesorgt zu seyn scheinet und dieser ist – ihr Physisches. Wie viel
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in dem Glück der Ehe, in der ihnen selbst so nöthigen Gemüthsheiterkeit, und hauptsächlich in der Kinderzucht darauf
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ankommt, brauch ich Ihnen nicht zu sagen. Mich dünkt eine Frau bedarf in aller Absicht eines stärkern, zu mehr Leiden
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abgehärteten Körpers als ein Mann – und nun nehmen Sie unsere meisten wohlerzogenen gelehrten, kranken Damen in Paris
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in Baumwolle eingewickelt und die kraftvolle Nachkommenschaft die von ihnen zu etwarten steht. Freund ich habe. es
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erfahren was es heißt von seinen Eltern mit körperlichen Kräften ausgesteuert seyn, oder sich <page index="8"/> in dem Stück
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über sie zu beklagen haben. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Die meisten Leibesbewegungen die sich unsere Damen und Mädchen erlauben sind, das Gehen. Da dieses aber eigentlich
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nur eine Bewegung der Füsse ist, so ist sie im Grunde kein <ul>Tragen, tragen</ul> müssen Ihre Mädchen alle Tage eine Stunde,
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Winter und Sommer und die Schönheit ihrer Haut ihrer Taille ihrer Glieder wird sich bis auf die Enkel des 1000sten
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Gliedes fortpflanzen. Ich habe keine schlankeren stärkeren gesunderen und schönern Geschöpfe gesehen als die Milchmädchen
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um Strasburg und das weil diese Stellung ihren ganzen Körper so vollkommen harmonisch stimmte daß jede von ihnen ein
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Modell hätte zu Akademieen geben können. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Denken Sie was hilfts einer Frau wenn sie der Ausbund aller Eigenschaften <ul>eines Engels</ul> ist und ihr fehlt das was sie
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alleine zum <ul>Menschen</ul> macht. Und beurtheilen Sie nur ja nicht die weibliche Gattung unsers Jahrhunderts nach einer
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gewissen Ausnahme, die, ihr Magen mag beschaffen seyn wie er wolle, auch in dem Stück Ideal ist. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Uebrigens wünschte ich auch ebensowohl daß von der frühsten Jugend an die Kochkunst ein wenig eifriger mit ihnen
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getrieben würde. Nicht daß sie einmal selbst kochen lernen, sondern daß sie alles wissen was zu einer guten Suppe
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gehört. Die gehörige Temperatur der Gewürze, die Abänderung der Gerichte nach den Jahrszeiten, die Planmacherey zum
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wohlfeilsten <page index="9"/> Einkauf der dazu gehörigen Provisionen sind doch wirklich die Fundamente einer guten Haushaltung,
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allzuoft der Gesundheit der Eltern und Kinder, und des ganzen Ehelichen Glückes. O wenn doch die mehrsten
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französischen Damen dafür weniger Griechisch und Briefstyl wüßten, weniger neue Bücher gelesen, weniger Preise für
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die tiefsinnigen Akademisten in Paris ausgetheilt hätten! <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Sollte ich zu irgend einer Kunst oder Wissenschaft bey Ihren Frauenzimmern rathen, so wär’ es das Zeichnen. Bey
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Blumen fiengen sie an und hörten bey Rissen aus der Baukunst auf; wohin ich auch die Gärten rechne. Da ist die
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eigentliche Sphäre des Geschmacks der Damen, aus der sie auf den unsrigen so allmächtig einwirken können, eingewirkt
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haben und einwirken werden. In der innern Einrichtung eines Hauses liegt die Seele alles unsers Glücks, der Keim
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aller unsrer Gefühle, Jugendeindrücke deren Gepräge uns bis ins späteste Alter bleibt. Ein unregelmässiges Haus
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macht unregelmässige Köpfe und Mangel des Geschmacks im Meublieren der Zimmer wirkt Zerstörungen in den Seelen
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der Kinder die oft durch Erfahrungen eines ganzen Lebens nicht wieder können zurecht geschraubt werden. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Musik ist so unentbehrlich nicht, obschon ich wünschte daß diejenigen die Neigung dazu hätten, früh dazu an-
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<page index="10"/>gehalten würden. Alle aber müssen leidlich singen lernen. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Warum wollte man dem Frauenzimmer nicht auch <dul>lehren</dul> sich auf eine <dul>eigene,</dul> ihnen anständige Art zu putzen. Ich
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hoffe darüber an einem anderrn Orte was zu sagen, besonders was die Schweitz betrifft. Die Nachäffung der fremden
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Moden würden alsdann wegfallen und alle giftige Folgen derselben auf die Sitten den Leichtsinn und die Weichlichkeit.
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Dieser Putz aber müßte überdacht seyn, auf Klima, Landesprodukte und besonders auf den Geschmack der jungen
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Schweitzerherren berechnet, denn ein Frauenzimmer das sich um Gottes willen putzt, ist ebenso ein unnatürliches
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Ding als eine die Arabisch spricht wie Madam Reiske. Mag es doch den lieben Kindern selbst aufgegeben werden
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über ihre Moden zu raffiniren, zu poetisiren wie sie wollen und alsdann passiren die Erfindungen die Censur ihrer
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Lehrerin. Die Bekleidung der Griechischen Statuen könnte bey einer gewissen Art von Kleidern, z. E. Nachtröcken,
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sehr gut zum Muster angenommen werden, das übrige überläßt man ihrem Genie. Darum wünscht ich auch sehr daß ein
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Frauenzimmerfreund eine auserlesene Sammlung guter Statuen in ihre Schule verehrte – es sind <page index="11"/> hundert
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Ursachen mehr warum ich dieses wünschte. Die Imagination Ihrer Schönen verliert sich, vergißt sich auf den schönen
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Formen – und wohl Ihrem Vaterlande, wenn sie sich daran vergißt. Eine harmonische Gestalt kann aber so wenig eine
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schlechte Seele herbergen, als ein wohlgestimmtes Instrument das Geschnarr einer verstimmten Zither hervorbringen mag. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Tanz – und um Gottes willen lassen Sie keinen Prediger sich in Ihre Anstalt mischen, es giebt wenig Lavaters – –
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auch der Tanz muß früh mit ihnen getrieben werden. Wär es auch nicht weiter als um die Begriffe von Tackt und
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Ordnung in ihre Seele zu bringen – in denen sich die Welt dreht. Was hilfts aber wenn du die ganze Welt gewönnest
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und littest Schaden an deiner Seele, hättest kein Zeitmaas und kein Verhältniß darinn – – steht ja in der Bibel
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selber. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Rechnen lassen Sie sie doch ja nicht anders lernen als nach <ul>Aufgaben aus der Haushaltung.</ul> Sonst heißt das wirklich
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wieder sie Hebräisch lehren. Ich weiß Frauenzimmer, denen bloß wegen der abgeschmackten abstrakten Methode des Herrn
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Peschek, das Rechnen auf ihr Lebtage verleidet ist. Und wer kann es ihnen verdenken, sind sie doch dazu nicht geboren.
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Wenn man sagt, das schärft <page index="12"/> den Geist, so möcht ich die Ohren zuhalten und lauffen soweit der Himmel blau
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ist. Daß man doch immer vergißt, daß ein Frauenzimmer das Pretension auf Verstand macht, das unliebenswürdigste und
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furchtbarste aller existierenden Dinge ist. Und wozu anders soll sie sich mit unwesentlichen Zahlen plagen, die sie
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um all ihre Reitze und den Mann um <del>ihr</del> <insertion pos="top">sein</insertion> ganzes Glück bringen. Selbst Addition Subtraktion und die fünf Species
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darf sie nicht anders treiben als nach Aufgaben wie sie im gemeinen Leben vorkommen. Dazu find ich die kleinen Details
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unvergleichlich die Usteri in seiner Schule hat, von Stücken die in die Haushaltung gehören. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Naturhistorie, Kenntniß von <ul>Pflanzen</ul> und <ul>Thieren</ul> auch Mineralien ist ihnen wohl <ul>unentbehrlich</ul>, sowie die anatomische
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Kenntniß des Menschen, ohne der sie elende Kinder erziehen werden. Bedenken Sie wieviel in den ersten Jahren der Bildung
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von ihnen allein abhängt. Wieviel selbst in der Zeit von ihnen abhängt da das ganze Schicksal und das Leben des Kindes
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selbst als ein <aq>Depositum</aq> in ihrer Verwahrung liegt und wo über ihre Aufführung gegen dasselbe – auch durch Gedanken und
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Regungen der Seele die oft nur zu sehr auf ihren <aq>Foetus</aq> wirken, kein menschlicher Verstand entscheiden darf. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Alle übrige Wissenschaften können Sie entbehren. Kleine Unwissenheiten in der Historie in der Geographie reitzen oft
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mehr als die Schönflecken. Wenn sie nur das Allererste davon wissen. Man muß ihren Männern auch was übrig lassen. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Aber so habe ich Sie ja fast zu Tode geplaudert aber Sie wollten es so haben. Ich darf nicht um Verzeihung bitten die
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Schuld ist Ihre. Behalten Sie mich lieb und empfehlen mich Iseli. <line type="empty"/>
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<align pos="right">Lenz</align> <line type="empty"/>
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<line tab="1"/><sidenote pos="left" page="12" annotation="am linken Rand, vertikal">Brauchen Sie was zu brauchen ist – wo nicht für Ihre Schule so zu – anderem Gebrauch. Das Pappier ist einmal
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besündigt.</sidenote> <line type="empty"/>
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<page index="13"/> <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Ich muß noch ein Blatt nehmen. Sehen Sie, welch eine Ruthe Sie sich auf den Rücken gebunden haben. Nehmen Sie
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diesen Brief <aq>per dosin</aq> ein – sonst ist er verloren. Schlosser wird Ihnen theurester Herr Gerichtsherr! nächstens
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etwas für mich schicken, <del>von</del> an dessen schleunigen Empfang (obgleich es nur Pappiere sind) mir ausserordentlich viel
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liegen wird. Wollten Sie die Gütigkeit haben, es durch die erste Gelegenheit zu mir her zu spediren, sollte er aber
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Ihnen meinen <aq>Coffre</aq> schicken, mir Nachricht davon zu geben, damit ich Sie bitten kann mir das was ich brauche,
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herauszunehmen; denn ich denke wirklich nicht den Winter hier zuzubringen, worüber ich mich in dem Briefe an Dero
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Frau Gemalinn näher erklären werde. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Noch eins. Ich höre von Herrn Rathsherrn Geßner, Herr Rathschreiber lselin habe noch eine Sammlung origineller
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Briefe des seeligen von Kleist, Dichter des Frühlings liegen. Ich würde diesen vortreflichen Mann, dem ich noch
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in Ansehung meiner Reise im <aq>pays de Vaud</aq> soviel Erkenntlichkeit schuldig bin, in einem Brief um die Mittheilung
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derselben ersuchen, wenn ich es nicht für besser hielte, ihm lieber gar nicht zu schreiben und die Schuld meiner
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Verbindlichkeiten gegen ihn bis zur höchsten Höhe aufsummen zu lassen, als <page index="14"/> in der Eile in der ich
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gegenwärtig bin meine Correspondenz mit einem so würdigen Freunde mit einem Gesuch anzufangen– wiewohl er
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hoffentlich beyliegenden Brief, wenn Sie ihn ihm selbst einhändigen, besser aufnehmen wird. Vielleicht händigt
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er Ihnen die Briefe ein, um die ich ihn ersuche; wollten Sie alsdenn so gütig seyn sie gleichfalls mir aufs
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geschwindeste zu übermachen, ich bringe sie aufs heiligste wieder ungekränkt nach Basel zurück und einen Dank
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der nicht endigt Ihnen und unsern lselin zum Ersatze. Die Absicht wozu ich diese Briefe brauche können Sie sich
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beyde nicht vorstellen, könnt ich Ihnen beyden auch nicht begreiflich machen, da ich sie mir selber nicht in Worte
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fassen kann genug mir <ul>liegt unbegreiflich viel daran.</ul> <line type="empty"/>
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Meine beste Empfehlung wenn Sie ihm schreiben unserm Freunde Pfeffel und allen die sich in Basel meiner erinnern. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Heben Sie meinen Brief doch auf. Es könnte seyn daß ich mir ihn in Basel wieder einmal von Ihnen ausbitten müßte,
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um verschiedene Erinnerungen hinzuzuthun. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Hn. von Mechel gleichfalls meine besten Empfehlungen. Ich habe herzlich gelacht, über die Erzehlung eines Herrn aus
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Solothurn, der sagte daß er beym Rheinfall einen doppelten Adler mit dem Kayser gemacht. Diesen Kupferstich hätt ich
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sehen mögen u. drunter schreiben <line type="empty"/>
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Das geht nur beym Rheinfall an</letterText>
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@@ -4523,5 +4523,20 @@
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<date value="Zürich, 28. September 1777" />
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Basel, Staatsarchiv, PA 212 F 11, 27, 10, Nr. 10; auf dem gleichen Bogen wie: Basel, Staatsarchiv, PA
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212 F 11, 27, 10, Nr. 9 (Brief gleichen Datums an Gertrud Sarasin)
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Reference in New Issue
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