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Einpflegung von Brief 97.
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aufgehalten, um Postgeld zu ersparen. Wenn Sie doch solcher Erzählungen, wie Zerbin, noch mehr
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machten! Auch den Anschluß an Hn. Schneider bitte zu besorgen. Ich habe keine Dukaten, und hoffe,
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Sie werden auch die L. brauchen können. 4 <aq>Louisd.</aq> machen 7 Duk.</letterText>
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<letterText letter="97"><line tab="1"/>Ich schreibe Dir, lieber <it>Lenz,</it> dießmahl in einer wunderlichen Verfassung Ich habe da ein anderthalb
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Hundert Bürger um mich deren Wohlfart ich besorgen soll; und die doch selten selbst wissen was ihre
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Wohlfart ist – doch wer weis es? warlich, lieber Freund, es ist sehr schwehr, es ist fast unmöglich in
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der Welt Leute glücklich zu machen, die so in tausend und tausend Verhältnisse verwickelt sind, so in und ausser
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sich immer zu kämpfen haben, daß sie alle 2 Schritte anstoßen. Auch ist wirklich das Gebäude von menschlicher
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Mühseeligkeit so zusammen gesetzt daß an dieser dädalischen Maschine alle Augenblicke etwas fehlen muß. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Doch in der That, mein Lieber, wenn ich mir recht auf den Puls fühle, so ist der gröste Defect an
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Glückseeligkeit meiner und ich glaube auch wohl aller Menschen negatif. Es ist nicht so viel Schmerz
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und Leiden, als vielmehr Oede an herzrührenden herzfühlenden Freuden, das uns drückt. Daher
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kommt das Gähnen – die größte Quaal des Lebens, das Jagen nach falscher Glückseeligkeit oder Freude, das
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Haschen nach Ehre, der Durst der Eitelkeit, das Koketiren des Mädchens, des Dichters, des Autors, und die
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tausend Schmetterlinge nach denen wir immer greifen, und die uns nie gnügen, wenn wir sie haben. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Und woher dünkt Dich kommt das? Meinst Du daß es an Armut der Welt, oder glaubst Du daß es an
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Schlaffheit der Mode liegt? Sterben wir aus <aq>inedia</aq> oder <aq>ex fame</aq>? <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Mich dünkt es fehlt mehr an uns als an der Welt. Die Freuden der Liebe, der Freundschaft, des ächten
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Wohlthuns, des Lebens mit Gott, die Freude des Künstlers an Ton, an Farbe, an Gestalt, sollte uns das
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nicht überzeugen daß die Welt reich genug ist und daß nur wir zu schwache Magen haben. – Und ist’s
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nicht blos die Erziehung die uns diese geschwächt hat? <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Ich bin einmal in der Meinung daß kein Philister gebohren wird. In allen sind einige Nerven vorzüglich
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gespannt, die durch die Erziehung so vest und sicher gestimmt werden können, daß die seelige
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Vibration nie fehlen kann, wir mögen uns in der Welt hinwenden wohin wir wollen. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Leb wohl! Der Augenblick den ich während des Schreibens des Actuarii erwischte, ist vorbey! – Ich
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küsse Dich herzlich! <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Du schreibst mir nichts von den Büchern die ich verlangte: Herodot, Diod. Sic. und Plutarch. Kannst
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Du sie nicht haben – <it>Lindau</it> ist ein Stockfisch. Ich habe ihm keinen Auftrag gegeben. Er soll sich besser
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erklären. Adieu. <line type="empty"/>
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Schlosser. <line type="empty"/>
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Auf dem <it>Emmendinger</it> Rathhaus, den 13 Jänner 1776, Abends 7 Uhr.</letterText>
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</document>
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</opus>
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<isDraft value="false" />
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</letterDesc>
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<letterDesc letter="97">
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<date value="Emmendingen , 13. Januar 1776" />
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<sort value="1776-01-13" />
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<letterTradition letter="97">
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August Stöber: Johann Gottfried Röderer, von Straßburg, und seine Freunde. Colmar 1874, S. S. 164f.
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