Einpflegung von Brief 90.

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GregorMichalski
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Nachricht von Zerbins Schicksal, das ich ganz ohne Umstände mir als ein Biedermann zu bestimmen
bitte, bin mit wahrer Freundschaft</sidenote><line type="break"/>
Ihr ehrlicher Fr. u. Diener Lenz.</letterText>
<letterText letter="90"><line tab="1"/>Ists möglich Herder, daß ich Dir, ich mit gesammter Vaterlandsstimme noch nicht für Deine Ursachen
des gesunkenen Geschmacks gedankt habe. Aber so gehts mir mit alle Deinen Sachen, ich geniesse so
freudig so feurig daß ich allemal den grossen Dank darüber vergesse. Vergesse? Verhüte der Himmel das
abscheuliche Wort, den Dank meines Herzens mußt Du gefühlt haben, nur gehts mir wie einem blöden Liebhaber im
Angesicht seiner Vollkommenen dem die Zunge mit Bleygewichten gebunden ist der <it>zu reden</it> zittert. Nein ich kann
nicht reden. Kann nur immer mit tränendem Aug in die Wolken sehn fröhlich glücklich seelig, daß Du da
bist, daß Dein Weib, das süssere Weibliche Du Dir zur Seite schwebt also immer Werth und Belohnung mit
Blumenketten aneinander gebunden geht. Herr Herr Gott barmherzig und gnädig, von grosser Liebe und Treue. <line type="empty"/>
<page index="2"/>
<line tab="1"/>Ich hatte über die Geschichtsphilosophie ein Gestammel in Versen an Dich aufgesetzt, das ich aber als
ein kindisch Lallen unterdrückte. Liebe Posaune des Erzengels, schmettere schmettere Tod und
Gericht in tausend unbereitete Busen, mir bist Du Gesang ewigen ewigen Lebens. Daß ich einmal ein
Mann würde und Ordnung um mich her sähe und mir die Schriften meiner Lieblinge alle nach ihrem
individuellen Werth um mich her stellen könnte, wie groß und stark würde ich denn seyn. So
aber genieß ich immer im Fluge, doch seelig <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Darf ich Dir zu dem Hügel Glück wünschen auf dem Du itzt Batterien anlegen wirst, grosser Freund
des Herrn? Mein Herz wallt und schwingt sich für Freude über alle die Aussichten, ich aber ich mein
Bruder ach eine Träne aus Deinem Männerauge ich werde untergehen und verlöschen in Rauch und
Dampf. Doch will ich die Liebe mitnehmen. Sie allein wird mich # <line type="empty"/>
<sidenote pos="left" page="2" annotation="am linken Rand, vertikal">
# zur Hölle hinabbegleiten u. noch da tröstend zur Seite stehn. Meine Reise nach Italien könnte sich
wohl noch machen, aber sobald nicht. Der Stein des Anstosses ist fort, nur hängt mein Mann noch zu
stark an Strasburg. Diese Reise ist mir eine wahre Höllenfahrt. Von allem mich loszureissen und doch
muß es gerissen seyn. Herder laß Deine Seele, Deine Vaterwünsche mir folgen, mich nie verlassen.
Und Deiner Frauen ach wenn sie mir wohl will, so kann ich Gott nicht unangenehm seyn.</sidenote><line type="break"/>
Lenz.</letterText>
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<date value="Straßburg, Dezember 1775" />
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Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv, GSA 44/69, Bl. 9
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