Einpflegung von Brief 33.

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GregorMichalski
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Arme und Herz für mich offen hielten, da ich sie jetzt als Fremdling allenthalben für mich
verschlossen sehe. Umstände dazu, die ich Ihnen weder schildern will noch kann dennoch,
dennoch halte ich meine Augen zum Vater im Himmel emporgerichtet, der mir an jedem Ort
nachfolgt, und wenn ich entfernt von Himmel und Erde wäre und Leib und Seele mir verschmachtete.
nachfolgt, und wenn ich entfernt von Himmel und Erde wäre und Leib und Seele mir verschmachtete. <line type="empty"/>
<line tab="4"/>Im Herzen rein hinauf gen Himmel schau ich
<line tab="5"/>Im Herzen rein hinauf gen Himmel schau ich <line type="empty"/>
<line tab="4"/>Und sage Gott, dir Gott allein vertrau ich
<line tab="5"/>Und sage Gott, dir Gott allein vertrau ich <line type="empty"/>
<line tab="4"/>Welch Glück, welch Glück kann größer seyn. <line type="empty"/>
<line tab="5"/>Welch Glück, welch Glück kann größer seyn. <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Nur daß keiner meiner Briefe zu Ihnen gelangt, daß Sie durch dieses Stillschweigen nicht allein
an meinen Schicksalen, sondern auch an meinem Charakter irre werden; das kränket mich. Ich habe seit
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Ihrem ergebensten Lenz.</letterText>
<letterText letter="13"> <align pos="right">Fort Louis, d. 13ten Jul. 1772</align> <line type="empty"/>
<align pos="center">Liebster Bruder!</align>
<align pos="center">Liebster Bruder!</align> <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Deine Vorwürfe würden mir so empfindlich nicht seyn, wenn ich sie <del>nicht</del> verdient hätte: aber sie
nicht verdient zu haben und doch kein Mittel wissen, die üble Meinung abzulehnen die alle meine
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mein bester Freund auf dem Erdboden, Ihnen, aber auch nur Ihnen, will ich Alles erzählen, sobald ich
Sie spreche. Zeigen Sie diese Stelle meines Briefes, nicht meinem guten Ott wenn er nicht noch
Jüngling wäre, wenn er die Stufe der Weisheit erstiegen hätte, würde ich über diesen Punkt nicht
gegen ihn zurückhaltend sein.
gegen ihn zurückhaltend sein. <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Heute komme ich von Lichtenau, aus einer sehr vergnügten Gesellschaft, in welcher ich vielleicht
allein die Larve war. Ich will meinen Brief an Sie bis zum Ende bringen, ich erwarte heute abend noch
einen Gnadenstoß. O lassen Sie mich, mein beschwertes Herz an Ihrem Busen entladen. Es ist mir
Wollust zu denken, daß Sie nicht ungerührt bei meinem Leiden sind, obschon es Ihnen noch
unbekannt ist. Denn Trennung ist nicht die einzige Ursache meines Schmerzens. Wir wollen von
andern Sachen reden.
andern Sachen reden. <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Ich werde noch, vor meiner Abreise, einmal aus Fort-Louis an Sie schreiben und alsdann aus Landau,
sogleich nach meiner Ankunft. Mein Studiren steht jetzt stille. Der Sturm der Leidenschaft ist zu
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mögte, <nr ></nr> doch thue was du willst. Gott stärke dich Du edler Schwacher! Es ist eine der bittet, daß
dein Glaube nicht abnehme u: der ist mehr als L</letterText>
<letterText letter="33"><line tab="1"/>Wir haben Deinen Brief vom 29ten zwey Tage später erhalten als den vom 4ten Junii Mein ganz
Conzept ist verrückt durch Deine beschleunigte Kunft. Neue Geduldübung für Dich ich sehe Du
kennst weder mich noch Röderer der Situation nur dem Herzen nach. Und wir haben beide oft die
Augen größer als den Bauch. Ich bin Gesellschafter eines Curländischen Cavaliers der im Begrif steht
nach Hause zurückzugehen, mich hierzulassen. Ich zählte drauf wenn Du laut Deiner vorigen Briefe in
drey vier Wochen abreisetest, er würde gegen diese Zeit verreist und ich frey seyn. Also würden wir
Dir förmlich entgegen reisen, dich herholen können etc. So aber muß grad itzt das Schicksal seinen
jüngern Bruder der bey einem andern Regiment steht mit seinem Regiment gegen den Tag Deiner
Abreise hieherführen (den 11ten haben sie Ordre erhalten auszumarschiren) der Bruder erwartet ihn
um ihn noch das letzte Mal vor seiner Heimreise zu sprechen und ich in die allergeringsten ihrer
beyden Geschäfte verwickelt darf mich nicht von ihnen trennen besonders da diese Reise in dem
ganzen Lebenslauf des ältesten Epoque macht. Jetzt mein lieber theurer Lavater wirst Du noch
zürnen daß ich nicht Wort halten kann? Die Deutschen faßten ihre Entschlüsse im Rausch und
überlegten sie nüchtern. Aber hör etwas. Wir wollen uns so Gott es will mit Röderer <page index="2"/>
aufmachen und nach Colmar gehn, wo Du Donnerstags (falls Du mit der <aq>Diligence</aq>) zu Mittag
eintreffen mußt. Da essen wir zusammen und reisen bequemlich nach Strasburg wo Du nichts desto
weniger (wenn nicht in meinem Hause, in dem anstoßenden, das schon gerüstet dazu und noch
bequemer weil Du keine Treppen zu steigen und bessere Aussicht hast) absteigst, damit wir allein
sein, frey ununterbrochen. Siehst Du da feyren wir den ganzen ersten Abend und drauf folgenden
Morgen in süßer stiller Einsamkeit, hernach wird freilich das Geräusch Deiner Bekanntschaften
angehn, das Du nicht ganz vermeiden kannst. Das Begleiten ins Schwalbacher Bad ist nun ganz
unmöglich, mein Herz und alle meine Wünsche sollen Dich begleiten, aber ich bin nicht frey ich
bin vieles nicht. Nimm vorlieb wie ich bin, Du der Du vom Apostel Paulus auch Verträglichkeit mußt
gelernt haben, meine Freiheitsstunde (das hoff ich zu Gott) wird auch schon einmal schlagen und
dann will ich anders seyn. Das Gesicht von Deinem verklärten Vater hab ich alleweile vor mir und
kann mich nicht satt dran sehen. Solche Köpfe können nur in einer Republick gebildet werden, das
sind <page index="3"/> Züge die in keinem monarchischen Staat gesehen noch gehört noch empfunden werden
können. Ach daß er lebte! Hat er uns doch seinen Sohn gelassen und ein Brutusherz in ihm. Lebe
wohl! <line type="empty"/> <line type="break"/>
JMR Lenz
<sidenote pos="bottom" annotation="am unteren Rand der zweiten Seite">
<align pos="center">ich wünscht ich könnte den Kopf in mein innerstes Herz hineinzeichnen damit er mir zu allen Stunden
und Augenblicken gegenwärtig wäre</align> </sidenote>
<line tab="1"/>Sollte das Schicksal meinen Willen bis auf den Grad zwingen daß ich auch nicht bis Colmar
entgegen, wie denn grad die Tage kritisch sind und überhaupt ich nicht gern mehr versprechen als
halten mag so kommt doch Röderer gewiß, der kein Diener des göttlichen Worts noch; doch seine
Verhältnisse wird er Dir selbst detailliren. <line type="empty"/>
<hand ref="11"><line tab="1"/>Ich Röderer umarme Sie tausendmal und will auch itzt lernen zufrieden seyn in mancherley Fügungen
Es genese Ihr Knabe! Guter Gott erfreue einen Vater der schon manche Freude manchen denen
Kindern gemacht hat. </hand>
<page index="4"/>
<note>Adresse</note>
An Herrn
Herrn Diaconus Lavater
zu Zürich</letterText>
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<date value="Straßburg, Anfang Juni 1774" />
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Zürich, Zentralbibliothek, RP 20, Nr. 20
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