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die Extreme und Niklaus Klimm’s <aq>aut</aq> Schulmeister <aq>aut</aq> Kaiser ist eine Satire auf Ihren
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Ihnen stets ergebenen <line type="empty"/>
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Lenz. <line type="empty"/>
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Herr von Kleist befindet sich wohl und empfiehlt sich Ihnen bestens.
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Herr von Kleist befindet sich wohl und empfiehlt sich Ihnen bestens.</letterText>
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<letterText letter="15">Mein theurer Sokrates!
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<line tab="1"/>Ich umarme Sie mit hüpfendem Herzen und heiterer Stirne, um Ihnen eine Art von Lebewohl zu
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sagen, das in der That nicht viel zu bedeuten hat. Einige Stunden näher oder ferner machen, für den
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Liebhaber erschrecklich, für den Freund aber nichts. Der Erste ist zu sinnlich eine körperliche
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Trennung zu verschmerzen, der andere aber behält, was er hat, die geistige Gegenwart seines
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Freundes, und achtet die zwei Berge oder Flüsse mehr oder weniger nicht, die zwischen ihm und
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seinem Gegenstande stehen. Nur das thut mir wehe, daß ich nicht so oft werde nach Straßburg
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kommen können, indessen soll es dafür jedesmal auf desto längere Zeit geschehen. Ich denke, Sie
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werden mich nicht vergessen, meinerseits sind die Bande der Freundschaft so stark, daß sie noch
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hundert Stunden weiter gedehnt werden können, ohne zu reißen. Bis in mein Vaterland hinein – bis
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ins Capo de Finisterre<!-- Erfolgt hier ein Schriftwechsel aufgrund des Sprachwechsels? -->, wenn Sie wollen. – In Ihrem letzten Briefe haben Sie mir Unrecht gethan. Wie,
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mein liebenswürdiger Führer, ich sollte wie ein ungezähmtes Roß allen Zaum und Zügel abstreifen,
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den man mir überwirft? Wofür halten Sie mich? Ach jetzt bekomm’ ich einen ganz andern
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Zuchtmeister. Entfernung, Einsamkeit, Noth und Kummer, werden mir Moralen geben, die weit
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bitterer an Geschmack seyn werden, als die Ihrigen, mein sanfter freundlicher Arzt. Wenn ich mit
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Ihnen zusammenkomme, werde ich Ihnen viel, sehr viel zu erzählen haben, das ich jetzt nicht mehr
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der Feder anvertrauen kann. Auftritte zu schildern, die weit rührender sind, als alles, was ich jemals
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im Stande wäre zu erdichten, Auftritte, die, wenn Sie Ihnen zugesehen haben würden, Sie selbst noch
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(meinen Sokrates) zu weinen würden gemacht haben. Noch ist meine Seele krank davon. Sie sind
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mein bester Freund auf dem Erdboden, Ihnen, aber auch nur Ihnen, will ich Alles erzählen, sobald ich
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Sie spreche. Zeigen Sie diese Stelle meines Briefes, nicht meinem guten Ott – wenn er nicht noch
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Jüngling wäre, wenn er die Stufe der Weisheit erstiegen hätte, würde ich über diesen Punkt nicht
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gegen ihn zurückhaltend sein.
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<line tab="1"/>Heute komme ich von Lichtenau, aus einer sehr vergnügten Gesellschaft, in welcher ich vielleicht
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allein die Larve war. Ich will meinen Brief an Sie bis zum Ende bringen, ich erwarte heute abend noch
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einen Gnadenstoß. O lassen Sie mich, mein beschwertes Herz an Ihrem Busen entladen. Es ist mir
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Wollust zu denken, daß Sie nicht ungerührt bei meinem Leiden sind, obschon es Ihnen noch
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unbekannt ist. Denn Trennung ist nicht die einzige Ursache meines Schmerzens. – Wir wollen von
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andern Sachen reden.
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<line tab="1"/>Ich werde noch, vor meiner Abreise, einmal aus Fort-Louis an Sie schreiben und alsdann aus Landau,
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sogleich nach meiner Ankunft. Mein Studiren steht jetzt stille. Der Sturm der Leidenschaft ist zu
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heftig. Ich wünsche mich schon fort von hier, alsdann, hoffe ich, wird er sich wieder kümmerlich
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legen. In Landau will ich, so viel es mein zur andern Natur gewordenes Lieblingsstudium erlaubt, das
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<aq>Jus</aq> eifrig fortsetzen. Auf den Winter denk’ ich mit Herrn von Kleist, der sich Ihnen gehorsamst
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empfehlen läßt, einige Monate in Mannheim, einige in Straßburg zuzubringen. Wo zuerst weiß ich
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nicht. Seyen Sie so gütig und sagen es der Jungfer Lauthen noch nicht, daß ich von Fort-Louis
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weggehe, ich will es ihr, wenn ich noch einen Posttag abgewartet, selber schreiben. Das weibliche
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Herz ist ein trotzig und verzagt Ding. Leben Sie wohl bis auf meinen nächsten Brief. Ich bin von
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ganzem Herzen
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Ihr
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Sie ewig liebender <aq>Alcibiades</aq>
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J. M. R. L.
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</letterText>
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