Einpflegung von Brief 282.

This commit is contained in:
GregorMichalski
2025-01-05 21:37:14 +01:00
parent 300c3f1593
commit b3434aba1b
3 changed files with 210 additions and 0 deletions

View File

@@ -9852,6 +9852,195 @@
abzugeben im Churhut bey der Post.<line type="break"/>
in <ul>Hannover.</ul></letterText>
<letterText letter="282"><line tab="1"/>Hier theureste Freundinn die ersten zwey Scenen des ersten Akts. Ich sollte mich zu Tode schämen daß
ich auf Ihren küssenswerthen Brief so eilfertig antworten muß und noch nicht mehr von unserm Stück
mitsenden kann. Aber in der unglaublichen Zerstreuung in der ich bin, wundert es mich, daß ich noch
das habe fertigen können. Glauben Sie aber nicht, daß das Stück so ernsthaft und traurig endigen wird,
als es anfangt, denn sonst hätte ich alle Ursach zu glauben, daß es Ihnen Langeweile machen würde. <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Wenn Sie den Schluß recht lustig haben wollen so schreiben Sie mir wieder ein Brieflein kurz oder lang
wies Ihnen gelegen ist, doch so, daß ich ihn in die wilden Alpengebirge bekommen kann in die ich mich jetzt
zu vertieffen gedenke. Adressiren Sie ihn nur an Lavatern. Morgen früh reise ich ab. Als Ihr erster Brief an
mich kam war ich in Schafhausen. Herr Schlosser. hat mir gar keine nähern Umstände von der Kindtauffe geschrieben
und ich weiß nicht einmal daß ich Pate bin. So gehts mit den Männern, wenn Sie ihn sehen so schelten Sie ihn
brav aus dafür. <line type="empty"/>
<page index="2"/> <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Ich bitte doch recht sehr mirs zu schreiben wenn Ihnen eine oder die andere Stelle in diesen ersten Scenen,
weil die Fortsetzung fehlt, noch unverständlich ist. Ihr Mann kommt hier noch nicht vor, er macht den Wadrigan
und es steht bey Ihnen wen Sie zum Belmont wählen wollen. <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Schreiben Sie mir doch recht viel Neues von Ihnen von Ihren Angehörigen und Freunden von Ihrem Klavier und von
Ihrer Gedult beym auswendig lernen. Der Himmel wirds Ihnen alles wiedervergelten, der ohnedem auf Ihrer Seite ist. <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Ich also Ihr Vetter? Nun dabey solls bleiben liebe Cousine, bis ich Basler Titsch von Ihnen gelernt habe und Sie
in der Sprache besser tituliren kann. Zürich d. 2ten Junius. 77. <line type="empty"/>
<line type="empty"/>
<align pos="right">Lenz.</align> <line type="empty"/>
<page index="3"/> <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Der Schauplatz stellet die Allee eines kleinen Gartens vor, der überall mit Gebirgen eingeschlossen ist, auf denen man
in einiger Entfernung Schlösser und Landhäuser entdeckt, die an dem Fusse derselben das Ufer eines in ihrer Mitte
schlängelnden Flusses verschönern helfen.
<align pos="center"><line tab="6"/>Sophie <insertion pos="top">Detmond</insertion> tritt auf, ländlich gekleidet</align>
<line tab="5"/>Hier wär es denn wo mir dein Blick das erstemal
<line tab="5"/>Dein Mund o Wadrigan! die goldne Freiheit stahl
<line tab="5"/>Hier schien ein jedes Wort dir Zung und Herz zu brechen
<line tab="5"/>Und ich verstund dich doch. O möchtst du noch so sprechen.
<line tab="5"/>An jenem Birnbaum wars, dort in dem hohen Gras
<line tab="5"/>Wo ich in deiner Angst mein ganzes Glücke las
<line tab="5"/>Wo ist die Laube nun? wo sind die Zeugen-Bänke
<line tab="5"/>Du liessest das vergehn. O Wadrigan, ich denke
<line tab="5"/>Der Garten mag ein Bild von deinem Herzen seyn.
<line tab="5"/>Du kauftest ihn von mir als Detmont starb. Allein;
<line tab="5"/>Von dem verhaßten Lärm der Städte losgerissen,
<line tab="5"/>Ließ ich mit Wollust hier der Tochter Tränen fliessen
<line tab="5"/>Da kamst du Zauberer und trocknetest sie mir
<line tab="5"/>Und ich ein Kind ein Weib, ich ließ den Garten dir
<line tab="5"/>Zugleich mein ganzes Herz mit allen seinen Trieben
<line tab="5"/>Und wähnt es wäre Pflicht statt seiner dich zu lieben
<line tab="5"/>Und dieses Heiligthum, Gott! hätt ich das bedacht!
<line tab="5"/>Als du auf Reisen giengst, blieb in des Gärtners Macht <page index="4"/>
<line tab="5"/>Scheints doch so wie dein Herz mehr Kälte überkommen
<line tab="5"/>Als hätt die ganze Welt mit Theil daran genommen
<line tab="5"/>Wie alles fremd hier ward! Ist das der Reisen Frucht
<line tab="5"/>Ach! so bin ich ein Kind daß ichs nicht auch versucht
<line tab="5"/>Heut führst du Belmont her, du selbst hast ihn geladen
<line tab="5"/>Heut! und bist du gewiß, er könne dir nichts schaden?
<line tab="5"/>Er hält es nicht geheim daß sein zerrißnes Herz
<line tab="5"/>Bey mir nun Lindrung sucht für alter Wunden Schmerz
<line tab="5"/>Bey mir den Abgott sucht den er drey Jahr besessen,
<line tab="5"/>Der ihm entrissen ward, bey mir den zu vergessen
<line tab="5"/>Bey mir und Wadrigan Gott ihr mißhandelt mich.
<align pos="center"><line tab="6"/>Zweyte Scene.
<line tab="6"/>Belmont kommt.</align>
<line tab="6"/><ul>Belmont.</ul> So ungelegen kam kein Mensch vielleicht als ich. <!-- Wie werden Sprecherrollen formatiert, an die sich Verse anschließen? -->
<line tab="5"/>Den Tag, der Sie gebar, im Stillen zu begehen
<line tab="5"/>Die feyrende Natur darüber froh zu sehen
<line tab="5"/>Begaben Sie sich her und ich
<line tab="6"/><ul>Sophie</ul>
<line tab="5"/>Sie stöhren nichts
<page index="5"/>
<line tab="6"/><ul>Belmont.</ul>
<line tab="5"/>O! wenn mir das Herz genug Ihr Mund versprichts.
<line tab="5"/>Der zauberischste Mund der jemals hintergangen:
<line tab="5"/>O fühlten Sie, was solch ein Wörtlein aufzufangen
<line tab="5"/>Was das zuweilen ist: Ich stöhre nichts? Wohlan
<line tab="5"/>Das übersetz ich mir daß ich noch hoffen kann
<line tab="5"/><ul>Sophie.</ul> Mein Herr! Sie dauren mich. Würd ich Sie minder schätzen<!-- Wie werden Sprecherrollen formatiert, an die sich Verse anschließen? -->
<line tab="5"/>Würd michs nicht ängstigen daß Sie falsch übersetzen
<line tab="6"/><ul>Belmont.</ul> (mit Heftigkeit)
<line tab="5"/>Falsch?
<line tab="5"/><ul>Sophie</ul> Sie verstehen mich nicht
<line tab="6"/><ul>Belmon.</ul> (die Hand auf das Herz)
<line tab="5"/>Falsch?
<line tab="6"/><ul>Sophie</ul>
<line tab="5"/>Unrecht Herr Belmont
<line tab="6"/><ul>Belmont.</ul>
<line tab="5"/>Du Engel höre mich (knieend)
<line tab="6"/><ul>Sophie.</ul>
<line tab="5"/>Das bin ich nicht gewohnt.
<line tab="5"/>Ich bitte stehn Sie auf es könnte jemand kommen
<line tab="5"/>Ich muß hinein (sie will gehen, Belmont faßt sie flehend an der Hand)
<line tab="5"/><ul>Belmont</ul> Sie gehn? (Sophie ergibt sich zu bleiben)
<line tab="5"/>Sie haben wahrgenommen <page index="6"/>
<line tab="5"/>In meinem düstern Blick vermuthlich was mein Herz
<line tab="5"/>So schlecht verhehlen kann, nur halb geheilten Schmerz
<line tab="5"/>Sie haben recht gesehn und weil Sie mein Gewissen
<line tab="5"/>So reitzend aufgeweckt
<line tab="5"/><ul>Sophie</ul> Mein Herr
<line tab="5"/><ul>Belmont.</ul> Sie müssens wissen
<line tab="5"/>Das letzte, ärgste, was, vor Gott sey es gesagt
<line tab="5"/>Von meinen Lippen sich noch nie herabgewagt
<line tab="5"/>Was ich bewundernswert sind die Sophistereyen
<line tab="5"/>Des Herzens doch, mir selbst nie wagte zu erneuen
<line tab="5"/>Was ich mir selbst verbarg, gleich Fieberträumen ich
<line tab="5"/>Nur Ruckweis wiedersah unkenntlich fürchterlich
<line tab="5"/>Vor deinem Blick allein, mein Schutzgeist darf ich trauen
<line tab="5"/>Das Schreckenbild davon noch einmal anzuschauen
<line tab="5"/>Ein sanftes Wort von dir erhält mich
<line tab="6"/><ul>Sophie</ul> (bey Seite)
<line tab="5"/>Wie michs quält
<line tab="5"/>Sein Selbstbetrug! und doch, wenn er sein Leid erzählt
<line tab="5"/>Erleichtert sichs vielleicht. Ich wünscht ich dürft es wagen
<line tab="5"/>Ihm meine Freundschaft, rein von Liebe, anzutragen
<line tab="5"/>Wenn du nur Wadrigan! mir nicht zu sicher wärst
<line tab="5"/><ul>Belmont.</ul>
<line tab="5"/>Es scheint Vollkommenste! du seyst gerührt, du hörst <page index="7"/>
<line tab="5"/>Theilnehmend Martern selbst die du nicht angerichtet
<line tab="5"/>O du, weit über das, was ich mir je erdichtet
<line tab="5"/>O du selbst über die, die ich so treu geliebt
<line tab="5"/>Sprich, ob zu meinem Leid es noch ein Beyspiel giebt
<line tab="5"/>Ein Freund, die Seele mir der glücklichsten Momente,
<line tab="5"/>Der Firniß der sie hob für den ich sterben könnte
<line tab="5"/>In manchem Augenblick noch itzt der Freund stiehlt mir
<line tab="5"/>Mein höchstes Gut nach ihm, ein Herz, Sophie gleich dir
<line tab="6"/><ul>Sophie.</ul>
<line tab="5"/>Aufrichtig Belmont! wer hieß Sie mir das erzehlen?
<line tab="6"/><ul>Belmont.</ul> (ohne zu antworten)
<line tab="5"/><insertion pos="left">Ein Herz und </insertion> <del>Ach du war</del> ein Gesicht, um seelig uns zu quälen.
<line tab="5"/>Unglaublich schröcklich ists wie ähnlich Sie sich sind
<line tab="5"/>Ich sah Sie jenen Tag mit Ihrer Schwester Kind,
<line tab="5"/>Sie hielten es im Schooß und lächelten drauf nieder
<line tab="5"/>Es schoß mir durch das Mark, ich sah mein Fannchen wieder
<line tab="5"/>So sang, so schmeichelte sie unsern Franz in Ruh
<line tab="5"/>Als ich noch Vater war. Gott!
<line tab="6"/><ul>Sophie.</ul>
<line tab="5"/>Und wie gieng es zu
<line tab="5"/>Daß Sie es nicht mehr sind?
<line tab="6"/><ul>Belmont</ul>
<line tab="5"/>In Canadas Gefilden
<line tab="5"/>Sah ich mein Weib zuerst, ein Seraph unter Wilden <page index="8"/>
<line tab="5"/>Der Gouverneur des Orts, mein einzger Umgang, war
<line tab="5"/>Der tugendhafte Freund
<line tab="6"/><ul>Sophie</ul> (mit Erstaunen)
<line tab="5"/>Der Gouverneur?
<line tab="6"/><ul>Belmont</ul>
<line tab="5"/>Barbar
<line tab="5"/>Im trunknen Augenblick der Lust selbst must du fühlen,
<line tab="5"/>Daß du ein Teuffel bist
<line tab="6"/><ul>Sophie</ul>
<line tab="5"/>In Canada?
<line tab="6"/><ul>Belmont</ul>
<line tab="5"/>O spielen
<line tab="5"/>Sie nicht die Spötterin, ich bin gequält genug
<line tab="6"/><ul>Sophie</ul> (ihm mit Feuer um den Hals fallend)
<line tab="5"/>Mein Bruder
<line tab="6"/><ul>Belmont</ul>
<line tab="5"/>Göttliche, Sie ziehn zurück? was schlug
<line tab="5"/>An meinem Busen denn
<line tab="6"/><ul>Sophie</ul>
<line tab="5"/>Ich bitte Sie, verlassen
<line tab="5"/>Sie mich Ich kann mich noch, kann alles das nicht fassen
<line tab="6"/><ul>Belmont</ul> (ihre Hand an die Lippen drückend)
<line tab="5"/>Wie tröstend
<line tab="6"/><ul>Sophie</ul>
<line tab="5"/>Gehen Sie, dort kommt Herr Hackly <page index="9"/>
<line tab="6"/>Dritte Scene
<align pos="center">Hackli zu den Vorigen.<line type="break"/>
Hackli, Belmonten, der in der feurigsten Entzükung Sophiens Hand küßt, von hinten zu auf die
Schultern schlagend.)</align><line type="break"/>
<line tab="5"/>So?
<line tab="5"/>Das geht ja Extrapost. Glück zu! Bravissimo
<line tab="5"/>Wie steht das Leben sonst? ists Reislein wohl bekommen
<line tab="5"/>Sie sind doch in der Zeit was Rechts herumgeschwommen;
<line tab="5"/>Nun unser Bardolft auch. Vergangne Freytag Nacht
<line tab="5"/>Hat er uns den Bachat zum letzten Stich gebracht
<line tab="5"/>Der ihre Schwester da, er kam mit seinem Vetter
<line tab="5"/>Den Weg und nahm sie mit von ihrer Tante. Wetter!
<line tab="5"/>Das war ein Anblick Herr! Der Willkomm. Ja wer heißt
<line tab="5"/>Euch Fratzen denn, daß ihr, wenn so was trifft, verreist.
<line tab="5"/>Ihr wißt das Kind, das ich einst mitnahm von der Tante
<line tab="5"/>Ihr Knab, was meynt der Herr ob sie der Bub erkannte?
<line tab="5"/>Ich schwör es ihm zu Gott, wie sie zur Stub eintrat
<line tab="5"/>Ha Mutter Mutter riefs (er präsentiert Belmont die Tobacksdose) Warhaftig in der That! </letterText>
</document>
</opus>

View File

@@ -4234,5 +4234,20 @@
<isDraft value="false" />
</letterDesc>
<letterDesc letter="282">
<date value="Zürich, 2. Juni 1777" />
<sort value="1777-06-02" />
<location ref="11" />
<senders>
<sender ref="1" />
</senders>
<receivers>
<receiver ref="79" />
</receivers>
<hasOriginal value="true" />
<isProofread value="true" />
<isDraft value="false" />
</letterDesc>
</descriptions>
</opus>

View File

@@ -1756,5 +1756,11 @@
</app>
</letterTradition>
<letterTradition letter="282">
<app ref="4">
Basel, Staatsarchiv, PA 212 F 11, 27, 10, Nr. 3a; PA 212 F 11, 27, 10, Nr. 3b
</app>
</letterTradition>
</traditions>
</opus>