Einpflegung von Brief 75

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GregorMichalski
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Jacob Michael Reinhold Lenz. <line type="break"/>
Ich bitte um baldmöglichste Antwort.</letterText>
<letterText letter="75">Den 5. Oct. 1775. <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Lenz! Du bist n braver Junge! Lieb Dich noch n mahl mehr seit den Wolken; kanns aber doch nicht
finden, daß Du durch <ul>Ungerechtigkeit</ul> gerecht handelst! .. und dann denken wir von <ul>Wieland</ul>
verschieden. Ich hab ihn noch nicht gesehn; also behalt ich mir Urtheil vor. Hätt ich ihn <ul>gesehn,</ul>
spräch ich ab. Hast Du ihn gesehn, gelte Dein Urtheil. Ich hab ihn wohl gesehn vor 20. Jahren;
aber das war nichts. Ich halt ihn für das Reizbarste, wankelmüthigste Geschöpfe, aber für
keinen Heuchler; keine Schlange. wär ers hohl ihn der Schlangenzüchter! Bitte, lieber
Lenz kämpfe, aber kämpfe mit wahrheit, und unterdrüke das Gute nicht! Hierauf hast Du mir
nicht geantwortet. Sey so strenge Du sein willst; nur sey nicht <ul>ungerecht.</ul> Kann ich lieber,
weniger sagen? <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Ich habe Paßavanten noch nicht gesehen. Aber ich weiß zum voraus, daß er noch gerechter ist, als
ich. Er wird die Wolken nicht zum Druck befördern. Das weiß ich. Thut Ers, mag er! Ich bin rein. <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Kannsts läugnen, Bruder, daß W. unendlich viel um den deutschen <ul>Geschmack</ul> verdient hat. Und ist
<ul>Geschmack</ul> nicht <ul>Glückseligkeit?</ul> Sollst ihn nicht bessern, wenn Du ihn unverbeßerlich glaubst; aber
sollst ihn auch nicht mit Füßen treten, der doch, hab er geschadet, so viel er will, so viel genützt hat,
und so viel hat nüzen <ul>woIlen.</ul> Wielanden fürcht ich nicht. Würd ers in meinem Sinne verdienen, und ich
hielt ihn für unverbeßerlich; # Ich will Wielanden nicht schonen; aber ich will nicht ungerecht
seyn. Du hast Macht über Dein Mspt. Du sollst Deine eigne Wege haben. Habe sie, und handle nicht nach
den unsrigen! Aber handle gerecht! Du sollst nicht denken, wie ich aber Du sollst Dich, wenn Du
strafest, zehnmal fragen: „Straf ich nicht ungerecht?“ Handle; Ich bin Dein Richter nicht. Ich will
Dich nicht verdammen. Aber freundschaftlich will ich Dir weißagen: „Du bereusts, <ul>wenn die Wolken
gedruckt werden!“</ul> <line type="empty"/>
<sidenote pos="bottom" page="1" annotation="am unteren Rand">
# ich ließ die Wolken druken.</sidenote> <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Wielanden send ich sie nicht, ohne Deine Erlaubniß; obgleich tausend gegen Eins wette, daß
Wieland, der Schriftsteller dadurch gebessert, und Wieland der Mensch nicht verschlimmert würde. <line type="empty"/>
Dank für Herders Brief und die Nachricht. <line type="empty"/>
Schreibst Du auf Erfurt, so laß Dir den <ul>Abraham</ul> senden. Nun kommts bald an den II. Teil der
Physiognomik. <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Stollberg hat mir die Schweizerlieder vollenden geholfen. Nun noch geistliche Lieder. Dann noch
eine kleine Reise auf Marschlins. Dann verschlossen in die Physiognomik. Inzwischen <line type="empty"/>
<note>Auflösung der Hieroglyphen, vgl. Haustein, Jens: Jacob Michael Reinhold Lenz als Briefschreiber. In: Stephan/Winter 1994, S. 337-352, hier S. 349 >
Inzwischen Plan zu grossen allgegenwärtigen Würkungen</note>. <line type="break"/>
Lindau hab ich angeworben. <line type="break"/>
Stolbergs werd ich anwerben. <line type="break"/>
Dein Brief an Kayser treflich! <line type="break"/>
Röderers Schuldner bin ich noch immer. Adieu. <line type="empty"/>
<ul>J. C. L.</ul></letterText>
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<date value="Zürich, Oktober 1775" />
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Zürich, Zentralbibliothek, FA Lav. Ms. 572, Nr. 22, zg. Abschrift
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