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@@ -545,39 +545,32 @@ Tarwast den 9ten November 1767.
<line type="break" /><align pos="right">Lenz.</align>
</letterText>
<letterText letter="27">Landau d. 10ten Dec. 1772.
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<letterText letter="27"><align pos="right">Landau d. 10ten Dec. 1772.</align>
<line tab="1"/> Der Ausdruck in einem Briefe an meinen Bruder, mein Glück mag ewig in Dämmerung liegen bleiben, ist mir leid: doch hab ich nur damals an das zeitliche Glück gedacht und dieses braucht freilich nicht zu glänzen und kann dennoch solid seyn.
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<line tab="1"/>Dass ich mir auch selber wohl viele Leiden zugezogen, gestehe ich gerne, und wer sollte wohl so weislich handeln, dass er nie erst durch Erfahrung nöthig hätte klug zu werden. Die Liebe eines in der That liebenswürdigen Frauenzimmers kann ich aber keine Klippe nennen, an der meine Tugend Gefahr gelaufen. Soviel ist richtig, dass die Klugheit will, dass ein Reisender sein Herz auch vor der reinsten Leidenschaft verwahre, und das war der Rath meines Mentors, meines weisen Salzmanns, für den ich keine Bewegung meiner Seele geheim hielt. Schade, dass er diese zu spät erfuhr, denn das kann ich nicht leugnen, dass sie bei aller ihrer Süßigkeit, ihre Bitterkeiten hat. Unglücklich aber macht sie mich nicht und soll auch in dem Plan, den die gött· liche Schickung mir zu durchlaufen vorgezeichnet hat, nichts verändern, sollte gleich die Wunde, die sie in meiner Seele zurückgelassen, unheilbar seyn.
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<line tab="1"/>Wie traurig ist es für mich, dass ich Ihren Vorschlag, ungesäumt ins Land zu kommen, nicht so· schnell vollziehen kann, als es Ihr Vaterherz zu wünschen scheint. Aber Sie schreiben mir, Sie wünschten mich vor Ihrem Ende noch zu sehen und zu seegnen haben Sie denn nur einen Seegen, mein Vater? Ich hoffe zu Gott, dass er Ihr und meiner besten Mutter Leben noch eine Weile fristen wird. Meine Verbindungen mit den Herrn von Kleist sind von der Art, Dass ich den eigentlichen Zeitpunkt meiner Zurückkunft nicht bestimmen kann. Der älteste besonders will nichts davon hören, dass ich ohne ihn heimreise. Sie werden mir vergeben, Dass ich über diesen Punct ein Stillschweigen beobachte das ich für meine Pflicht halte. Noch einmal aber bitte ich Sie, sich über mein Schicksal und meine gegenwärtigen und zukünftigen Umstände, keine vergebliche Unruhe zu machen.
<line type="empty"/>
<line tab="1"/>Dem guten Herrn Pastor Müthel danke ich für das schmeichelhafte Zutrauen, das er in mich zu setzen beliebt. Er könnte sich aber auch vielleicht irren, wenn er zu viel Gutes von mir erwartete. Wenn ich im Lande wäre, sollte mich nichts abhalten, so freundschaftliche und vorteilhafte Anträge anzunehmen. So lange das aber nicht ist, wird er die Bildung seines Sohnes dem überlassen, der ihn erschaffen und auch die unscheinbarsten Mittel zu seinen ewig nothwendigen Zwecken anzuwenden weiß. Versichern Sie diesen mir so werthen Mann übrigens von meiner ganzen Hochachtung, und sagen ihm, Dass ich nicht ohne Widerspruch meines Herzens, welches in schöner Uebereinstimmung mit dem seinigen, gern für seinen Sohn voll süßer, kleiner Sorgen klopfen möchte, seinen Vorschlag ablehne. Andere Sorgen fordern dieses Herz, die sich freilich nicht so durch sich selbst belohnen, wie jene wohl tun würden. Kann ich aber in der Folge der Zeit irgend etwas beytragen seine Wünsche zu befördern, so will ich es mit Freuden thun.
</letterText>
<letterText letter="28">
<line tab="1"/>Mein Schatten soll Ihnen Rö schiken ich bin froh mich Ihnen als Physiognom nur im Profil zeigen zu dürfen, von meinem Brustbild machte Ihnen die <aq>Güte Ihres Herzens</aq> eine viel zu vortheilhafte Zeichnung. Dafür bin ich aber Herz genug gewesen, das Ihrige an meine Lippen zu drüken u: einen Wunsch gen Himmel zu schiken, den Mann von Angesicht zu sehen, mit dem ich einen Briefwechsel scheüe, bis ich ihn inniger u: vertrauter führen kann das heißt bis Ihre <aq>gute</aq> Meynung von mir nicht mehr Vortheil ist.
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<line tab="1"/>Mein Schatten soll Ihnen Rö schiken ich bin froh mich Ihnen als Physiognom nur im Profil zeigen zu dürfen, von meinem Brustbild machte Ihnen die <aq>Güte Ihres Herzens</aq> eine viel zu vortheilhafte Zeichnung. Dafür bin ich aber Herz genug gewesen, das Ihrige an meine Lippen zu drüken u: einen Wunsch gen Himmel zu schiken, den Mann von Angesicht zu sehen, mit dem ich einen Briefwechsel scheüe, bis ich ihn inniger u: vertrauter führen kann das heißt bis Ihre <aq>gute</aq> Meynung von mir nicht mehr Vortheil ist.
<line tab="1"/>Ich bin den Armen eines Vaters entschlüpft, der so redlich dachte als Sie, obgleich nicht so aufgeklärt. Seyen Sie mein Vater! Lenz.
</letterText>
<letterText letter="29">
<line tab="1"/>Hören Sie liebster Papa! ich habe eine Schrift von Ihnen gelesen die den Tittel führt … Keine Versöhnung geschieht ohne Blutvergießen ich sag Ihnen nichts von den schönen Sachen die ich drin gefunden selbst die Hauptidee die vielleicht manchen kalten Grübler erwärmen aber mir gefällt es nicht, daß Sie unsern Gott wollen sterben lassen, weil es so seyn muß und in dem ganzen Naturreich alles Leben durch Tod eines andern erhalten werden muß
<line type="empty" />
<line type="break" />Wie wär es, wenn wir den Tod Christi vielmehr als ein Symbol und Vorbild von den Erfolgen unsrer Mor oder Immoralität ansähen? Die Idee ist apostolisch, das weis ich, zweyten Thessalonicher lesen Sie nur. Christus war Gesetzgeber mehr durch sein Leben und Thaten als durch seine Worte. Er heilte Kranke mit seinem Athem, mit seinem Anrühren (hier kommen Sie mir zu Hülfe) alles symbolisch, ich bin der Herr dein Arzt nennt er sich im 2 Buch Mose und <gr>ίησουσ</gr> in den Evangelisten. Heißt: folgt ihr meinen Gesetzen voll Liebe, so verlieren sich, verschwinden alle Krankheiten Cörpers und Geistes (merken Sie wohl die unsaubern Geister) jenachdem ihr meinem Cörper <ul>homogener</ul> werdt (siehe Lavater)
<line tab="1"/>Wie wär es, wenn wir den Tod Christi vielmehr als ein Symbol und Vorbild von den Erfolgen unsrer Mor oder Immoralität ansähen? Die Idee ist apostolisch, das weis ich, zweyten Thessalonicher lesen Sie nur. Christus war Gesetzgeber mehr durch sein Leben und Thaten als durch seine Worte. Er heilte Kranke mit seinem Athem, mit seinem Anrühren (hier kommen Sie mir zu Hülfe) alles symbolisch, ich bin der Herr dein Arzt nennt er sich im 2 Buch Mose und <gr>ίησουσ</gr> in den Evangelisten. Heißt: folgt ihr meinen Gesetzen voll Liebe, so verlieren sich, verschwinden alle Krankheiten Cörpers und Geistes (merken Sie wohl die unsaubern Geister) jenachdem ihr meinem Cörper <ul>homogener</ul> werdt (siehe Lavater)
<page index="2"/>Das ist gelallt. Uebersetzen Sie es in Männersprache.
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<line type="break" />Ich küsse Ihnen die Hand für den Februar und bitte um weiters.
<line type="break"/>Adieu Adieu
<line type="empty" />
<line tab="1"/>Ich küsse Ihnen die Hand für den Februar und bitte um weiters.
<line tab="1"/>Adieu Adieu
<line type="break" /><align pos="right">JMR Lenz</align>
</letterText>
<letterText letter="30">Hier, meine liebe Freunde <aq>Lenke</aq> und <aq>Röderer</aq> den März. April ist nich nicht gemacht. Habt ihr <aq>Herders älteste Urkunde des Menschengeschlechts</aq>, so lest miteinander, und sättigt Euch, und wärmt euch an der Morgensonne. Ach! daß er mir mein tiefster Wunsch so gut würde, dieß Jahr Euch auch nur eine Stunde zu sehn Lebet und leidet, und liebt!
<letterText letter="30">Hier, meine liebe Freunde <aq>Lenke</aq> und <aq>Röderer</aq> den März. April ist noch nicht gemacht. Habt ihr <aq>Herders älteste Urkunde des Menschengeschlechts</aq>, so lest miteinander, und sättigt Euch, und wärmt euch an der Morgensonne.
<line tab="1"/>Ach! daß er mir mein tiefster Wunsch so gut würde, dieß Jahr Euch auch nur eine Stunde zu sehn Lebet und leidet, und liebt!
<line type="empty" />
<line type="break" />L.
<line type="break"/>Den 22. April 74.
<line type="break" /><align pos="right">L.
<line type="break"/>Den 22. April 74.</align>
</letterText>
<letterText letter="31">