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@@ -6123,7 +6123,7 @@ einbrechenden Schimmer des Tags verstecken konnte machte ich den Schattenriß. D
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<line tab="1"/>Ihre geneigte Zuschrift habe schon durch verschiedene Gelegenheiten beantwortet, aber noch nicht die mindeste erfreuliche Nachricht von Ihrem uns allen so theuren Befinden weder durch meine lieben Geschwister noch durch sonst einen Freund erhalten können. Wie glücklich wäre ich, wenn der Herr Pastor Gerzimsky mein würdiger Seelsorger und Beichtvater, der mir diesen Einschlag in seinen Brief erlaubt, ein. Bewegungsgrund mehr wäre, mich aus der quälenden Unruhe dieser Unwissenheit durch einige gütige Zeilen zu reissen. Sie haben die Güte gehabt, mich an den Herrn Past. Brunnerund an dessen Verwandte und Freunde, die Herren Mahler und Kaufmann zu adressieren, welche, da Me. Exter ihre Behausung verändert, jetzt meine Nachbarn sind. Darf ich es aber wagen, theurester Vater! da Sie die Güte gehabt, mir vierteljährig aus Ihrer Väterlichen Milde eine kleine Zulage von 25 Rubeln zu versprechen (welche 30 ich schon einmal durch den H. Past. Bruner erhalten) Sie gehorsamst zu ersuchen, selbige diesesmal an meinen Beichtvater, den Herrn Past. Gerzimsky zu adressiren. Die Ursachen, so mich dazu nöthigen, sind folgende. Erstlich hat dieser würdiger Mann* <fn index="3"><anchor>*</anchor></fn> sowohl als der Herr Past. Bnmner, sich viele Mühe gegeben, meinem lieben Bruder in Derpt Subscribenten zu seinen geistlichen Reden zu verschaffen, unter welchen sich sogar verschiedene einsichtsvolle Personen von dem hiesigen Russischen Adel befinden. Mit vieler Beschämung muß ich Ihnen hier den Namen eines Major von Tschagin nennen, welcher so wie verschiedene hiesige vornehme Russen sich mehrere Jahre in Deutschland aufgehalten und da er Sprache und Sitten genau kennt, mir vielen Eiffer bezeugt hat, diese Reden zu lesen. Dieser würdige Gönner, der mich schon mehrere Jahre lang unverdienterweise mit Rath und That unterstützt hat, steht durch seine Schwester in Verwandschaft mit ihrer Erlaucht der Direktrice der Akademie der Wissenschaften. Der wenige Unterricht, den ich seinen Kindern gegeben, hat ihn zu meinem Freunde und Beschützer gemacht und ich weiß das viele Gute das dieser Menschenfreund mir, besonders als ich mit Sprache und Sitten allhier noch völlig unbekannt war, durch nichts als ein eyfriges Gebeth für sein Wohlseyn zu erwiedern; besonders da sein Beyspiel mehrere ädle Russen veranlaßt hat, sich meiner nicht bloß als eines Fremden, sondern mit Patriotischer Wärme anzunehmen.<fn index="4"><anchor>**</anchor></fn> Die zweite Ursache ist, daß Herr Rektor Lau (ein ehemaliger Universitätsfreund des Bruder in Derpt) bei der deutschen Schule, die unter der Aufsicht des Herrn Past. Gerzimsky steht, das fürtrefliche Elementarwerk des Herrn Basedow mit Kupfern besitzt, und mir dasselbige erst kürzlich, da wir das Glük hatten daß Sr. Durchl. der Graf v. Anhalt, der Mäzen aller Erziehungsanstalten in Rußland, hier durchgiengen, nicht allein sehen lassen sondern auch sich willig findet, mir dasselbe um einen billigen Preiß ganz abzustehen. Könnte ich, theurester Vater! Ihr gütiges Geschenk wohl besser anwenden, als
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<page index="2"/>durch den Ankauf eines Buchs, das mir gleichsam erst jetzt meine erste Moralische Existenz bei einer Erziehungsanstalt giebt, da es nicht bloß für Eleven, sondern hauptsächlich für diejenigen verfasset ist, die sich mit der Bildung derselben beschäftigen. Kann ich der <ul>rechtschaffenen Dame</ul> in deren Anstalt ich mich betinde, und die mir erst kürzlich von neuem versprochen für meine Equipage Sorge zu tragen, dieser Dame, deren Vorsorge für 90 Eleven und 19 Lehrer, ihr noch Zeit übrig läßt für mich so freundschaftlich zu sorgen als etwa meine Schwester <ul>Möritzin</ul> thun würde, meine Achtung und Erkenntlichkeit besser bezeugen, als wenn ich ihr dieses Buch anbiethe und die Erklärung desselben bei einigen unserer jüngsten und liebenswürdigsten Pensionärs deren Eltern uns mit Gewogenheit überhäuffen, selbst übernehme. Ich bin so glüklich gegenwärtig einige um mich zu haben, deren Eltern mit Personen, die die höchsten Würden in unserm Senat einnehmen in Verwandschaft stehen welchen ich mich sonst auf keine Weise nützlich zu machen oder zu empfehlen weiß. Zugleich halte es für meine Pflicht, da ich nicht im Vermögen bin, Me. Exter Geschenke zu machen, ihr für alles Gute das sie mir seit vier fünf Jahren in Moskau erwiesen, wenigstens meine Bereitwilligkeit zu zeigen, auch mein Scherflein zu dem Allgemeinen Besten, für welches ihre Anstalt eingerichtet ist, auf eine oder die andere Art beizutragen. Wollte Gott, es könnte ein Senfkörnlein seyn, unsern jungen Adel bei seinen anderweitigen liebenswürdigen Eigenschaften, ein wenig <ul>Liebe zum Detail</ul> alles dessen was zum Menschlichen Leben gehört einzuflössen und ihnen zu fühlen zu geben, daß der allergeringste Mensch, wenn wir seine Fähigkeiten recht zu lenken wissen, wenn wir wissen, wie wir ihn beschäftigen dürfen und sollen, uns unaussprechlich nützlich seyn kann. Ich habe das unnennbare Vergnügen, diese Gesinnungen schon hier an einem jungen v. Wiäsemsky und andern vornehmen jungen Herrschaften von seinem Alter (worunter sich auch ein junger Fürst Gagarin befindet) zu entdecken: es fehlt nur noch an der <ul>Kenntniß</ul> der Mittel, sie <ul>dermaleinst,</ul> zur Hoffnung unsers gemeinschaftlichen Vaterlands, in Ausübung zu setzen.
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<sidenote pos="left" page="1" annotation="am linken Rand der ersten Seite, vertikal"><fn index="3"><anchor>*</anchor></fn> Der auf der Nachbarschaft des H. Brunners wohnt und mit ihm ein Herz u eine Seele ist
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<sidenote pos="left" page="1" annotation="am linken Rand der ersten Seite, vertikal"><fn index="3"><anchor>☓</anchor></fn> Der auf der Nachbarschaft des H. Brunners wohnt und mit ihm ein Herz u eine Seele ist
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<sidenote pos="bottom" page="1" annotation="am unteren Rand der ersten Seite, horizontal"><fn index="4"><anchor>**</anchor></fn> Unter diesen muß ich besonders zwei junge Verwandte des Grafen von Soritsch zählen, welche, da sie schon einige Jahre vor mir in dieser Anstalt gebildet worden mit dem Sohn der Me. Exter eine <ul>ädle</ul> Freundschaft errichtet und deren Onkel in einer der wichtigsten Angelegenheiten des Staats eine wichtige Rolle gespielt. Imgleichen einen teutschen Obristen, der von Petersburg hieher gekommen und seinen Reisegesellschafter bei uns eingeführt.</sidenote>
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<line tab="1"/>Ist es wahr, theurester Vater! daß Sie die Güte für mich gehabt, durch Herrn Hartknoch von hier eine Russische Bibel nach Riga zu verschreiben. Ich hatte eine herzliche Freude darüber, weil ich überzeugt war, daß Sie in derselben Ihr Bild finden würden; so wie es so viele ädle Russen, die auch an meinem Schiksal einen Menschenfreundlichen Anteil zu nehmen würdigen, darinne finden. Darf ich doch bitten Herrn Hartknoch gelegentlich gütigst
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