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Einpflegung vom französischen Brief 232 und Übersetzung.
This commit is contained in:
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Kraków, Biblioteka Jagiellońska, Lenziana 5, Nr. 28
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<line tab="1"/>Sie sprechen davon, mich meiner Einsamkeit zu entreißen – und geben mir dafür
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ebenso beredte Gründe an. Haben Sie, Madame! als Sie diese Zeilen schrieben,
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auch bedacht, welchen Eindruck sie auf mich machen würden? Auf mich, der keine
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andere Erleichterung von den Übeln, die mich niederdrücken, kennt, als diese vor
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dem Universum zu verstecken. Warum mich ans Licht zwingen, um dort eine abscheuliche
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Rolle zu spielen, selbst Menschen gegenüber, an denen mein Herz früher größten
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Anteil nahm. Es ist unmöglich, Ihnen die ganze Tragik meiner Lage zu erläutern,
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Sie werden etwas davon aus der Widersprüchlichkeit all meiner Handlungen
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erraten, obgleich meine verderbten – Sie mögen mich für ebenso verderbt
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halten – Empfindungen sich niemals darauf reduzieren lassen, dass sie sich
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widersprechen. Geben Sie zu, dass es nichts Grausameres gibt, als gegen sein
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Herz zu handeln; ich bin aber durch die Taten eben der Personen dazu gezwungen,
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die sich früher meine Freunde nannten und die unter diesem Vorwand meinen, sich
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alles gegen mich erlauben zu können. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Verraten Sie mich, falls Sie darin etwas finden, das Ihre Liebe zur Wahrheit und
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Ihren Hass auf das Laster befriedigt, den ich Ihnen persönlich verkünde verschaffen
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Sie sich dieses Vergnügen der großen Seelen, dazu beizutragen, dass die eine über
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den anderen triumphiert, vor allem bei so glänzenden Gelegenheiten, bei denen der
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Eifer, die eine gerettet und den anderen zerstört zu haben, Ihnen als Trophäe beim
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ganzen Publikum und vielleicht sogar der Nachwelt dienen wird. Ich liefere Ihnen
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die Waffen dazu, ich öffne Ihnen mein Herz. Ich erkläre mich für schuldig an all den
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Streichen, wegen derer Sie mir am letzten Abend so heftige Vorwürfe machten, ich
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werde Ihnen sogar nichts weniger als einen Wandel meines Verhaltens erklären, ich
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werde es standhaft beibehalten, solange die Gründe, die mich dazu zwingen, nicht
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verschwinden wollen. Sie sollten sich also hüten, mir eine Gelegenheit zu liefern,
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unter dem äußeren Schein von Unschuld und Redlichkeit Unheil anzurichten. Ich flehe
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Sie an, warum soll ich mich am Hof produzieren? Warum mir so reizvolle Anblicke
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eröffnen, wenn ich dazu entschlossen war, auf dem Land zu bleiben. Warum Anstoß bei
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Personen erregen, die mich bis jetzt vom Hofe fernhalten wollten, um vor meinen
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kleinen Tricks und Streichen sicher zu sein? Die, um meinen Streichen zuvorzukommen
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oder vielleicht um mich zu bessern, all ihre Geringschätzung aufgeboten haben, kleine
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Tricks ihrer Art, oft noch feiner oder wenigstens besser versteckt, freundlicher und
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besser angebrachter Spott, und die meine gefällige Aufheiterung ihrer Mattheit offen
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gesagt von Herzen ausgenutzt haben. Ich habe mit ihnen Blindekuh gespielt und aus zu
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großer Freundschaft zu mir haben sie vergessen, dass ich mir die Augen selbst verbunden
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habe und versuchen, wenn auch vergeblich, sie mir noch zu fesseln. Es ist nur natürlich,
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dass nichts ihrem Stolz, auf den ich keine Rücksicht mehr nehmen werde, mehr schmeicheln
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kann. Es ist leicht vorauszusehen, dass dieser Verhaltenswandel ihnen kaum zusagen wird,
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nachdem ihnen mein bei der Ankunft vorgetäuschtes Verhalten so viel Vorteil verschafft hat.
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Ich kann dieses Verhalten jedoch keinesfalls fortsetzen, obwohl ihre Freundschaft mich
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davon überzeugen will und welche Ehre ich auch darin setze, einem Hof zu gefallen, der
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gerade die Blicke ganz Deutschlands und sogar unserer Nachbarn auf sich zieht, ich habe
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Ehrgeiz genug, nicht mehr den Spaßvogel zu geben. Mit diesen Gefühlen kann ich mich nicht
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zurückhalten, dort eine neue Laufbahn zu beginnen.</app>
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