This commit is contained in:
gbabelo
2025-11-27 16:24:41 +01:00
parent 9a401963bd
commit 634d7c7117

View File

@@ -479,6 +479,7 @@ darf den Bogen nicht zu hoch spannen, weil er dir in d. Noth geholfen p. Du hast
<line tab="1"/>Meine Geschäfte, deren eine ungeheure Menge ist, laßen mir nicht Zeit, mehr zu schreiben. Ich wünsche, daß dieser Brief zu Dir komme. Doch aus Deinem Briefe sehe ich, daß meine Briefe immer angekommen sind. Aber die Deinigen ein feindseeliger Dämon läßt Sie nicht zu mir. Dieß war der erste, wer weiß wie lange ich wieder werde schmachten müßen. Ein froher Tag wird es seyn, wann wieder ein Brief von Dich kömmt. Unser leichtsinniger Freund <aq>Begau</aq> hat alle Einlagen an Papa u. an mich, ich weiß nicht wo gelaßen. Er ist in Curland in Condition u. hat seinen Vater verloren. Genung für dießmahl. Lebe wohl. Der Himmel erfülle die Wünsche, die die wärmste, feurigste Zärtlichkeit eines Bruders für Dich thut. Es ist um desto schmertzhafter, daß die besten Hertzen nicht die glücklichsten sind, weil ihrer so wenige sind. Ich umarme Dich. Wie kalt ist diese Umarmung! O Gott! wenn wird sie würklich werden. Wie dunkel ist die Zukunft unsrer Schicksale! Eine Anlage die ich immer zur Melancholie gehabt, macht mich traurig, und beklemmt <del>mich</del>, wenn ich an eine so große Entfernung denke, u. <insertion pos="top">an</insertion> alle Möglichkeiten, alle die <aq>Fantomes</aq> die sich schaarenweise einer aufgebrachten Einbildung vordrängen. Wenn wird dieser frohe Tag kommen? Oder wird er jemals kommen? Wozu der Vorwitz? Die Wege der Vorsehung führen uns am besten. Und noch ein Lebewohl, ein Abschieds-Kuß, eine wollüstige kleine Thräne mit der Versicherung meiner innigsten Zärtlichkeit, u. daß die Deinige eine der grösten Glückseeligkeiten meines Lebens ist.
<line type="break" /><align pos="right">Johann Christian Lenz.</align>
<line tab="1"/>Tausend Grüße an die Herrn v. Kleist. Ich wünsche sehr, u. mit dem aufrichtigsten Hertzen, daß sie meine Freunde sind, u. sich meiner noch erinnern. Sey glücklich! mein Bruder. Von der Seite der Freunde bist Du es mehr als ich. Traurig genung, daß ich keinen eintzigen Busenfreund habe. Und was ist ein Leben ohne Freundschaft? Du hast es nie empfunden, ich liebe Dich auch zu sehr, um es zu wünschen. Laß mich bald in Dir meinen ersten und <subst><del>meinen</del><insertion>fast</insertion></subst> meinen eintzigen Freund wiederbekommen.
<line type="empty"/>
<page index="4"/>
<line type="empty"/>
<align pos="center"><note>Außenseite des zum Umschlag gefalteten Bogens, roter Siegelrest:</note></align>