mirror of
				https://github.com/Theodor-Springmann-Stiftung/lenz-briefe.git
				synced 2025-10-30 01:25:29 +00:00 
			
		
		
		
	Einpflegung von Brief 327.
This commit is contained in:
		| @@ -11832,6 +11832,79 @@ | |||||||
| 			 | 			 | ||||||
| 			Dem Herrn Cousin, Herrn Amtmann Schöll meine verbindlichste Empfehlung</letterText> | 			Dem Herrn Cousin, Herrn Amtmann Schöll meine verbindlichste Empfehlung</letterText> | ||||||
| 		 | 		 | ||||||
|  | 		<letterText letter="327"><align pos="center">Meine theureste Freundin</align> <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			<line tab="1"/>Da Ihnen mein Abschieds und Danksagungsschreiben, das ich nach der Genesung aus einer schweren  | ||||||
|  | 			Krankheit an Sie schickte, vermuthlich aus dieser Ursache nicht zu Händen gekommen; so hoffe ich,  | ||||||
|  | 			diese Schuld aus der Entfernung wo nicht abtragen zu können, doch wenigstens durch mein  | ||||||
|  | 			Stillschweigen nicht zu vermehren. Sie und Ihre fürtrefliche Familie waren es, die in einem  | ||||||
|  | 			fremden Lande, auf immer, wie es schien, getrennt von den Meinigen, an einem kleinen ungesunden  | ||||||
|  | 			Ort, ohne Umgang, ohne Verbindungen den trübsten Stunden meines Lebens diejenige Aufmunterung gaben,  | ||||||
|  | 			deren Eindrücke mich über das Grab hinaus begleiten wer. den. Sie waren es, die mein Herz zu jedem  | ||||||
|  | 			zärtlichen Verhältniß wiederstimmten, das ich in meinem Vaterlande abgerissen. Der geschmackvolle und  | ||||||
|  | 			lehrreiche Umgang mit Ihren würdigen Cousinen, Ihre gegenseitige Freundschaft, die glücklichen  | ||||||
|  | 			Wendungen, die Ihr eigenthümlicher Geschmack, Ihr Witz und Ihre Empfindung jedem Zug in ihrem Karakter,  | ||||||
|  | 			so wie dem Karakter abwesender Freunde von denen wir uns offt unterhielten, zugeben mußte; mich  | ||||||
|  | 			anzuspornen wußte, ihnen nachzu eyfern, um Ihres unbestechlichen Beyfalls würdiger zu werden, waren  | ||||||
|  | 			damals die Muse meiner glücklichsten Stunden und sind nachher noch offt der Gegenstand meiner einsamen  | ||||||
|  | 			Unterhaltung gewesen. Sie hatten die Züge einer meiner geliebtesten Schwestern und wenn die Verschwisterung  | ||||||
|  | 			der Seelen keine Schimäre ist; so erlauben Sie mir, Sie unter diesem Karakter noch abwesend zu verehren.  | ||||||
|  | 			Ja theure sanfte Seele, wenn ich Sie mir unter diesem Klima denken könnte, hier wo der Mangel der lieblichen  | ||||||
|  | 			Witterung und Früchte, fremde Sitten und eine fremde Sprache, Ihren Lebensgeistern vielleicht den glücklichen  | ||||||
|  | 			Umlauf wehren und Sie hindern würden, Sie selbst zu seyn: so würd ich sie <insertion pos="top">ganz</insertion> in Ihnen <del>allein ganz</del>  | ||||||
|  | 			wiederfinden. Wenigstens sagen Sie denen, die itzt ein näheres Recht auf Ihre <page index="2"/> Theilnehmung und  | ||||||
|  | 			Freundschaft haben, daß der Eindruck Ihres Karakters, das Nachahmungswürdige desselben, mir offt die schwürigsten  | ||||||
|  | 			Knoten des Lebens habe lösen können: ein Vorzug, den Sie mit noch einer Freundin aus jenen Gegenden, die itzt in  | ||||||
|  | 			erhabenere versetzt ist – theilen. <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			<line tab="1"/>Meine Reise darf ich Ihnen nicht beschreiben: sie war, wie die Reise durch die Welt, langsam und beschwerlich,  | ||||||
|  | 			mit manchen angenehmen Ruhepunkten. Ich sah endlich die Thurmspitzen von Riga und die Ufer meines Vaterlandes  | ||||||
|  | 			mit einer wunderbar vermischten Empfindung. Alles fremdete mich an – – bis ich die Meinigen wiedergesehen, von  | ||||||
|  | 			denen ich dennoch einige bis jetzt noch nicht umarmt habe. So zerstreut sind sie und an so verschiedenen Enden  | ||||||
|  | 			des Landes haben sie sich niedergelassen. Gegenwärtig bin ich in einer der größten Städte, abermal wie ein Fremdling  | ||||||
|  | 			und es wird Zeit brauchen, ehe ich über Personen und Sachen gehörig urtheilen kann. Ach wie viel ruhiger und schöner  | ||||||
|  | 			ist es in dem Gärtgen zu S – – als an den getümmelvollen Häfen. Geniessen Sie dieses Glücks ohne erst durch den Contrast  | ||||||
|  | 			versuchen zu wollen, ob es auch wirklich wahr sey, daß man es der sogenannten großen Welt vorziehen könne.  | ||||||
|  | 			Unglücklich genug <page index="3"/> ist der, der durch seine Situation dazu gezwungen ist. Er hat sich aufgezehrt, eh er zu  | ||||||
|  | 			leben angefangen. <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			<line tab="1"/>Ich werde schwerlich die glücklichen Ufer des Rheins wiedersehen; sie die so viel Wesen, als die grossen Städte  | ||||||
|  | 			Schein haben – aber ich werde mich noch offt der Rheininseln erinnern, wo wir tanzten, des freundschaftlichen  | ||||||
|  | 			Lichtenau, wo die Freude wohnte, deren Maske hier niemand mehr betrügen kann, der Plätze alle, wo wir uns offt  | ||||||
|  | 			von x x besprachen, oder mit Ihren Cousinen ein gutes deutsches Lied sangen. <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			<line tab="1"/>Lassen Sie mich hier abbrechen und nur noch fragen, was Ihr Herr Bruder macht – – was Ihre würdigen Schwestern machen.  | ||||||
|  | 			Die schalkhafte Selma u. die altkluge Sophie – konnte es ein schöneres Conzert für Ihre weiche sanfte Seele geben,  | ||||||
|  | 			als der Rath, der Umgang die Laune solcher Schwestern. Wie? sie sollten sich verändert haben? Nimmermehr! so wenig als  | ||||||
|  | 			F. B. sich verändern kann – von den Veränderungen des Karackters zu verstehen, denn das andere, deucht mich, würde  | ||||||
|  | 			nur dann nicht zu verzeyhen seyn, wenn es eine Veränderung zum Schlimmen wäre. <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			<line tab="1"/>Empfehlen Sie mich Ihren theuresten Eltern und sagen ihnen, daß seit meiner letzten Krankheit meine Munterkeit so  | ||||||
|  | 			ziemlich hin ist – welches Sie auch meinem Brief wohl anmerken werden – und ich jetzt in den <page index="4"/> Pfänderspielen  | ||||||
|  | 			zu S. eine sehr traurige Figur machen würde. Ich habe eine Mutter verloren – ich habe mehr verloren – – Gegenstände  | ||||||
|  | 			genug, die mir das Grab anfangen könnten lieb zu machen – wenn nicht noch Personen auf dieser Oberwelt wären, an deren  | ||||||
|  | 			Glück ich anwesend oder abwesend von Herzen Theil nehmen könnte – <insertion pos="top">es</insertion> mich vielleicht anstecken würde mit Lebensfreude. <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			<line tab="1"/>Und so leben Sie denn wohl theureste Freundin und findet sich eine Gelegenheit mit einem reisenden Freunde oder sonst –  | ||||||
|  | 			mir eine Nachricht von Ihnen – von Ihnen allen zukommen zu lassen – von Ihren Strasburgschen Freunden nicht zu vergessen–  | ||||||
|  | 			so werden Sie mich sehr glücklich dadurch machen. <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			Ich aber werde unter jeder Veränderung bleiben<line type="break"/>  | ||||||
|  | 			<align pos="center">ein</align> <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			<line type="empty"/> | ||||||
|  | 			<line type="empty"/> | ||||||
|  | 			<line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			<align pos="right">mit ganzer Seele theilnehmender Bruder <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			J M R Lenz.</align><line type="break"/> | ||||||
|  | 			St. Petersbg. den 27 Merz 1780. <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			<line tab="1"/><sidenote pos="left" page="4" annotation="am linken Rand der vierten Seite, vertikal">Dem verehrungswürdigen Herrn Onkel und ihren sämmtlichen fürtreflichen Strasb. Cousinen bitte meine beste Empfehlung zu  | ||||||
|  | 			versichern. Wenn Ihr Herr Bruder an mich schreiben will, so lassen Sie ihn nur die Adresse an meinen Bruder machen: den  | ||||||
|  | 			Oberpastor Lenz in Dörpat p. Francfort, <aq>Memel et Riga,</aq> weil ich noch keine Bestimmung habe</sidenote></letterText> | ||||||
|  | 		 | ||||||
|  |  | ||||||
| 	</document> | 	</document> | ||||||
| </opus> | </opus> | ||||||
|   | |||||||
| @@ -4914,5 +4914,20 @@ | |||||||
| 			<isDraft value="false" /> | 			<isDraft value="false" /> | ||||||
| 		</letterDesc> | 		</letterDesc> | ||||||
| 		 | 		 | ||||||
|  | 		<letterDesc letter="327"> | ||||||
|  | 			<date value="St. Petersburg, 27. März 1780" /> | ||||||
|  | 			<sort value="1780-03-27" /> | ||||||
|  | 			<location ref="46" /> | ||||||
|  | 			<senders> | ||||||
|  | 				<sender ref="1" /> | ||||||
|  | 			</senders> | ||||||
|  | 			<receivers> | ||||||
|  | 				<receiver ref="64" /> | ||||||
|  | 			</receivers> | ||||||
|  | 			<hasOriginal value="true" /> | ||||||
|  | 			<isProofread value="true" /> | ||||||
|  | 			<isDraft value="false" /> | ||||||
|  | 		</letterDesc> | ||||||
|  | 		 | ||||||
| 	</descriptions> | 	</descriptions> | ||||||
| </opus> | </opus> | ||||||
|   | |||||||
| @@ -2030,6 +2030,13 @@ | |||||||
| 			</app> | 			</app> | ||||||
| 		</letterTradition> | 		</letterTradition> | ||||||
| 		 | 		 | ||||||
|  | 		<letterTradition letter="327"> | ||||||
|  | 			<app ref="4"> | ||||||
|  | 				Riga, Latvijas Akadēmiskā Bibliotekā, Ms. 1113, F. 25, V. 31, Nr. 19 (Der Brief erreicht Friederike  | ||||||
|  | 				Brion nicht) | ||||||
|  | 			</app> | ||||||
|  | 		</letterTradition> | ||||||
|  | 		 | ||||||
| 		 | 		 | ||||||
| 	</traditions> | 	</traditions> | ||||||
| </opus> | </opus> | ||||||
|   | |||||||
		Reference in New Issue
	
	Block a user
	 GregorMichalski
					GregorMichalski