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Dem Herrn Cousin, Herrn Amtmann Schöll meine verbindlichste Empfehlung
+ Meine theureste Freundin
+
+ Da Ihnen mein Abschieds und Danksagungsschreiben, das ich nach der Genesung aus einer schweren
+ Krankheit an Sie schickte, vermuthlich aus dieser Ursache nicht zu Händen gekommen; so hoffe ich,
+ diese Schuld aus der Entfernung wo nicht abtragen zu können, doch wenigstens durch mein
+ Stillschweigen nicht zu vermehren. Sie und Ihre fürtrefliche Familie waren es, die in einem
+ fremden Lande, auf immer, wie es schien, getrennt von den Meinigen, an einem kleinen ungesunden
+ Ort, ohne Umgang, ohne Verbindungen den trübsten Stunden meines Lebens diejenige Aufmunterung gaben,
+ deren Eindrücke mich über das Grab hinaus begleiten wer. den. Sie waren es, die mein Herz zu jedem
+ zärtlichen Verhältniß wiederstimmten, das ich in meinem Vaterlande abgerissen. Der geschmackvolle und
+ lehrreiche Umgang mit Ihren würdigen Cousinen, Ihre gegenseitige Freundschaft, die glücklichen
+ Wendungen, die Ihr eigenthümlicher Geschmack, Ihr Witz und Ihre Empfindung jedem Zug in ihrem Karakter,
+ so wie dem Karakter abwesender Freunde von denen wir uns offt unterhielten, zugeben mußte; mich
+ anzuspornen wußte, ihnen nachzu eyfern, um Ihres unbestechlichen Beyfalls würdiger zu werden, waren
+ damals die Muse meiner glücklichsten Stunden und sind nachher noch offt der Gegenstand meiner einsamen
+ Unterhaltung gewesen. Sie hatten die Züge einer meiner geliebtesten Schwestern und wenn die Verschwisterung
+ der Seelen keine Schimäre ist; so erlauben Sie mir, Sie unter diesem Karakter noch abwesend zu verehren.
+ Ja theure sanfte Seele, wenn ich Sie mir unter diesem Klima denken könnte, hier wo der Mangel der lieblichen
+ Witterung und Früchte, fremde Sitten und eine fremde Sprache, Ihren Lebensgeistern vielleicht den glücklichen
+ Umlauf wehren und Sie hindern würden, Sie selbst zu seyn: so würd ich sie ganz in Ihnen allein ganz
+ wiederfinden. Wenigstens sagen Sie denen, die itzt ein näheres Recht auf Ihre Theilnehmung und
+ Freundschaft haben, daß der Eindruck Ihres Karakters, das Nachahmungswürdige desselben, mir offt die schwürigsten
+ Knoten des Lebens habe lösen können: ein Vorzug, den Sie mit noch einer Freundin aus jenen Gegenden, die itzt in
+ erhabenere versetzt ist – theilen.
+
+ Meine Reise darf ich Ihnen nicht beschreiben: sie war, wie die Reise durch die Welt, langsam und beschwerlich,
+ mit manchen angenehmen Ruhepunkten. Ich sah endlich die Thurmspitzen von Riga und die Ufer meines Vaterlandes
+ mit einer wunderbar vermischten Empfindung. Alles fremdete mich an – – bis ich die Meinigen wiedergesehen, von
+ denen ich dennoch einige bis jetzt noch nicht umarmt habe. So zerstreut sind sie und an so verschiedenen Enden
+ des Landes haben sie sich niedergelassen. Gegenwärtig bin ich in einer der größten Städte, abermal wie ein Fremdling
+ und es wird Zeit brauchen, ehe ich über Personen und Sachen gehörig urtheilen kann. Ach wie viel ruhiger und schöner
+ ist es in dem Gärtgen zu S – – als an den getümmelvollen Häfen. Geniessen Sie dieses Glücks ohne erst durch den Contrast
+ versuchen zu wollen, ob es auch wirklich wahr sey, daß man es der sogenannten großen Welt vorziehen könne.
+ Unglücklich genug ist der, der durch seine Situation dazu gezwungen ist. Er hat sich aufgezehrt, eh er zu
+ leben angefangen.
+
+ Ich werde schwerlich die glücklichen Ufer des Rheins wiedersehen; sie die so viel Wesen, als die grossen Städte
+ Schein haben – aber ich werde mich noch offt der Rheininseln erinnern, wo wir tanzten, des freundschaftlichen
+ Lichtenau, wo die Freude wohnte, deren Maske hier niemand mehr betrügen kann, der Plätze alle, wo wir uns offt
+ von x x besprachen, oder mit Ihren Cousinen ein gutes deutsches Lied sangen.
+
+ Lassen Sie mich hier abbrechen und nur noch fragen, was Ihr Herr Bruder macht – – was Ihre würdigen Schwestern machen.
+ Die schalkhafte Selma u. die altkluge Sophie – konnte es ein schöneres Conzert für Ihre weiche sanfte Seele geben,
+ als der Rath, der Umgang die Laune solcher Schwestern. Wie? sie sollten sich verändert haben? Nimmermehr! so wenig als
+ F. B. sich verändern kann – von den Veränderungen des Karackters zu verstehen, denn das andere, deucht mich, würde
+ nur dann nicht zu verzeyhen seyn, wenn es eine Veränderung zum Schlimmen wäre.
+
+ Empfehlen Sie mich Ihren theuresten Eltern und sagen ihnen, daß seit meiner letzten Krankheit meine Munterkeit so
+ ziemlich hin ist – welches Sie auch meinem Brief wohl anmerken werden – und ich jetzt in den Pfänderspielen
+ zu S. eine sehr traurige Figur machen würde. Ich habe eine Mutter verloren – ich habe mehr verloren – – Gegenstände
+ genug, die mir das Grab anfangen könnten lieb zu machen – wenn nicht noch Personen auf dieser Oberwelt wären, an deren
+ Glück ich anwesend oder abwesend von Herzen Theil nehmen könnte – es mich vielleicht anstecken würde mit Lebensfreude.
+
+ Und so leben Sie denn wohl theureste Freundin und findet sich eine Gelegenheit mit einem reisenden Freunde oder sonst –
+ mir eine Nachricht von Ihnen – von Ihnen allen zukommen zu lassen – von Ihren Strasburgschen Freunden nicht zu vergessen–
+ so werden Sie mich sehr glücklich dadurch machen.
+
+ Ich aber werde unter jeder Veränderung bleiben
+ ein
+
+
+
+
+ mit ganzer Seele theilnehmender Bruder
+
+ J M R Lenz.
+ St. Petersbg. den 27 Merz 1780.
+
+
+ Dem verehrungswürdigen Herrn Onkel und ihren sämmtlichen fürtreflichen Strasb. Cousinen bitte meine beste Empfehlung zu
+ versichern. Wenn Ihr Herr Bruder an mich schreiben will, so lassen Sie ihn nur die Adresse an meinen Bruder machen: den
+ Oberpastor Lenz in Dörpat p. Francfort, Memel et Riga, weil ich noch keine Bestimmung habe
+
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@@ -2030,6 +2030,13 @@
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+ Riga, Latvijas Akadēmiskā Bibliotekā, Ms. 1113, F. 25, V. 31, Nr. 19 (Der Brief erreicht Friederike
+ Brion nicht)
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