Einpflegung von Brief 155.

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GregorMichalski
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Verzeih mir mein öfteres Schreiben. Du wird die Ursache leicht begreifen Auch das ist Menschheit. Verzeih mir mein öfteres Schreiben. Du wird die Ursache leicht begreifen Auch das ist Menschheit.
Sonst dacht ich freylich lieber an Dich als ich Dir schrieb.</hand></letterText> Sonst dacht ich freylich lieber an Dich als ich Dir schrieb.</hand></letterText>
<letterText letter="155"><line tab="1"/>Wie Lindau ihr wollt in den Lehrjahren Eures Lebens da Ihr auf alles das was groß und edel ist
Ansprüche habt euch hinlegen und sterben? Warum nicht lieber ausschlaffen? Pfuy schämt euch
solchen Entschluß weise zu nennen. Wißt Ihr denn nicht daß die Natur alles langsam reift, daß alles
seine Stuffen u. Grade hinaufgehen muß also auch ihr. Die Schnecke kriecht und kommt endlich zum
Ziel der Löwe läuft und kommt nicht weiter und nur auf das Auge kommt es an, so scheint euch der Löwe
eine Schnecke. Wollt ihr übereilen was seiner Natur nach nicht übereilt werden kann? Wollt ihr im Alter
von achtzehn jahren ein Greiß seyn? Wollt ihr Thaten gethan haben eh andere noch den Gedanken dazu fassen
und wenn sie noch nicht gethan sind verzweiffeln? <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Verzweiffelt daß die Erde 365 Tage braucht eh sie um die Sonne geht, verzweiffelt an ihren Kräften. Eure
Kräfte wirken unmerklich, aber eure abgeschmackte Phantasie macht Euch weis daß Ihr keine habt weil Ihr
kein Atlas seyd. <line type="empty"/>
<page index="2"/>
<line tab="1"/>Wollt ihr euch todtschiessen lassen oder juckt euch die Haut so das Leben zu verlieren so geht nach Amerika
und verliert es auf eine edle Art. Wollt ihr alles verlieren so setzt das Leben doch wenigstens auf die
Karte und versucht ob ihr damit nicht alles gewinnen könnt. Verwünscht sey der Thomas wenn er euch nichts
anders lehren kann als deklamiren und Testamenter machen. <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Ihr Testamenter machen in einem Alter von 18, 19 Jahren? Die Idee ist so kindisch als wenn die Mädchen die
mit Puppen spielen sich verheurathen. Wer hat euch das Recht gegeben zu sterben da ihr noch nicht gelebt
habt. Wer das Recht euer Vermögen zu testiren und wegzuwerfen, da ihrs noch nicht selber gebraucht habt.
Wer das Recht fremde Kinder anzunehmen da ihr aus euch selbst noch alles mögliche zu machen habt. Ich hasse
die Leute die andere <page index="3"/> erziehen wollen, jeder hat mit sich selbst genug zu thun. <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Das Schweben ist Mangel des Muths euch zu etwas zu bestimmen, seyd etwas oder seyd nichts. Geht nach
Amerika oder bleibt zu Hause und baut euer Landgut bis euch was Besseres einfällt. Mich deucht aber euer
Geist muß durchaus Beschäftigung haben, macht also meinthalben Projekte nur macht sie nicht so ungeheuer
daß sie Traum bleiben müssen ihr macht euch und eure Freunde lächerlich dadurch. Fangt an auszuführen und
solltet ihr auch zu Nicht gehen drüber, ein Tag giebt den andern. <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Euch ermorden und wißt Ihr mein Freund daß jedermann drüber lacht und wenns geschieht noch ärger lachen
wird. Euch ermorden aus langer Weile wie der Engländer der sich vor den Kopf schoß weil er nichts neues in
der Zeitung fand. So schlägt man Flöhe todt aber keine Menschen. So geht denn mit und macht die Expedition u.
bedenkt daß die Natur es ist die Kräfte giebt nicht wir selber, daß sie sie im Augenblick der höchsten
<page index="4"/> Ohnmacht giebt wenn wir uns nur in die Nothwendigkeit setzen welche zu haben u. dem Gott glauben
der in ihr arbeitet. Ihr aber wollt Wasser auf den Berg leiten ohne zu pumpen und wenn es sich nicht von selber
hinaufbegiebt verzweifeln und sterben u. Testamenter machen. Euer Peter ist ein Schurke wenn er euch feig oder
mißtrauisch gegen euch selbst macht. Eure Imagination trägt das in den Jungen hinein was in eurer Seele liegt,
ihr seyd der Peter u. eure Momentane Existenz wird erst unterm Gewehr in Amerika angehn. Laßt was für den
Peter zurück zur Erziehung u. denkt weiter nicht an ihn: wenn es euch wohl geht überm Jahr etwa oder in einigen
Jahren könnt ihr ihn ja nachkommen lassen. Setzt eure Existenz nun einmal dran, im erheischenden Fall wird euch
der Verstand u. die Gegenwart des Geistes schon kommen, euch herauszuhelfen das ist nun aber freilich das Kind
das oft mit vieler Angst geboren wird <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Das ist mein Rath u. Goethens u. Wielands u. Salis und aller Menschen Thiere Engel Götter u. Halbgötter. Sterbt
aber sterbt als Mann Lenz</letterText>
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<date value="Weimar, April 1776" />
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Riga, Latvijas Akadēmiskā Bibliotekā, Ms. 1113, F. 25, V. 31, Nr. 7
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