Brief 1 und 2

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Hoch Edelgeborner Hochgelahrter Herr <aq>Secretair</aq> <line type="break" />
Verehrungswürdigster Gönner!
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Hoch Edelgeborner Hochgelahrter Herr <aq>Secretair</aq> <line type="break" tab="7" />
Verehrungswürdigster Gönner! <line tab="7" />
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Ew. HochEdelgebh: haben mich durch die neue Probe von Dero schätzbaren Gewogenheit ausserorndtlich beschämt. Meine Feder ist zu schwach, Denenselben die regen Empfindungen meines Herzens darüber zu schildern. Ich weiß Ew. HochEdelgebh: meine Dankbegierde auf keine andere Art an den Tag zu legen, als daß ich meine gestrigen Wünsche für Dero Wohlseyn wiederhole, und die gütige Vorsicht um die Erhörung derselben anflehe. Der Herr überschütte Dieselben und Dero wertes Haus im künftigen Jahr mit tausend Seegen und Heil. Er erhalte Ew. Hoch Edelgebh: bis zu den spätesten Zeiten im ersprießlichsten Wohlergehen. Er bewahre Ew. HochEdelgebh: für alle widrige Zufälle in den künftigen Jahren, und lasse mich noch lange das Glück genießen, Dieselben in dem blühendsten Wohlstande zu sehen, und mich mit dem erkenntlichsten Herzen nennen zu dürfen
Ew. HochEdelgebh: haben mich durch die neue Probe von Dero schätzbaren Gewogenheit ausserorndtlich beschämt. Meine Feder ist zu schwach, Denenselben die regen Empfindungen meines Herzens darüber zu schildern. Ich weiß Ew. HochEdelgebh: meine Dankbegierde auf keine andere Art an den Tag zu legen, als daß ich meine gestrigen Wünsche für Dero Wohlseyn wiederhole, und die gütige Vorsicht um die Erhörung derselben anflehe. Der Herr überschütte Dieselben und Dero wertes Haus im künftigen Jahr mit tausend Seegen und Heil. Er erhalte Ew. Hoch Edelgebh: bis zu den spätesten Zeiten im ersprießlichsten Wohlergehen. Er bewahre Ew. HochEdelgebh: für alle widrige Zufälle in den künftigen Jahren, und <page index="2" />lasse mich noch lange das Glück genießen, Dieselben in dem blühendsten Wohlstande zu sehen, und mich mit dem erkenntlichsten Herzen nennen zu dürfen
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Hoch Edelgeborner Hochgelahrter Herr <aq>Secretair</aq> <line type="break" />
Verehrungswürdigster Gönner <line type="break" />
Ew. Hoch Edelgebh:
Hoch Edelgeborner Hochgelahrter Herr <aq>Secretair</aq> <line type="break" tab="7" />
Verehrungswürdigster Gönner <line type="break" tab="7" />
Ew. Hoch Edelgebh: <line tab="7" />
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gehorsamsten Diener <line type="break" />
Jacob Michael Reinhold Lenz
gehorsamsten Diener <line type="break" tab="7" />
Jacob Michael Reinhold Lenz <line tab="7" />
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Von Hause, d. 2 Jenner, 1765.
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Bester Bruder! <line tab="2" />
Wie kann ich einen Augenblick anstehn, Dir bey der freudigsten Begebenheit Deines Lebens ein Bruderherz auszuschütten, das von Seufzern und Tränen wallet! Ich preise die Vorsicht mit Dir, die Dir die liebenswürdigste Gattin zuführt und unsere Familie in einem Jahre mit sovielem Glück überhäuft, daß wir für gar zu großer Freude wie betäubt sind und nichts als jauchzen und stammeln können. So sind denn nun Deine Wünsche erfüllt: so schmeckest Du nun zum erstenmal alles Süße, alles Entzückende einer Liebe, die keine Angst, kein Kummer, keine Träne verbittert. So belohnt denn die ächte, die reine, die wahre Zärtlichkeit endlich einmal ein Herz, das nur für sie geschaffen war und das schon von Jugend auf sich heimlich nach einem Gegenstande hat sehnen müssen, dem es sich ganz überlassen könnte. 0 gütige Vorsicht! so erhöre denn alle unsere Wünsche, alle unsere Tränen, für dies Paar, das du selbst durch wunderbare Wege geknüpft hast. Lebe, liebster Bruder! lebe lange, lebe glücklich in den Armen Deiner Cristinchen: seyd ein Muster der schönsten Ehe, ein Trost Eurer für Freude weinenden Eltern, eine Freude Eurer Geschwister: jeder Eurer Tage müsse mit neuem Entzücken für Euch geschmückt seyn, jedes Eurer Jahre müsse so heiter hinfließen, wie ein Bach, der durch Rosen fließt. Nie müsse ein Gram Eure Seele umwölken, nie müsse ein Elend euch niederschlagen, da es euch nicht mehr allein, sondern verbunden, von der Hand Gottes verbunden, trifft, da eure Zärtlichkeit und eure Küsse euch trösten und selbst im Unglück beglücken werden. Eure Liebe sey so feurig, so rein, aber auch so unauslöschlich, wie das Feuer der Vesta: sey so dauerhaft, als ein Felsen, auf den das Meer vergeblich loßstürmt: eure Liebe lebe mit euch, sie leide mit euch: ihr werdet zwar sterben, aber eure Liebe wird so wie eure abgeschiedenen Seelen ewig währen, sie wird um euer Grab wachsen, und so wie eure Seelen dereinst wieder mit euren Körpern vereinigt werden; alsdann kann kein Tod sie mehr aufhalten, alsdann dauert sie bis in undenkbare Aeonen.
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Ich seh euch schon im Geist, ihr liebenswerthen Beyde,
Ihr wandelt Hand in Hand durch Tarwasts frohe Flur.
Aus euren Mienen lacht nur Freude,
Und reine Lust und Lieb und Unschuld nur.
Euch wird der Lenz sich jetzo schöner schmüken,
Ihr findt ihn auf der Flur, findt ihn in euren Bliken.
Euch wird der Bach jetzt mit mehr Anmuth rauschen,
Mit froherm Ohr werdt ihr aufs Lied der Wälder lauschen,
Und mit entzükterm Blick, werdt ihr von goldnen Höhn,
Die Morgensonn zur Erde lächeln sehn.
Und weht der stürmsche Herbst und tobt der kalte Winter
So wird nur euer Herz und eure Lieb entzündter;
Im ländlich stillen Sitz werdt ihr, auch ganz allein,
Auch unter Schnee und Sturm, euch durch euch selbst erfreun:
Und wird denn in der Stadt der Tag zu trübe seyn,
Dringt ihm die Nacht zu früh herein,
Wird er des Abends Länge scheun:
Dann werdet ihr bei sanftem Lampenschein
Euch selbst Gesellschaft, Lust und Scherz und Frühling seyn.
Wird euch ins künftige ein neues Glüke lachen,
So werdet ihr vereint, es euch noch süßer machen:
Und naht ein Unglückssturm euch zärtlichen Erschroknen,
So wird des einen Trän des andern Tränen troknen.
Und einst wenn Jahre euch, wie Tage hingeflossen,
Und ein unschuldig Kind hält eure Knie umschlossen
Und stammelt seinen Segen euch:
Dann ist nicht Ehr und Gold, dann ist nicht Thron und Reich
Dann ist kein Glük dem euren gleich.
Dann soll sich eur Geschlecht dem unsrigen begegnen
Und unsre grauen Eltern seegnen:
Dann wollen wir uns freun, wie sich ein Engel freut,
Voll Wehmut und voll Zärtlichkeit,
Voll Wonne und voll Dankbarkeit.
Und werden einst … Gedank voll Bitterkeit!
Und werden einst sich eure Augen schließen,
(Doch dann erst, Gott! wenn sie das Alter halb schon schließt)
Dann drükt mit traurigen und doch noch traurig süßen,
Und euch im Tod noch angenehmen Küssen
Euch eure Augen zu. O Bild voll Schmerz! Dann fließt!
Ihr Tränen meiner Wang, fließt um sie! Dann begießt
Ihr mir geliebtes Grab, aus seiner Erde schießt
Dann eine Ros herfür, die traurig reizend blühet,
In der mein Aug das Bild von ihrer Ehe siehet.
Dann sag ich doch mein Lied, zu traurig Lied! halt ein!
Sonst muß ich dieses Blatt mit Tränen überstreun.
Ich seh euch schon im Geist, ihr liebenswerthen Beyde, <line tab="5" />
Ihr wandelt Hand in Hand durch Tarwasts frohe Flur. <line tab="5" />
Aus euren Mienen lacht nur Freude, <line tab="5" />
Und reine Lust und Lieb und Unschuld nur. <line tab="5" />
Euch wird der Lenz sich jetzo schöner schmüken, <line tab="5" />
Ihr findt ihn auf der Flur, findt ihn in euren Bliken. <line tab="5" />
Euch wird der Bach jetzt mit mehr Anmuth rauschen, <line tab="5" />
Mit froherm Ohr werdt ihr aufs Lied der Wälder lauschen, <line tab="5" /> <page index="2" />
Und mit entzükterm Blick, werdt ihr von goldnen Höhn, <line tab="5" />
Die Morgensonn zur Erde lächeln sehn. <line tab="5" />
Und weht der stürmsche Herbst und tobt der kalte Winter <line tab="5" />
So wird nur euer Herz und eure Lieb entzündter; <line tab="5" />
Im ländlich stillen Sitz werdt ihr, auch ganz allein, <line tab="5" />
Auch unter Schnee und Sturm, euch durch euch selbst erfreun: <line tab="5" />
Und wird denn in der Stadt der Tag zu trübe seyn, <line tab="5" />
Dringt ihm die Nacht zu früh herein, <line tab="5" />
Wird er des Abends Länge scheun: <line tab="5" />
Dann werdet ihr bei sanftem Lampenschein <line tab="5" />
Euch selbst Gesellschaft, Lust und Scherz und Frühling seyn. <line tab="5" />
Wird euch ins künftige ein neues Glüke lachen, <line tab="5" />
So werdet ihr vereint, es euch noch süßer machen: <line tab="5" />
Und naht ein Unglückssturm euch zärtlichen Erschroknen, <line tab="5" />
So wird des einen Trän des andern Tränen troknen. <line tab="5" />
Und einst wenn Jahre euch, wie Tage hingeflossen, <line tab="5" />
Und ein unschuldig Kind hält eure Knie umschlossen <line tab="5" />
Und stammelt seinen Segen euch: <line tab="5" />
Dann ist nicht Ehr und Gold, dann ist nicht Thron und Reich <line tab="5" />
Dann ist kein Glük dem euren gleich. <line tab="5" />
Dann soll sich eur Geschlecht dem unsrigen begegnen <line tab="5" />
Und unsre grauen Eltern seegnen: <line tab="5" />
Dann wollen wir uns freun, wie sich ein Engel freut, <line tab="5" />
Voll Wehmut und voll Zärtlichkeit, <line tab="5" />
Voll Wonne und voll Dankbarkeit. <line tab="5" />
Und werden einst … Gedank voll Bitterkeit! <line tab="5" />
Und werden einst sich eure Augen schließen, <line tab="5" />
(Doch dann erst, Gott! wenn sie das Alter halb schon schließt) <line tab="5" />
Dann drükt mit traurigen und doch noch traurig süßen, <line tab="5" />
Und euch im Tod noch angenehmen Küssen <line tab="5" />
Euch eure Augen zu. O Bild voll Schmerz! Dann fließt! <line tab="5" />
Ihr Tränen meiner Wang, fließt um sie! Dann begießt <line tab="5" />
Ihr mir geliebtes Grab, aus seiner Erde schießt <line tab="5" />
Dann eine Ros herfür, die traurig reizend blühet, <line tab="5" />
In der mein Aug das Bild von ihrer Ehe siehet. <line tab="5" />
Dann sag ich doch mein Lied, zu traurig Lied! halt ein! <line tab="5" />
Sonst muß ich dieses Blatt mit Tränen überstreun. <line tab="5" />
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<note> < vertikal am linken Rand > </note>
Ich umarme Dich und küsse Dich 1000mahl als Dein <line type="break" />
allergetreuester Bruder <line type="break" />
Jacob Michael Reinhold Lenz.
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Jacob Michael Reinhold Lenz.<line type="break" />
Dorpat den 11ten October 1767.
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