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@@ -903,22 +903,21 @@ Tarwast den 9ten November 1767.
<letterText letter="43"><align pos="right"><aq>Den 14. Aprilis 75.</aq></align>
<line type="break"/>An Lenze.
<line tab="1"/>Grüße <ul>Röderern</ul>, den edeln! Dank für <ul>Zimmermann,</ul> daß Du ihn besuchtest; Laß ihn Dir sehr empfohlen seyn! Prometheus kennen wir. Mir gefällt er nicht. Was soll ein <it>Autor,</it> der so gelesen wird, spotten?
<line tab="1"/>Grüße <ul>Röderern</ul>, den edeln! Dank für <ul>Zimmermann,</ul> daß Du ihn besuchtest; Laß ihn Dir sehr empfohlen seyn! Prometheus kennen wir. Mir gefällt er nicht. Was soll ein <aq>Autor,</aq> der so gelesen wird, spotten?
<line tab="1"/>Sende <ul>Gottern</ul> meinen Aufsatz, <ul>nicht zum Druck,</ul> aber sonst als eine unterdrückte Effusion des Herzens dann in die Flamme! So eben ist ein <ul>Sendschreiben</ul> herausgekommen wider mich von einem geistlichen Mitbürger. Ein Denkmal des rasendsten Neides vollgestopft von Lügen, die mich der ganzen Welt lächerlich machen sollen. Soll ich schweigen? Soll ich reden? Noch will ich schweigen und warten. aber, das heißt doch wirklich rasen! doch wieder wen? wider sich selbst!
<line type="break"/>adieu!
<line type="break"/>
<line type="break" /><align pos="right">Johann Caspar Lavater.</align>
</letterText>
<letterText letter="44"> <address>An den Verfasser der <it>Meynungen eines Layen</it> schleunigst abzugeben.</address>
<line type="empty" />
<line type="break" />
<letterText letter="44">
<sidenote annotation="auf dem roten Lacksiegel"> <gr>παντα δυνατα τῳ πιστευοντι</gr></sidenote>
<line tab="1"/>Eine und viele der seeligsten Stunden meines Daseyns hab ich Ihnen, sey Sie wer Sie wollen, zu danken. In einer Lage, wies wenige giebt am Sterbebeth einer nahen, eben nicht warm doch redlich geliebten Schwägerinn fieng ich an, Ihre wolerhaltnen <it>Meynungen eines Layen</it>, zu lesen, mit inniger Freud in der Stille der Mitternacht Meine Schwägerinn entschlummerte sanft Ich ging schnell nach Hause; an einem hellen doch kühlen Frühlingsmorgen fuhr sogleich, morgens vor 5 Uhr fort zu lesen; vor Freude zu zittern, vor Freude zu weynen, bald eine Zeile draus an meinen Bruder <it>Pfenninger,</it> der auf dem Lande ist, zu schreiben!
<line tab="1"/>Sturm von Seite der Cabale, <it>die das Sendschreiben eines zürcherschen Geistlichen</it> geboren hat stürmte dazwischen! aber Ihre prophetische Geisteskraft trug mich. Nun hab ichs vollendet; nun liests neben mir <it>Passavant</it> und den Abend noch (warum ich nicht an seiner Seite) <it>Pfenninger?</it> Ich kann nichts, nichts sagen, als Sie <it>sind</it> mein Freund, ich bin der Ihrige. Nicht bitt ich Sie um Ihre Freundschaft; nicht trag ich Ihnen die meinige an wir sind schon Freunde. Lichtstral darf nicht Lichtstral bitten: „Fließe mit mir zusammen.“ Das geschieht, in dem sie einander begegnen aber <it>das</it> ist ein Ziel meiner Bitte, daß Sie mir bäldest eine Zeile schreiben und zu mir sagen: „Lavater! hier und dort hast du geirrt; das Ziel nicht erreicht, vorbey geflogen bist angeprallt. Vor dem hüte dich! da ist Quell deines Irrthums! da Fallstrick für deine Imagination, deinen Verstand, dein Herz –“ Dann will ich auch sagen, welche <it>Zeilen</it> Ihrer Schrift unter die Gottesgeistigkeit herabsinken, hinausgleiten, nach meinem Sinn.
<line type="break"/><align pos="center">Den 20 April 75.
<line type="break"/><it>Lavater</it>
<line type="break"/>Zürich, Donnerstags, Abends nach 3 uhr.</align>
<address>An den Verfasser der <it>Meynungen eines Layen</it> schleunigst abzugeben.</address>
</letterText>
<letterText letter="45"><page index="1"/>
@@ -938,24 +937,23 @@ Tarwast den 9ten November 1767.
<line tab="1"/>In unsern Tagen ist eine gewisse Faulheit und Niedergeschlagenheit besonders in monarchischen Ländern so <ul>häuffig</ul> anzutreffen, daß die Gesichtszüge daher fast alle auf eins hinauslauffen und von keiner Bedeutung sind. Die zu geläuterten Religionsbegriffe, die übermässige Verfeinerung in den Künsten und Zweiffel und Ungewißheit in den Wissenschaften geben ganz andere Gesichter und ganz andern Ausdruck der Empfindungen als ehemals. Das Feuer sitzt bey uns nur in den Augen, bey den Alten aber in allen Mienen und der Stellung derselben. Ueberhaupt scheinen mir alle heutige <ul>bedeutende</ul> Gesichter nur <ul>aufgeschürzt</ul>, das heißt die <ul>herunter</ul>gesunkenen Lineamenten mit Mühe wieder <ul>empor</ul>gearbeitet da die Alten das zu wilde Emporsteigen der Mienen vielmehr zu hemmen und zu mässigen suchen mußten. Das waren <ul>gesammlete Gesichter</ul>, bey uns sind es <ul>angestrengte.</ul> Derselbe Unterscheid, der zwischen einem <ul>berittenen</ul> wilden Hengst und einem mit <ul>Sporn und Kourierpeitsche in Galopp</ul> gebrachten Karrengaul ist.
</letterText>
<letterText letter="46"><align pos="right">D. 1sten May 1775.</align>
<line type="empty" />
<letterText letter="46"><page index="1"/><align pos="right">D. 1sten May 1775.</align>
<line type="break" /><align pos="center">Gnädige Frau!</align>
<line type="empty"/>
<line tab="1"/>Ich halte mich für eben so berechtigt Ihnen zu schreiben, als ein freyer Geist über alle Unterscheidungszeichen und Verhältnisse in der Welt herausgehoben, Ihnen seinen Beyfall zulispeln würde, wenn er Sie irgend eine edle grosse Handlung ausüben sähe. Ich habe von Ihnen weder zu hoffen <insertion pos="top">noch</insertion> zu fürchten, und um Ihnen die Warheit dessen und die Ungezwungenheit und Freywilligkeit meines Urtheils zu beweisen sollen Sie meinen Namen nicht erfahren, aber erlauben Sie mir auch jetzt mit aller der Hochachtung zu Ihnen zu treten, die das Anschauen Ihrer wundernswürdigen Eigenschaften in mir rege macht. Ich habe hie und da Nachrichten von Ihnen eingezogen die alle dunkel und unzuverlässig waren, besser wust ich mich nicht zu wenden als an Goethe der mir einmal einen Brief in Coblenz aus Ihrem Dintenfaß geschrieben hat. Und wie entzückt ich darüber seyn muß die Züge Ihrer Hand in meinen Händen zu sehen, dieser Hand die die Sternheim schrieb, und von dieser soviel Gütiges für mich! „Das Gleichgestimmte meines Carakters“ wissen Sie auch was das auf sich hat gnädige Frau? Die göttliche Güte hat mich, da ich eben durch andere Vorfälle meines Lebens und Verirrungen meines Kopfs und Herzens bis
<line tab="1"/>Ich halte mich für eben so berechtigt Ihnen zu schreiben, als ein freyer Geist über alle Unterscheidungszeichen und Verhältnisse in der Welt herausgehoben, Ihnen seinen Beyfall zulispeln würde, wenn er Sie irgend eine edle grosse Handlung ausüben sähe. Ich habe von Ihnen weder zu hoffen <insertion pos="top">noch</insertion> zu fürchten, und um Ihnen die Warheit dessen und die Ungezwungenheit und Freywilligkeit meines Urtheils zu beweisen sollen Sie meinen Namen nicht erfahren, aber erlauben Sie mir auch jetzt mit aller der Hochachtung zu Ihnen zu treten, die das Anschauen Ihrer wundernswürdigen Eigenschaften in mir rege macht. Ich habe hie und da Nachrichten von Ihnen eingezogen die alle dunkel und unzuverlässig waren, besser wust ich mich nicht zu wenden als an Goethe der mir einmal einen Brief in Coblenz aus Ihrem Dintenfaß geschrieben hat. Und wie entzückt ich darüber seyn muß die Züge Ihrer Hand in meinen Händen zu sehen, dieser Hand die die Sternheim schrieb, und von dieser soviel Gütiges für mich! <ul>„Das Gleichgestimmte meines Carakters“</ul> wissen Sie auch was das auf sich hat gnädige Frau? Die göttliche Güte hat mich, da ich eben durch andere Vorfälle meines Lebens und Verirrungen meines Kopfs und Herzens bis
<page index="2"/>zu Boden gedrückt war, auf einmal wieder erhöhen wollen, ich fühle ein neues Leben in mir, neue Aussichten, neue Hoffnungen und ach Gott! wie selten kommt mir das, etwas von Ihrer Selbstzufriedenheit. Erschrecken Sie über dies Wort nicht, Sie allein können es ohne Gefahr brauchen. Solange konnten Sie zusehn daß Ihre Sternheim unter fremdem Namen möchte ich beynahe sagen vor der Welt aufgeführet wurde und mit halb sovielem Glück, als wenn jedermann gewußt, aus wessen Händen dieses herrliche Geschöpf entschlüpfte. O wahrhaftig starke Seele, müssen doch Männer Ihnen erröthen und zittern. Lassen Sie mich aufrichtig reden, der Name des Verfassers komischer Erzehlungen war keine gute Empfehlung für einen Engel des Himmels der auf Rosengewölken herabsank das menschliche Geschlecht verliebt in die Tugend zu machen, dieser Name warf einen Nebel auf die ganze Erscheinung und ich danke Ihnen eben so eyfrig, daß Sie ihn mir von den Augen genommen als ich Ihnen das erstemahl für Ihre Schöpfung gedankt haben würde. Und wie es mir in die Seele hinein Vergnügen macht, daß ich mich in der Ahndung auch um kein Haar
<page index="3"/>verschnappt, W. habe nur die Noten und die Vorrede gemacht, denn sie sind so ganz sein würdig. Ich verkenne diesen Mann nicht, aber er hätte mit mehrerer Ehrfurcht dem Publikum ein Werk darstellen sollen, dessen Verfasserin zu groß war selber auf dem Schauplatz zu erscheinen und dies soll geahndet werden.
<line type="empty"/>
<line tab="1"/>Gnädige Frau! nennen Sie Ihr Mädgen nicht phantastisch, ich hoffe es werden Zeiten erwachen die itzt unter dem Obdach göttlicher Vorsehung schlummern, in denen Leserinnen von Ihnen Ihr Buch das sie jetzt noch als Ideal ansehen, zur getreuen Copey machen werden. Wenn Sie doch für jedes <fn index="5"><anchor>#</anchor></fn> Alter dergleichen Ideale schüfen! Sie würden alle einen Thon haben, weil sie aus Ihrem Herzen kämen, das sich in dergleichen Gemählden nur selbst abdruckt. Liebe gnädige Frau! der Himmel belohne Sie. Wär es auch nur für all die wollüstigen Tränen die Sie mir haben aus den Augen schwärmen machen und in denen die ganze Welt um mich her verschwand
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<line type="break" />
<sidenote pos="left bottom" page="3" annotation="links unten"> <fn index="5"><anchor>#</anchor></fn> weibliche
<sidenote pos="left bottom" page="3" annotation="links unten"> <fn index="5"><anchor>#</anchor></fn> weibliche</sidenote>
<page index="4"/>
<line tab="1"/>Wenn ich bedenke, daß und womit ich Ihnen Freude gemacht habe, so werde ich stolz auf mich selber und danke dem Himmel für die Stunde in der er mich hat geboren werden lassen, für die Leiden, den schönen krummen Pfad durch den er mich bis zu Ihnen hinaufführte, daß ich wenigstens Ihr Angesicht sehen kann. Ich habe nur den ersten Brief in der Iris gelesen und Sie gleich wieder darin gefunden. Lebt solch eine Freundin wirklich die mit den geheimsten Bewegungen Ihrer grossen Seele vertraut ist, so sei sie dem Himmel gesegnet, mit Ihnen die Zierde unsers Säculums. Was sollen wir schmeicheln liebe gnädige Frau, mich däuchte der erste Brief mit mehr Feuer geschrieben als die nachfolgenden. Binden Sie doch Goethen ja recht ein, mir wenns möglich die nächstfolgenden im Mskpt mitzutheilen, ich werde mit diesem Heiligthum gewissenhafter umgehen als W. Nicht ein Wort in diesem ganzen Briefe habe ich gesagt, das nicht mit der vollen Empfindung meines Herzens ausgesprochen, das ich nicht vielleicht weit stärker gebraucht haben würde wenn ich in einer andern Himmelsgegend und Zeitraum <ul>von Ihnen</ul> gesprochen hätte
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<line type="break" /></sidenote> <align pos="right">x x x</align>
<line tab="1"/>Wenn ich bedenke, daß und womit ich Ihnen Freude gemacht habe, so werde ich stolz auf mich selber und danke dem Himmel für die Stunde in der er mich hat geboren werden lassen, für die Leiden, den schönen krummen Pfad durch den er mich bis zu Ihnen hinaufführte, daß ich wenigstens Ihr Angesicht sehen kann. Ich habe nur den ersten Brief in der Iris gelesen und Sie gleich wieder darin gefunden. Lebt solch eine Freundin wirklich die mit den geheimsten Bewegungen Ihrer grossen Seele vertraut ist, so sei sie dem Himmel gesegnet, mit Ihnen die Zierde unsers Säculums. Was sollen wir schmeicheln liebe gnädige Frau, mich däuchte der erste Brief mit mehr Feuer geschrieben als die nachfolgenden. Binden Sie doch Goethen ja recht ein, mir wenns möglich die nächstfolgenden im Mskpt mitzutheilen, ich werde mit diesem Heiligthum gewissenhafter umgehen als W. Nicht ein Wort in diesem ganzen Briefe habe ich gesagt, das nicht mit der vollen Empfindung meines Herzens ausgesprochen, das ich nicht vielleicht weit stärker gebraucht haben würde wenn ich in einer andern Himmelsgegend und Zeitraum <ul>von Ihnen</ul> gesprochen hätte
<line type="break" /> <align pos="right">x x x</align>
<sidenote pos="left" page="4" annotation="am linken Rand, vertikal">
<line tab="1"/>Alles alles schicken Sie mir was Sie gemacht haben, auch das französische. Ich muß Sie ganz kennen lernen und das grad in dieser Lage meines Herzens. Hier ist meine Adresse. Was kannֹ<aq>S</aq>s mir auch schaden Ihnen meinen Namen zu sagen. Es ist so der <ul>kürzeste</ul> Weg. Und ich habe viele Namensvetter, die auch Goethen kennen.
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<line tab="1"/>Alles alles schicken Sie mir was Sie gemacht haben, auch das französische. Ich muß Sie ganz kennen lernen und das grad in dieser Lage meines Herzens. Hier ist meine Adresse. Was kannֹs mir auch schaden Ihnen meinen Namen zu sagen. Es ist so der <ul>kürzeste</ul> Weg. Und ich habe viele Namensvetter, die auch Goethen kennen.
<line type="empty" />
<line type="break" /></sidenote>
</letterText>