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	Einpflegung von Brief 36.
This commit is contained in:
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| 			JMR Lenz | ||||
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| 			<sidenote pos="bottom" annotation="am unteren Rand der zweiten Seite">  | ||||
| 			<sidenote pos="bottom" page="2" annotation="am unteren Rand der zweiten Seite">  | ||||
| 				<align pos="center">ich wünscht ich könnte den Kopf in mein innerstes Herz hineinzeichnen damit er mir zu allen Stunden  | ||||
| 				und Augenblicken gegenwärtig wäre</align> </sidenote> | ||||
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| 			erzählen. Adieu. <line type="empty"/> | ||||
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| 			Den 14 Juni 74. spät.</letterText> | ||||
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| 		<letterText letter="36"><hand ref="11"> | ||||
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| 			<line tab="1"/>Liebster Bruder! Ihre zwo Sturmtage sind vorbey, und Sie wieder fort. Sie reisen ja wie die Apostel,  | ||||
| 			und die Ruhe die Sie haben bleibt in den Reiswägen sitzen wo sie noch obendrauf der Staub stöhrt.  | ||||
| 			Mag die Lebenskraft Gottes ob Ihnen schweben und den Saamen befeuchten den Sie ausstreuten,  | ||||
| 			mag vstündiger Schlaf bey Ihnen die Wirkung von längerem haben und Ihnen der Glaube helfen der  | ||||
| 			mir Wunderglaube ist. Ihnen folgt mein Herz nach nicht meine Worte. Dunkle! – dunkle Wünsche  | ||||
| 			drinne die ich denen zugesellen die mir noch immer erfüllt wurden. Sie waren mir so nahe so nahe!  | ||||
| 			so sprachvoll und so stumm! Nicht Mangel an Vertrauen war’s, denn ich weiß es, mein Herz steht  | ||||
| 			Ihnen offen – aber ich weiß es was es ist: meine Empfindung ist noch nicht aufgelöst! Und ich seufze  | ||||
| 			nach dem. Wo’s geschehn wird weiß der der über meine Existenz wacht und in dem ich allein ruhen  | ||||
| 			möchte!! Dort drüben denke ich, wohin mir ein Alpenhohes Gebürg den Blick verbeut. Ich bin nicht  | ||||
| 			unruhig – ängstlich wollt ich sagen – bin ich nicht, aber – ich strebe. O mein lieber! Nicht stöhre itzt  | ||||
| 			Mitgefühl die ganze Wonne, die ich über Sie hin wünsche und die Ihnen der Geber schenkt! <line type="empty"/> | ||||
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| 			<line tab="1"/>Grüssen Sie Goethe. Eine Ode auf Erwins himmeldeutenden Finger versprachen Sie. Ihr … Herr Pf.  | ||||
| 			Bekommt am <note>Planetensymbol für Mittwoch</note> Ihr Billet in einem von Lenz und ein Paar Worte von mir  | ||||
| 			laufen mit. Ihnen aber blick ich nach und bin <line type="break"/> | ||||
| 			O mein Theuerster! <line type="break"/> | ||||
| 			Ihr Röderer. | ||||
| 			Straßburg d. 18. Junius 74. | ||||
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| 			Physiognomik lehrt – Gott von Angesicht zu Angesicht schauen. Gott und Natur effervesciren mit  | ||||
| 			einander auf unaussprechliche Arten, die sich nie unter allgemeine Regeln bringen lassen. | ||||
| 			Das neue Testament ist mir eben so dürre Wüste ohne das alte, als das alte ohne das neue. | ||||
| 			Die Opfer waren kein Vorbild auf Christum – aber Christus war ein Gegenbild der Opfer. | ||||
| 			Die Opfer waren Gesetzgebung für die Juden, Schwung ihre Gesetzgebung in Gang zu bringen.  | ||||
| 			Christus hob die Opfer auf um durch diese Wohlthat uns die Gottheit lieb zu machen. | ||||
| 			Das Leiden Christi ist ganz und gar symbolisch. Die Juden litten für ihre Sünden am Vermögen, wir an  | ||||
| 			Leib und Seele – und Christus leidet mit uns. | ||||
| 			Tauffe und Abendmahl haben gar keinen Zweck, wenn sie nicht täglich wiederholet werden. Die  | ||||
| 			Worte: „Das ist mein Leib“ sind unter allen Worten Christi ganz allen buchstäblich zu verstehen. Bey  | ||||
| 			jedem Bissen den ich in Mund stecke, jedem Tropfen den ich trinke, wünscht’ ich so zu denken –  | ||||
| 			meinen Genuß zu vergöttlichen.  | ||||
| 			<aq>1 Joh. III. 9.</aq>  pekriqhsan proV auton sperma Abraam esmen – ist das gründlichste was jemals von  | ||||
| 			Psychologie ist gesagt worden.</hand>  | ||||
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| 			<note>Lenz’ Hand</note> | ||||
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| 			In Röderers Brief hin – – wie, was von Dank? Ich Dir – ja ich Dir – tausend Dank – für tausend  | ||||
| 			tröstliche Gedanken, die Du mir in meiner Einsamkeit nachgelassen – alle auf die Zukunft –verfolge  | ||||
| 			Deinen Weg – am Ziel hängt der Kranz, am Ziel und wenn Du fortstürmst, wird Dich niemand  | ||||
| 			überholen.  | ||||
| 			Hier gehst Du durch gute u. böse Gerüchte, wie es allen Warheitsausbreitern, wo Licht hinfällt tritt die  | ||||
| 			rückweichende Nacht desto dichter zusammen. Die Kopfhänger ärgern sich daß Du grade gehst,  | ||||
| 			weissagen Dir Hochmuth und Fall – falsche Propheten. Der bessere Theil Menschen bewundert Dich,  | ||||
| 			liebt Dich – viel fragen nach Dir, die Dich nie gekannt – heut ist ein Franzos bey mir gewesen sich  | ||||
| 			Deine Schrift wider den Landvogt Grewel auszubitten. Die Geistlichen sind zwar noch über Dich  | ||||
| 			geteilt doch hast Du bei den meisten durch Deine Gegenwart Dich unaussprechlich legitimirt  | ||||
| 			Lies Röderers Gedanken und schreib ihm zurück drüber Meine Hausleute wollten ihren Augen nicht  | ||||
| 			trauen daß Du sie grüßtest und danken mit Tränen u. Enthusiasmus. Mit Tränen haben manche Deine  | ||||
| 			Klage wider den Landvogt schon angehört und Dich geseegnet. | ||||
| 			Fleuch fort fleuch auf Deinem Wagen Lavater! und laß Dich von niemand überholen.  | ||||
| 			<align pos="right">Lenz</align>  | ||||
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| 			<sidenote pos="top" page="1" annotation="am oberen Rand, horizontal gespiegelt"> | ||||
| 			Willstu mir eine süsse Stunde machen so schick Kleisten einen Gruß. - Aber bring bring Göthen von  | ||||
| 			mir – – was? Dich. Ich möcht ihm meine Seele schicken denn ich habe Hofnungen zu ihm, die wie die  | ||||
| 			Sonne vor Tage nur noch den Antipoden sichtbar. Ach ich leide – aber Bruder Eure Hofnung  | ||||
| 			schimmern mir in meiner Nacht, daß ich den zögernden Tag nicht anklage.</sidenote></letterText> | ||||
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