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@@ -1401,9 +1401,9 @@ Und doch muß ich meinen Entschluß vor Ihnen verbergen. –
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<letterText letter="74"><page index="1"/><align pos="right">Kehl am 2. Oct. 1775</align>
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<line tab="1"/>Ich schreibe dieß auf deutschem Grund und Boden. Sie sind ein Deutscher und ein Mann. Ich danke Ihnen für Ihr Zutrauen. Ich habe keine kritischen Aufsätze, habe aber in Strasburg eine Gesellschaft junger gelehrter Freunde die ich durch Ihren Brief aufgemuntert habe, etwas fürs Vaterland zu arbeiten. Aus dem was sie bei unsern Zusammenkünften schon vorgelesen, läßt sich viel viel hoffen und welche Wonne würde ich haben, mit dieser Baumschule dereinst Ehre einzulegen. Ihrem Urtheil wird es anheim gestellt seyn, anzunehmen oder zu verwerfen, was Ihnen zugeschickt wird. – – Nun noch ein Wort unter uns beyden. Sie haben Buchhändlerverbindungen, ich will kann und werde nie welche haben. Vielmehr suche ich Journalisten und Buchhändler zu turlupiniren so viel ich kann, bis sie gescheidter werden, und denen Leuten, von denen sie Leben und Othem haben, mit mehr Ehrfurcht begegnen lernen. – Können Sie mir, deutscher Mann, – einen Jungen in die Welt bringen helfen, der rasch und wild und frey ist wie sein Vaterland? Sie sollen einst spät seinen Dank dafür haben. Alles was Sie für ihn einnehmen, ist Ihre oder der Leute, denen Sie es gönnen wollen. <it>Mir ist nur</it> darum zu tun, daß er in die Welt kommt wirkt und lebt, sollt er seinem Vater auch selber durch seinen Muthwillen den Hals brechen. Er heißt die Wolken, aus dem Griechischen des Aristophanes. Lerm macht er das ist gewiß denn ich habe kein Feuer an ihm gespart – und der Ausgang wird gut seyn. – Sie haben alle Ansprüche auf die Erkenntlichkeit eines zärtlichen und besorgten Vaters. Können Sie ihn nur die schröckliche Küste der Censur vorbeiführen. Denn Anomalien sind genug darin. Wäre das nicht, so würd ich ihn nicht für meinen Sohn erkennen. – Ich erwarte aufs geschwindeste eine kategorische Antwort damit ich meine Maßregeln nehmen kann! Denn hier ist <aq>periculum in mora.</aq> Sollte denn in Deutschland keine Presse sein, wo etwas unzensiert könnte gedruckt werden. Auch in Lemgo nicht z. E. oder in irgend einer Reichsstadt? Wie gesagt, ich nehme keinen Heller, nur daß mein Name vor der Hand verschwiegen werde.
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<line type="break"/><align pos="right">Jacob Michael Reinhold Lenz.
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<line type="break"/>Ich bitte um baldmöglichste Antwort.</align>
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<line tab="1"/>Ich schreibe dieß auf deutschem Grund und Boden. Sie sind ein Deutscher und ein Mann. Ich danke Ihnen für Ihr Zutrauen. Ich habe keine kritischen Aufsätze, habe aber in Strasburg eine Gesellschaft junger gelehrter Freunde die ich durch Ihren Brief aufgemuntert habe, etwas fürs Vaterland zu arbeiten. Aus dem was sie bey unsern Zusammenkünften schon vorgelesen, läßt sich viel viel hoffen und welche Wonne würde ich haben, mit dieser Baumschule dereinst Ehre einzulegen. Ihrem Urtheil wird es anheim gestellt seyn, anzunehmen oder zu verwerfen, was Ihnen zugeschickt wird. – – Nun noch ein Wort unter uns beyden. Sie haben Buchhändlerverbindungen, ich will kann und werde nie welche haben. Vielmehr suche ich Journalisten und Buchhändler zu turlupiniren so viel ich kann, bis sie gescheidter werden, und denen Leuten, von denen sie Leben und Othem haben, mit mehr Ehrfurcht begegnen lernen. – Können Sie mir, deutscher Mann, – einen Jungen in die Welt bringen helfen, der rasch und wild und frey ist wie sein Vaterland? Sie sollen einst spät seinen Dank dafür haben. Alles was Sie für ihn einnehmen, ist Ihre oder der Leute, denen Sie es gönnen wollen. Mir ist <it>nur</it> darum zu thun, daß er in die Welt kommt wirkt und lebt, sollt er seinem Vater auch selber durch seinen Muthwillen den Hals brechen. Er heißt die Wolken, aus dem Griechischen des Aristophanes. Lerm macht er das ist gewiß denn ich habe kein Feuer an ihm gespart – und der Ausgang wird gut seyn. – Sie haben alle Ansprüche auf die Erkenntlichkeit eines zärtlichen und besorgten Vaters. Können Sie ihn nur die schröckliche Küste der Censur vorbeiführen. Denn Anomalien sind genug darin. Wäre das nicht, so würd ich ihn nicht für meinen Sohn erkennen. – Ich erwarte aufs geschwindeste eine kathegorische Antwort damit ich meine Maßregeln nehmen kann! Denn hier ist <aq>periculum in mora.</aq> Sollte denn in Deutschland keine Presse seyn, wo etwas uncensirt könnte gedruckt werden. Auch in Lemgo nicht z. E. oder in irgend einer Reichsstadt? Wie gesagt, ich nehme keinen Heller, nur daß mein Name vor der Hand verschwiegen werde.
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<line type="break"/><align pos="right">Jacob Michael Reinhold Lenz.</align>
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<line tab="1"/>Ich bitte um baldmöglichste Antwort.
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<letterText letter="75"><page index="1"/><align pos="right">Den 5. Oct. 1775.</align>
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