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Einpflegung von Brief 339.
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gesprochen und alle Ursache von der Welt mit dieser <ul>neuen</ul> Bekanntschaft höchst zufrieden zu seyn.
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Auch hat er mir einige Vorschläge gemacht etc.</letterText>
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<letterText letter="339"><line tab="1"/>Theurester Vater! O warum muß die Post so verrätherisch eilen, mir einen so kurzen Ausbruch der
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zärtlichsten Empfindungen verstatten. Sie werden aus der Beilage sehen, warum ich mit dieser Post
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schreiben muß! Kein Wort weiter. Ich hab es an einem Ort gesagt, wo es der Welt bekannt werden
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soll, daß solch ein Vater und solch ein Freund die höchste Gabe der Vorsicht seyn! <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Theurester Vater! Sie werden mit der Vorletzten meine ungerechten Briefe erhalten haben. Sehen Sie
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aus dieser Beilage, was meine Ausdrücke so dringend und heftig machte. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Ich ließ mich kurz vor der Abreise bey Sr. Exl. dem Herrn Graf Browne, Sohn – melden. Er nahm meinen
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Besuch an, ich sollte den andern Tag um sieben Uhr Morgens kommen. Unglücklicher weise arbeitete ich
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eben an dem Lyrischen Gedicht, womit ich nicht fertig zeitig genug werden konnte, also ihn schon nach
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Peterhoff verreist fand. Ich kann es ihm also noch nachschicken und er könnte es noch bekommen, wenn
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Sie die Gütigkeit haben wollten, es Ihrer Erl. der theuren Gemalinn unsers hohen Gönners zu übergeben
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oder durch sie den Weg erführen, es dem Herrn Grafen, entweder selbst zu übergeben, oder zuzuschicken.
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Es wird gewiß gut aufgenommen werden, da der Kaiser den ich Gelegenheit gehabt zu sehen – ein Freund
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der deutschen Musen, besonders der Klopstokischen ist – und es gern sieht wenn sie sich an ihn wenden. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Die Veranlassung des Gedichts war eine Begebenheit in Peterhoff die hier allgemeine Sensation gemacht.
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Der Grosfürst spaziert mit dem Kaiser – er führt ihn in seinen Lustgarten, den die Grosfürstin anlegen
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lassen. Der Kaiser sieht Mäurer, fragt, was da gebaut werde. Der Grosfürst umarmt ihn, er solle den
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Grundstein legen. Es sey ein <b>Tempel der Freundschaft,</b> den er errichten wolle. Alle Umstehenden weinten
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– so wie der Kaiser und der unnachahmliche Grosfürst von Rußland. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Der Tittel ist aus der heydnischen Mythologie, am besten geschickt, die Geheimnisse der Höfe einzukleiden.
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Semele bedeuten die Zuschauer und Rusland überhaupt. Sie bat sich von Jupitern dem Vater der Götter
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die Gunst aus, ihn ohne Wolke zu sehen. Sie ward ihr gestattet, und sie ward von dem Feuer verzehrt, das
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ihn umgab. – – – Das übrige wird Ihnen Freund Hartknoch mit errathen helfen, da bei einem lyrischen
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Gedicht eine gewisse Dunkelheit unvermeidlich ist, denn sobald man Erläuterungen dazu setzt, ist es nicht
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lyrisch mehr. Unverständlich wird es den Personen, die es angeht nicht seyn da es in der Sprache
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ihres Hofes und in Beziehung auf ihre Thaten geschrieben ist. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Noch eins. Wenn Freund Hartknoch, an den ich mit dieser Post unmöglich Zeit behalte zu schreiben – es
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druken wollte – nur für Freunde – so steht es bei ihm. Nur bäte ich, die Interpunktion richtig zu besorgen
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und meinen Namen vorn wegzulassen. – Der Kaiser Deutschlands verdient bey Catharinen zu glänzen. – Doch
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ist mir die Uebergabe lieber als der Druk. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Nun zum Schluß eine Bitte, die mir innigst am Herzen liegt. Schon lange bester Vater wünscht ich bei der
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Entfernung von Ihnen, wenigstens einen Schatten von Ihnen zu haben. Es ist der Wunsch meines Herzens. Ihr
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Porträt ist überhaupt nicht getroffen und es liegt uns Kindern, es liegt mehrern Menschen daran, etwas
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<b>wahres</b> von Ihnen zu haben. Thun Sie mir diese Väterliche Güte und lassen mir von Bruder Carl Ihre, meiner
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theuresten Mama, auch seinen eigenen Schatten, den Jakob, oder ein guter Freund zeichnen kann zukommen.
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Auch Hartknoch bitt ich sehr um seinen Schatten –. – Tausend zärtlichste Grüße bitte ihm zu sagen. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Ich küsse Ihnen und meiner theuresten Mama tausendmal die Hände und bin nach zärtlichstem Gruß an
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Bruder Carl <line type="empty"/>
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<align pos="right">Ihr theuresten Herrn Vaters gehorsamster Sohn<line type="break"/>
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J M R Lenz.</align> <line type="empty"/>
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auch von Lottgen ein Schatten! – <line type="empty"/>
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Peterbg. d. 5ten Jul 1780</letterText>
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