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Einpflegung von Brief 14 in "briefe.xml".
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<sidenote pos="top left" page="2" annotation="am linken Rand, vertikal">Kleists lesen alle meine Briefe. Wir sind aber Freunde und Du darfst alles frey schreiben, nur nichts
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<sidenote pos="top left" page="2" annotation="am linken Rand, vertikal">Kleists lesen alle meine Briefe. Wir sind aber Freunde und Du darfst alles frey schreiben, nur nichts
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von ihnen.</sidenote></letterText>
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von ihnen.</sidenote></letterText>
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<letterText letter="14">Fort Louis, August 1772 <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Sie bekommen heut’ einen sehr elenden Brief von mir, darum wollt’ ich anfangs lieber gar nicht
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schreiben. Aber <aq>non omnia possumus omnes</aq> dacht’ ich, mit Herrn Rebhuhn und geantwortet
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muß doch seyn. Ich komme eben aus der Gesellschaft dreier lieben Mädchen und einer schönen,
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schönen Frau und in allen solchen Gesellschaften wird das Fleisch willig und der Geist schwach. Wie
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dieser Brief in Ihre Hände kommt weiß ich noch nicht. Es soll ein Hauptmann nach Straßburg gehen,
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der dorthin allerlei mitnehmen wird, unter anderm Ihren <aq>Hobbes civem Malmesburgiensem</aq>,
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den ich mich nicht überwinden kann zu Ende zu bringen. Es geht mir wie einem Kinde, das über ein
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neues Spielzeug eines alten vergißt, das es doch so fest mit seiner kleinen Patsche umklammert hatte,
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als ob es ihm erst der Tod herausreißen sollte. Der Zustand meines Gemüthes ist wie er ist; den Haß
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kann man wohl auswurzeln, aber die Liebe nie, oder es müßte ein Unkraut seyn, das nur die äußere
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Gestalt der Liebe hätte. Wenn mir Einer Mittel vorschlagen wollte, Sie nicht mehr zu lieben, glauben
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Sie, daß diese Mittel bey mir kräftig sein würden? Vergeben Sie mir mein böses Maul, ich wünschte es
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allemal böser als mein Herz. Ich habe einen vortrefflichen Fund von alten Liedern gemacht, die ich
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Ihnen, sobald ich nach Straßburg komme, mittheilen werde. Wollen Sie meine letzte Uebersetzung
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aus dem Plautus lesen, so fodern Sie sie unserm guten Ott ab, denn ich glaube schwerlich, daß sie so
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bald in der Gesellschaft wird vorgelesen werden. Sie haben mir keine Nachricht gegeben, wie sie mit
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der Ietztern gegenwärtig zufrieden sind. Vernachlässigen Sie diese Pflanzschule Ihrer Vaterstadt nicht,
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theurer Freund, vielleicht könnten wohlthätige Bäume draus gezogen werden, auf welche
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Kindeskinder, die sich unter ihrem Schatten freuten, dankbar schnitten: Auch dich hat Er pflanzen
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helfen. Es sieht noch ziemlich wild und traurig in Ihrer Region aus – aber der erste Mensch ward in
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den Garten Eden gesetzt um ihn zu bauen. Wollten Sie wohl einst so gütig seyn, mir, zum
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<aq>aequivalent</aq> für <aq>Hobbes</aq>, noch eine glühende Kohle aufs Haupt zu sammeln und etwa Puffendorfs
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<aq>historiam juris</aq> zu schicken. Oder ein anderes juristisches Buch, denn Jurist muß ich doch werden,
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wenn mir anders die Theologie nicht verspricht mich zum Papst von Rom zu machen. Ich halte viel auf
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die Extreme und Niklaus Klimm’s <aq>aut</aq> Schulmeister <aq>aut</aq> Kaiser ist eine Satire auf Ihren
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Ihnen stets ergebenen <line type="empty"/>
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Lenz. <line type="empty"/>
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Herr von Kleist befindet sich wohl und empfiehlt sich Ihnen bestens.
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