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Einpflegung von Brief 307.
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<align pos="right">Lenz.</align></letterText>
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<letterText letter="307"><align pos="right">Schloß Hegi d. 26. 9br. 1777.</align><line type="break"/>
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<line tab="1"/>Es würde meine innere Ruhe auf ewig stöhren, wenn ich, Verehrungswürdigster Herr Doktor! durch
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meine gutgemeinten Gespräche über Religiose Gefühle und dann über Ihren Freund Lavatern – Anlaß
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zu einigem Verdacht gegeben haben könnte als ob auch nur ein einziges Wort das ich gesprochen,
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durch etwas anders als die damalige Lage meiner Seele die durch meine eben vollendete Bergreise
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gespannt war, könnte veranlaßt worden <page index="2"/> seyn; auch bin ich überzeugt, daß Sie dieselbe
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in diesen Augenblicken so wenig verkannt haben, als Sie sie noch jetzt, wenn Sie sich alles das
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was damals vorgegangen, in einem ruhigen Augenblick vergegenwärtigen wollten, verkennen werden
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und können. Mein Aufenthalt in dem Hause des Herrn Pfarrers Lavaters sollte mich freylich in meinen
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Reden und Handlungen ein wenig fürsichtiger gemacht haben, wenn man bei einem dringendem Herzen
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nur fürsichtig bleiben könnte <page index="3"/> und ich durch fatale Schriftstellerverhältnisse hinaufgeschraubt,
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alle politischen <aq>Reservationes mentales</aq> für Cruditäten in meinem Gewissen zu halten, nicht beruffen
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gewesen wäre. So wenig aber Herr Pfarrer Lavater von meinem Besuch bey Ihnen wußte, da ich eben von
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ihm auszuziehen willens war und schon die Nacht ausser seinem Hause geschlaffen; so wenig, wie ichs
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mit dem theuresten Eyde bekräftigen kann, hat er an irgend einem Wort das ich bey Ihnen gesprochen
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Antheil gehabt, vielmehr bin ich versichert, daß er meine ganze Art zu seyn, nach seinem Gesichtspunkt
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diesesmal äusserst tadelhart ge<page index="4"/>funden haben würde. Da nun aber jeder für <ul>sich</ul> Rede stehen
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muß und ich übrigens im Schooß Ihrer Familie für allen Mißdeutungen meiner Absicht sicher zu seyn glaubte;
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so habe ich diesesmal lieber eine scheinbare Unbescheidenheit wagen, als über gewisse Punkte Ihrer Art zu
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denken und zu fühlen unaufgeklärt und in meinem Urtheil von Ihnen falsch bleiben wollen. Nahmen Sie einen
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Anstand an dieser Behandlungsart, so bitte ich Sie ganz und gar an mir zu ahnden, als aus dessen Charakter
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und Genie sie <ul>ganz allein</ul> geflossen, übrigens aber versichert zu seyn, daß mich fremde Meynungen, wenn sie
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nicht schon vorher in diesen gelegen, niemals verändern können – Uebrigens brauch ichs Ihnen, würdigster
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Herr Doktor! nicht zu versichern daß meine Absichten bey meiner Schweitzerreise, da das Richteramt mein Beruf
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nicht ist niemanden zum Schaden gereichen können. Mit der ehrerbietigstell Empfehlung an Ihre Gemalinn und
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Familie nenne mich<line type="break"/>
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Dero gehorsamsten<line type="break"/>
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Diener Lenz.</letterText>
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</opus>
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