From f731b6f2eb1f5a8d24bff340dfd1067730e992c4 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: GregorMichalski Date: Mon, 21 Oct 2024 17:48:59 +0200 Subject: [PATCH] Einpflegung von Brief 38. --- data/xml/briefe.xml | 81 +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ data/xml/meta.xml | 16 ++++++++ data/xml/traditions.xml | 5 +++ 3 files changed, 102 insertions(+) diff --git a/data/xml/briefe.xml b/data/xml/briefe.xml index 298943d..89bb605 100644 --- a/data/xml/briefe.xml +++ b/data/xml/briefe.xml @@ -1877,6 +1877,87 @@ Ihn zu ihrem Bilde machen. Oder kanns nicht seyn, so mache Mich nur nicht zu seinem Freunde! + + Zürich, Mittw. den 31. Augstm. 1774. + + Ich habe Deinen Brief vom 12. Aug. den ich so gern weitläufig beantwortete; meine Umstände + wollen’s nicht und ich muß mit Ernst nach einer laconischen Kürze ringen, sonst muß ich mir manche + dergleichen Freuden, wie z. B. Briefe an Dich, versagen. + + Von meinen Vorlesungen nichts mehr; sie sind gewiß nüzlich: aber ich sollte mehr wißen, vor mich + und das Publikum, denn mundus vult decipi. O hätt ich Gelehrsamkeit genug, um mit mehr Ansehen + zu zeigen, daß man ohne Gelehrsamkeit – Philosoph – Christ – Kenner des Geistes der Götti. + Offenbarungen – glückselig seyn kann. – + + Raisonnir mir, mein Liebster, über den Menschen so viel Du willst; nur vergiß künftig nie: daß, wenn + der Mensch, das Menschengeschlecht – allenfalls in einem Zustande des Verfalls, der Krankheit ist, + und aus diesem Gesichtspunkte angesehen wer· den muß, – daß dieß alsdann – in manches Urtheil + vom Menschen gewaltigen Einfluß hat. So, wenn der Mensch krank ist, so darf man ihm Diätregeln + vorschreiben, über die er sich nicht als eine grausame Einschränkung seiner Freyheit zu beschweren + hat. Nimm, Lieber! den Begriff der menschlichen Freyheit aus dem Reich der Idealen herunter ins + Reich unserer schlecht und rechten Wirklichkeiten! so wirst finden: Ohne Befehle und Verbote kannst + kein Kind auferziehen; also Einschränkung der Freyheit. Es werde nur Liebe und Zutrauen zum Vater + zum Grundtrieb gemacht. Wär’ nun Analogie zwischen Vater und Kind, und Gott und Menschen (und + ich glaube es ist größer als man denkt) so muß geboten und verboten sein; nur liege auch da Liebe + und Zutrauen zum Grund, sonst ist’s Sclaverey (und doch auch so wäre nur noch die wenigste, + erträglichste und unumgänglichste Sclaverey wovon die Schuld nur einseitig ist). + + Aber freylich hat Gott nicht so eingeschränkt, als der Eremit und die Nonne es wähnen; darüber, + Liebster, sind wir ganz einig. + + Weinen mögt ich mit Dir, wie die Mönchstugend tausend gute Samen in der Menschennatur erstickt. + Ich irrte ehedem hierin auch sehr. Gott zog zurück. – „Christus hat nichts ausrotten wollen, was Kraft + und Anlage im Menschen ist!“ Goldene – bestäubte verkannte Wahrheit! Aber, Liebster! wie manches + Scrüpelchen, das Dir vielleicht doch mehr als recht ist, im Wege steht, müßt wegfallen, wenn wir uns + nur einige Zeit sähen. Von d. Apocalypse izt nichts. Aber „draußen sind die Hunde etc.“ das ärgert + dich? – Gibts einst eine Sammlung der Guten die sich einen Himmel machen, willst Du denn die + Hunde wider drinnen haben, und die Ehebrecher? u. die Bösewichter? – In den Spital mit ihnen, und + sie curirt mit scharfen Mitteln, wenns so seyn muß. pppp. + + Donnerstag morgen um 7 Uhr. + So eben empfang ich Deinen Brief an mich und Paß. und Clavigo. + + Bin ich nicht ein gerechter Mensch, daß ich Clavigo liegen lasse und erst gehe den Brief an Dich zu + vollenden? + + Noch eins auf den vorletzten. Man hat’s in unseren Tagen besonders sehr schwierig machen, wie + Jesus – und daß er nicht buchstäblich zu verstehen sey pp. und ist die Sache so simpel! – so schlecht + und recht, so buchstäblich wie möglich, nur ohne Eulenspiegel-Chicane, alles in der Bahn des + gemeinen bon sens – wie Kinder einen Vater verstehen. (Ausgenommen was seiner Natur nach + räthselhaft seyn mußte, prophetisches und was er genirt war herauszusagen.) + + Z.B., wenn ich Dir sagte, ich hab Deinen Hofmeister neulich gelesen – ich rathe Dir, schreib nichts + mehr!“ (was ich aber weder in der gegenwärtigen, noch zukünftigen Welt nie zu Dir sagen werde). + Nun sieh, wie simpel buchstäblich das zu verstehen wär. Wie gefiel uns nun folgendes Raisonnement + (der neumodischen Theologen) darüber: „das könne unmöglich im eigentlichsten Wortverstande + genommen werden, daß Du keine Feder mehr anrühren, keinen Brief u.s.w. schreiben dörfest u.s.w. + also, weil’s nicht buchstäblich zu verstehen sey, so werde es sagen wollen, Du sollest eben keine + Folianten mehr in Druck geben, bisweilen ein Drama habe just nichts zu sagen, es sey ja nicht + buchstäblich zu verstehen – das nichts“ etc. + + Lav. ist höchst vergnügt von seiner Reise zurückgekommen, hatte herrliche Seelen angetroffen – + Engelseelen in weiblicher und männlicher Gestalt – die Dich, Bruder, mit der Welt aussöhnen würden. + pp. Aber des Wiedersehens Wonne, o mein Lenz! – hättst Du auch einen Lavater, von dem Du Dich 10 + Wochen trennen könntest, und ihn wiedersehen! – Sonst hast Du Lavatern, so sehr Du ihn haben + kannst. Er spricht mit Enthuasiasmus von Lenzen. Und wir werden uns alle noch recht nahe kommen. + + Studierst Theologie? predigest? bist ordinirt? etc. Sag mir was hievon. Schick mir auch Deine und + Röderers Silhouettes. Grüß mir ihn brüderlichst. Paß. wird selbst schreiben. + + Wie verstehst das „Was Gott an Goethe getan –“? Doch versteh ich’s vielleicht, wenn ich Clavigo + gelesen habe. + + Verzeih mein Sudeln. Mein Kopf und Herz und Hand sudeln bisweilen. + + Siehst meine offenen Arme? Komm ich drücke Deine Brust an meine, und küsse Dich! Kannst beten, + so bitt auch für mich. + + Conr. Pfenninger. + + Deine Schriften erwart’ ich mit Verlangen. Es ist kein Zürcher so verliebt darein, wie ich. + + Adresse + Herrn Lenz durch Herrn Candid. Röderer, neben der Neu Kirch in Straßburg. diff --git a/data/xml/meta.xml b/data/xml/meta.xml index fd568c3..d35aca7 100644 --- a/data/xml/meta.xml +++ b/data/xml/meta.xml @@ -566,6 +566,22 @@ + + + + + + + + + + + + + + + + diff --git a/data/xml/traditions.xml b/data/xml/traditions.xml index ef0c800..a15347a 100644 --- a/data/xml/traditions.xml +++ b/data/xml/traditions.xml @@ -237,6 +237,11 @@ + + + Freye/Stammler I, S. 78–81 + +