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	Einpflegung von Brief 333.
This commit is contained in:
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| 			<line tab="1"/>Wenn Sie als Arzt Predigten über die Blatterneinimpfung von einem der ersten Redner unsers Landes lesen und  | 			<line tab="1"/>Wenn Sie als Arzt Predigten über die Blatterneinimpfung von einem der ersten Redner unsers Landes lesen und  | ||||||
| 			allgemeinmachen helfen wollen, so wird Ihnen Herr Bause den Subskriptionsplan dazu geben können.</letterText> | 			allgemeinmachen helfen wollen, so wird Ihnen Herr Bause den Subskriptionsplan dazu geben können.</letterText> | ||||||
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|  | 		<letterText letter="333"><align pos="right">St Petersbg d. 15 April 1780</align><line type="empty"/> | ||||||
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|  | 			<line tab="1"/>Endlich Theurester Lavater! kann ich Ihnen aus Petersburg schreiben Ihnen der meinem Herzen so nah  | ||||||
|  | 			liegt, an dem Tage wo ich die heiligen Pfänder der höchsten Liebe genoß, ohne Zerstreuung schreiben.  | ||||||
|  | 			Ich weiß nicht, ob Sie meinen Brief als Coúvert aus Riga erhalten ich habe den Mann itzt selbst kennen  | ||||||
|  | 			gelernt, dessen Brief er damals einschloß, es ist wie alle Schweitzer, auch in den verschiedensten  | ||||||
|  | 			Klimas noch immer ein guter echter Schweitzer, der Ihre Lieder gelesen. Er wird bald zurückkommen, wo  | ||||||
|  | 			sein Herz schon voranfliegt und ich hörte mit Vergnügen ihn seine Eleven ermahnen sich so aufzuführen,  | ||||||
|  | 			daß sie dessen werth seyn, die Schweitz zu sehen. Prof. Güldenstedt führte mich zu ihm, der Ihr ungeheuchelter  | ||||||
|  | 			Freund ist – auch unsers Freundes Kaufmann sich offt noch mit vieler Wärme erinnert; mir die Plätzgen gewiesen,  | ||||||
|  | 			wo er spazieren zu gehen gewohnt war und durch ihn für Ihr ganzes Vaterland als mehr als Buchstaben- und  | ||||||
|  | 			Bücherfreund gestimmt scheint. Ich bin stolz auf diesen <ul>Landsmann</ul> in Petersburg. Seine Reisen bis an den  | ||||||
|  | 			Caukasus haben ihn auf einer andern Abdachung der Erde (daß ich mich des <ul>gemeinen</ul> Ausdrucks bediene) Gott  | ||||||
|  | 			erkennen lehren. Er wohnt beim alten verehrungswerthen Euler und dessen gelehrten – Sohn im Hause, von welchen  | ||||||
|  | 			Personen allen, wie auch besonders der Frau des letztern ich Ihnen die Silhouetten wünschte. Vielleicht schicke  | ||||||
|  | 			ich sie durch Füesli; vielleicht haben Sie sie auch schon. <note>Verweiszeichen 1</note> Ein interessanter Mann ist mir  | ||||||
|  | 			auch einer der hiesigen Grössern geworden, der Vizepräsident im hiesigen Reichsjustizkollegio. <note>Verweiszeichen 2</note>  | ||||||
|  | 			Herr Kreidemann – dem ich mehr als einen Abend von Ihnen <page index="2"/> habe vorerzählen müssen, der mir auch ein  | ||||||
|  | 			Briefgen an Sie geben wollte, um keines Geschäfts willen, wie sich der ganz liebe Mann ausdrückte, sondern um  | ||||||
|  | 			Ihnen seine <ul>Hochachtung zu bezeugen.</ul> Das Briefgen konnt er nun wohl seiner überhäuften Geschäfte wegen (da wirklich  | ||||||
|  | 			die Last des ganzen Gerichts – das ausser dem Senat für alle liefländische Sachen die letzte Instanz ist, fast auf  | ||||||
|  | 			ihn allein ruht, weil in Rußland gemeinhin die Collegia mit verdienten Militärpersonen besetzt werden, die von Recht  | ||||||
|  | 			keine Ideen haben.) nicht schreiben, aber die wärmste und herzlichste Empfehlung folgt von ihm mit. Er erkundigte sich  | ||||||
|  | 			nach Ihrer Physiogn. umständlich, auch nach der französischen Uebersetzung von der hier alles voll ist. Bester Gönner  | ||||||
|  | 			von der letzten wußt ich ihm nichts zu sagen und Ihnen wahr zu gestehen, begreif ich sie kaum: Vielleicht hat der wackere  | ||||||
|  | 			Waffenträger Ehrmann Theil daran – er kann stolz darauf seyn, denn in der That es ist das einzige Mittel, Ihre Ideen bei  | ||||||
|  | 			einem gewissen Theil von Vornehmem in Gang zu bringen, der oft zu ihrer Ausführung und Benutzung der wichtigste ist. Ich  | ||||||
|  | 			machte Kreidemann Hofnung zu Ihrem Werk von den Phys. Linien und dem Gebrauch derselben, das Geschick unbekannter Personen  | ||||||
|  | 			zu ihrer künftigen Bestimmung zu erfahren. In Petersburg, fiel auch er bei, würde dieses hauptsächlich nöthig seyn – und  | ||||||
|  | 			ich denke, er selbst würde viel Gebrauch davon machen. Sein Gesicht ist sehr blaß – vom Arbeiten sichtbar angegriffen also  | ||||||
|  | 			nicht in der natürlichen Farbe – die Stirn aber ungemein hervorstechend über den Augknochen, das Auge erstaunend  | ||||||
|  | 			ausgearbeitet: der Mund fast ein wenig Sokratisch ungestalt, wenn er lacht, aber doch nicht ohne Reitz. Güldenstedt  | ||||||
|  | 			hat ungemein viel <page index="3"/> Reinheit und Redlichkeit in seinem Gesicht – der Spiegel seines Betragens (ich wäre begierig,  | ||||||
|  | 			ob Sie sie der Beschreibung nach erkennten, ohne sie genannt zu lesen:) um zu sehen ob ich etwas Physiogn. Sinn bey  | ||||||
|  | 			Ihnen gewonnen, womit ich mich wenigstens hier breit mache. Nun damit wir die Leiter heraufmachen – von unsern Grossen  | ||||||
|  | 			kenn ich noch zu wenig vielleicht läßt sich künftig mehr sagen. Aber die Landesherrschaft – Freund und Vater! – soviel  | ||||||
|  | 			ich mich erinnere hat sie – hat sie keinen Platz in der Physiognomik, kann auch nach den Carrikaturen von Kupferstich  | ||||||
|  | 			die von ihnen kursiren, keinen haben. Künftig mehr von diesem Punkt: er ist mir heilig – – <line type="empty"/> | ||||||
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|  | 			<sidenote pos="bottom" page="1" annotation="am unteren Rand der ersten Seite"><!-- Gehören die beiden Verweise zu der Randeinfügung? --> | ||||||
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|  | 			<note>Verweiszeichen 1</note> eben höre von ihnen selbst, daß Sie sie schon haben <line type="empty"/> | ||||||
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|  | 			<note>Verweiszeichen 2</note> dem obersten Collegio nach dem Senat</sidenote> <line type="empty"/> | ||||||
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|  | 			<line tab="1"/>Ich erinnere mich ein und des andern Mündlichen – – und daß Sie damals <ul>fehlten.</ul> Wie konnts auch anders, denn was ist  | ||||||
|  | 			aller Schatten, durch soviel Hindernisse zu Ihnen gelangend, gegen Wirklichkeit. <ul>Stärke</ul> z. B. mein Gönner! – wo Sie  | ||||||
|  | 			Hang <ul>zur Wollust</ul> fanden, der auch freylich wie beym Sokrates kann überwunden worden seyn. Ich habe sie nur einmal  | ||||||
|  | 			nahegesehen (als sie die Deputierten der neuen Provinzen in Polen zur Audienz ließ – ein interessanter Anblick) – und  | ||||||
|  | 			ich sah die –  –<ul>Gesetz</ul>geberin – und die Gesetzgeberin eines halben Theils der Erde. Und worauf ich am kühnsten bin – die  | ||||||
|  | 			unmittelbare – das spricht aus ihrem Blicke. Sie ist alle Morgen vor 6 auf und arbeitet allein – und die Zeit ihrer  | ||||||
|  | 			Vergnügen ist – (ein beyspielloses Muster –) ausgemessen. Auch reden alle ihre Entwürfe Plane und Ausführungen mit ihrem  | ||||||
|  | 			Gesicht überein – das wahrhaftig im strengsten Sinn des Worts – Kayserlich ist – Ich schwärme nicht. Ihr Blick hat nicht  | ||||||
|  | 			das schröckende Feuer des alten Friedrichs aber doch genug um den zu Boden zu werfen, der’s vergessen wollte daß sie  | ||||||
|  | 			einen halben Welttheil durchdringt. Im Nacken <page index="4"/> in der Haltung des Kopfs, in der Brust alles voll Kraft und  | ||||||
|  | 			<ul>fortwährender</ul> Anstrengung – – der Großherr ist der Pendant zu ihr. Soviel ähnliches von Mutter auf Sohn hab ich selten  | ||||||
|  | 			gesehen nur ist Güte der Seelen am Munde, wenn er nicht angestrengt ist noch das Zeichen, das ihm die Sorgen der Haltung  | ||||||
|  | 			eines ganzen Reichs fehlen. Man sieht ihm am Gesicht an, daß er unermüdet arbeitet – auch soll er in allen Fächern der  | ||||||
|  | 			Wissenschaften seine Meister suchen. Sein Geschmack ist so rein und ohne Fehl und Eigensinn, daß ich von der Seite uns  | ||||||
|  | 			Glück wünschen wollte, wenn wir die Arrangements der Deutschen und Ausländer nur hier ganz so hätten, was Städte  | ||||||
|  | 			Bücherumsatz p. betrift. Doch künftig hiervon ein mehrers und besseres; wie von unsern Grossen überhaupt, von denen ich  | ||||||
|  | 			die wenigsten kenne. Der geheime Rath und Ritter Betzky ist ein würdiger Greis, dem Heiterkeit und stille frohe  | ||||||
|  | 			Thätigkeit aus jeder Miene leuchtet. Er hat so ganz das Schweitzerhaffte – mehr aber doch aus den Bernergegenden her.  | ||||||
|  | 			So seine Tochter und sein Schwiegersohn, von denen ich Ihnen ein andermahl schreibe: wenn meine Situation und deren  | ||||||
|  | 			Entscheidung mich näher mit ihnen bekannt gemacht, denn ich hoffe beym Cadetkorps anzukommen. Den Sächsischen Minister  | ||||||
|  | 			besuche ich oft, dessen Gesicht viel richtigen Verstand u. ein offenes u. wohlwollendes Herz weist. Vielleicht auch  | ||||||
|  | 			von dem eine Silhouette. Einige der Günstlinge des Großfürsten schickte u karakteriserte ich Ihnen gern – vielleicht  | ||||||
|  | 			kann ichs künftig besser. Ob Kaufm. Urtheile mit meinen übereinstimmten, wär ich begierig zu wissen. Besonders von den  | ||||||
|  | 			Grossen Orlovs – – Gallizin Schwäger Or. Der Gouverneur von Liefland würde Ihren ganzen Beyfall erhalten. Eine so  | ||||||
|  | 			gewölbte Stirn, soviel eherne Treue und ausharrende unzertrümmerliche Redlichkeit finden Sie nicht leicht in dem Gesicht–  | ||||||
|  | 			(auch in dem Karakter) eines andern Grossen. Seine Gemalinn – und einige Grosse von Riga werden Sie auch freuen,  | ||||||
|  | 			worunter die geh. Räthin Vitinghoff und die Vizegouverneurin Meyendorf Ihre Lieblinge werden würden. – Auch meine  | ||||||
|  | 			Familie hat Gesichter über die Ihr Urtheil zu wissen begierig wäre. <insertion pos="top">Mein Vater.</insertion> Mein ältester Bruder, den Kaufm.  | ||||||
|  | 			nicht kennt und der doch von ihm gekannt zu werden verdient – Doch ich behalte keinen Platz zur Erkundigung nach dem  | ||||||
|  | 			Befinden Ihrer teuresten Gattin u. Familie und zu der hochachtungs- und dankvollsten Empfehlung. <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			<line tab="1"/><sidenote pos="left" page="4" annotation="Am linken Rand, vertikal">Der Fürst Kurackin das wahre Emblem des immer heitern Geistes – mehrere von denen ich künftig schreibe Die Post geht  | ||||||
|  | 			ab und ich weiß nicht, ob Ihnen daran gelegen ist durch eine andere Gelegenheit als die eines Reisenden wie die itzige,  | ||||||
|  | 			Nachricht zu erhalten von</sidenote><line type="break"/> | ||||||
|  | 			<align pos="center">Ihrem</align><line type="break"/> | ||||||
|  | 			<align pos="right">unverändert und Ihren Freunden ergebensten<line type="break"/>  | ||||||
|  | 			Diener<line type="break"/> | ||||||
|  | 			J M R Lenz.</align> <line type="empty"/> | ||||||
|  | 			 | ||||||
|  | 			<line tab="1"/>Herrn D. Hirzel – allen Herrn Pfenninger – Herrn Schultheß und Gemalin Herrn Füeßli und Breiting, Herrn Schick Herrn Bodmer,  | ||||||
|  | 			Herrn Landvogt Lavater.</letterText> | ||||||
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| 	</document> | 	</document> | ||||||
| </opus> | </opus> | ||||||
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| 		</letterDesc> | 		</letterDesc> | ||||||
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|  | 		<letterDesc letter="333"> | ||||||
|  | 			<date value="St. Petersburg, 15. April 1780" /> | ||||||
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| 		</letterTradition> | 		</letterTradition> | ||||||
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|  | 		<letterTradition letter="333"> | ||||||
|  | 			<app ref="4"> | ||||||
|  | 				Zürich, Zentralbibliothek, RP 20, Nr. 26 | ||||||
|  | 			</app> | ||||||
|  | 		</letterTradition> | ||||||
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| 	</traditions> | 	</traditions> | ||||||
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