Einpflegung von Brief 300.

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GregorMichalski
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<align pos="right">Lenz</align><line type="break"/>
Zürich. D. 28sten Sptbr. 1777.</letterText>
<letterText letter="300"><align pos="center">Hochedelgebohrner Herr<line type="break"/>
Insonders hochzuehrender Herr Rathsschreiber</align> <line type="empty"/>
<line type="empty"/>
<line type="empty"/>
<line tab="1"/>Nur zu lange habe ichs anstehen lassen Ihnen mein verehrungswürdiger Freund und Gönner für alle Ihre
mir in und ausser Basel erzeigten Gütigkeiten schriftlich meinen verbindlichsten Dank
abzustatten, da ich mir diese Genugthuung bey meiner Unschlüssigkeit in Zürich zu bleiben,
immer Persöhnlich vorbehielt. Die Personen an die Sie so gütig waren mir und Hn v. Hohenthal
Adressen mitzugeben, der bey seiner Rückreise seine Aufwartung zu machen nicht ermangelt haben
wird, verdienen in der That alle Aufmerksamkeit und Achtung der Reisenden, besonders Herr
Tscharner in Rolle, von dem wir viele Gegenempfehlungen zu versichern haben. Herr Schmidt in Nion
ist vollkommen so, wie Sie ihn beschrieben, doch hat sein lichtbraunes Auge bey all seiner Schüchternheit
einen weiten Blick.<line type="break"/>
<page index="2"/>
<line tab="1"/>Mein gegenwärtiger Aufenthalt in Zürich wird mir täglich interessanter und ich werde mich genöthigt sehen
ihn zu verlängern, wenn ich alle die Vortheile daraus ziehen will, die er mir in mehr als einer Rücksicht
anbietet. Die Nachbarschaft der kleinen Cantons macht ihn mir, solange die Witterung noch günstig, doppelt
so wichtig und die Persöhnlichen Bekanntschaften die sich hier wegen mehrerer Zerstreuungen langsamer machen,
sind desto anziehender, je länger man sie kultivirt. Die Streittigkeiten unter den Gelehrten sind ein blosser Nebel
den unbehutsame Reisende durch herausdämpfung ihrer Eigenliebe um sie herumgezogen und der verschwinden würde so
bald jeder sein ganzes Verdienst kennte. Das meiste aber wie gesagt, in diesem Zauber- und Schwindeltrank ist von
Fremden hineingemischt, denen ich bey Gelegenheit eine kleine Lektion zu geben hoffe, damit sie uns andern die weniger
Extrapost reisen, das Spiel nicht verderben<line type="break"/>
<page index="3"/>
<line tab="1"/>Herr Brydone soll, wie mir Herr Geßner sagte, in Lausanne an Briefen über die Schweitz schreiben, ohnerachtet er in
Zürich nur einige Tage gewesen. Vielleicht wissen Sie mehr davon. Der Reichthum seines Witzes und Phantasie kann uns
freilich für vieles wahre entschädigen, das indessen doch auch seinen anderweitigen Werth behält. <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Von den hiesigen Unruhen werden Sie anderweitige Nachrichten haben, die ein Fremder nie mit der Gründlichkeit geben kann.
Soviel dünkt mich, daß ein Kopf doppelt so wichtig seyn muß, der <ul>Plane</ul> in Republicken ausführen will und dieser Kopf
dünkt mich ist an der Spitze der Züricherregierung, auf dessen persöhnliche Bekanntschaft die ich in dieser Woche noch
machen soll, ich mich zum voraus wo nicht Physiognomisch, doch Physiognomik ahndend freue. <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Daß Herr Lavater in einem Allmanach von Prof. Lichtenberg aus London angegriffen worden, wird Ihnen vielleicht baldigst
bekannt werden. Desto besser fürs Publikum das mit seiner Gegenantwort hoffe ich zufrieden seyn wird. Er hat neulich
ein trefliches Christusgemälde von <ul>West</ul> aus England zum Präsent erhalten, über die <page index="4"/> Worte: Wenn ihr nicht werdet
wie die Kinder etc. Ich habe mich daran nicht satt sehen können, in den nächsten Band der Physiog. kommt ein Stich davon <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Das wären unsre hiesigen Neuigkeiten, erlauben Sie mir daß ich mit einer Bitte beschliesse. Hr. Geßner hat mir gesagt,
es existirten noch eine ganze Sammlung von Briefen des seel. Kleist, die durch einen Kaufmann in Ihre Hände gekommen in
Ihrer Verwahrung. Nicht um die Beziehungen die diese Briefe auf die Schweitz haben können, sondern nur um des Persöhnlichen
willen, das von dem Charakter und Meinungen dieses mir aus hundert Ursachen doppelt wichtigen Dichters darinne
durchscheinen muß, wünschte ich sie zu sehen und zu studiren. Ich wollte diese Neugier gern bis Basel zähmen, wenn nicht
andere dringende Ursachen mir die Ansicht <ul>dieser Briefe in Zürich</ul> wünschbar machten. Ich verspräche Ihnen wenn Sie es
verlangten die heiligste Verschwiegenheit und Geheimniß mit diesen Briefen an Eydes statt. Er hat sich hier eine Zeitlang
aufgehalten, wie er gesehen hat, wünschte ich zu sehen und das gleichfalls aus Ursachen die ich Ihnen nur erst in der
Zukunft besser erklären kann. <line type="empty"/>
<line tab="1"/>Herr Gerichtsherr Sarasi wird die Gütigkeit haben diese Briefe wenn Sie sie mir auf einige Wochen anvertrauen wollten,
in Bürgschaft zu nehmen. Nach gehorsamsten Empfehlungen an die Frau Gemalinn und verehrungswürdiger Familie verharre <line type="empty"/>
<align pos="right">Dero ergebenster Diener Lenz.</align></letterText>
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<date value="Zürich, 28. September 1777" />
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<personDef index="80" name="Jakob Sarasin" ref="http://d-nb.info/gnd/11947624X"
vorname="Jakob" nachname="Sarasin" komm="j-sarasin" />
<personDef index="81" name="Isaak Iselin " ref=" http://d-nb.info/gnd/118555952"
vorname="Isaak" nachname="Iselin" komm="iselin" />
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Basel, Staatsarchiv, PA 98, 37, S. 221224
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