From bc71c126af99f723715f850047fc87bf9fdf89c6 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: GregorMichalski Date: Sat, 8 Feb 2025 19:59:18 +0100 Subject: [PATCH] Einpflegung von Brief 356. --- data/xml/briefe.xml | 106 ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ data/xml/meta.xml | 16 +++++- data/xml/traditions.xml | 6 +++ 3 files changed, 127 insertions(+), 1 deletion(-) diff --git a/data/xml/briefe.xml b/data/xml/briefe.xml index e357ee4..ede61ca 100644 --- a/data/xml/briefe.xml +++ b/data/xml/briefe.xml @@ -13354,6 +13354,112 @@ Lavater. + An Sr. HochEhrwürden den Herrn + Consistorialrath Dingelstedt. + + + + + In dieser Dunkelheit der Trennungen von Freunden + In dieser Einsamkeit von ädlerem Genuß + Umringt vielleicht, wie Du, von innem, äussern Feinden + Wie Du – um kurz zu seyn – von Lebensüberdruß + Ach treuer Dingelstedt! was kann, um Dich zu trösten + Da wir am Grabe stehn, wo all Dein Glük itzt ruht + Was kann ich sagen? – – – Ist die Hofnung der Erlösten + Nicht unser bestes Rittergut? + Sie liebte – Ach warum mit Bildern Dich bestürmen + Die Dir des Freundes Hand, mit Recht itzt
    hart
– entzieht – Sie + ist nicht mehr – – – Sie ist! sie wird Dich noch beschirmen + Wenn rathlos sich Dein Geist um nach dem Hafen sieht. + Und keinen finden kann, ich sage redlich, keinen + Als immer nur den alten einen. + Sie ist! Du zweiffelst Freund! nein Ädler! zweifle nicht! + Es leben
    wenig
Freund’ auf Erden + Und immer mehr wirds der Beschwerden + Der Mißverständnisse, des Mißtrauns und des Wahns + Des Wiederspruchs verschiedner Plans. + Allein sie ist! und feiner, ädler, fester + Lebt sie nun ganz für Dich, Du Bester!
+ + Ist ihnen nicht eine Umarbeitung von Bitaubes Geschichte Josephs bekannt, die in Deutschland + herausgekommen seyn soll? Verzeyhen Sie daß ich Ihnen von dummen Zeuge spreche, weil ich in der + That nichts ernsthaftes zu sagen weiß. Ich habe die Nachricht von dem Hintritt Ihrer Gemalinn + in der Zeitung gefunden, die ich sehr
    wenig lese
und sehr selten ganz durchlese. Mein Herz schlug + mir, daß ich Ihnen solange nicht geschrieben. Aber ach! dürfte ich in solchen Veranlassungen nie + wieder die Feder an den in die Hand nehmen, der fähig war mir durch ein Wort der Kraft bey der + Nachricht von dem Tode einer Mutter die ich wie mich selbst liebte, soviel Aufrichtung zu geben. + + Ich erinnere mich wenig mehr von den liebenswürdigen Kleinen, denen ich jetzt ein Dingelstedt zu + werden wünschte. Könnte ich Ihnen ein mal alles das Gute vergelten, daß Sie mir in Riga erwiesen + und setzte mich nicht ein bisgen ungerechter und unmarkvoller Fanatismus oder Gott weiß welcher + Geist des Selbstbetruges in Lagen, die es mir fast unmöglich machen Freunden zu dienen, ja offt + mich selbst aus der äussersten Verlegenheit zu retten. Die Freundschaft ist meinem Bedünken nach + eine etwas standhafte
    Werthachtung
des andern, die durch keine Umstände und Glüks- oder + Unglükslüftgen (so ein wenig Staub aufwehen) verändert wird. Hier wird weder die Presse befragt, + noch der Bücherkatologus nachgesehen, obgleich auch diese Dinge einige Teilnehmung verdienen, + aber die, wie mich deucht, beyweitem nicht von der
    entsetzlichen
Wichtigkeit ist. + + Ich kenne das ganze Hebezeug und Wirkungsmaschine dieser gelehrten Vereinigungen und achte sie + nach dem sie es verdienen – aber das
    Persöhnliche
meines Freundes ist mir ein wenig schätzbarer, + als der armseelige Hausrath von Drehzeug den er in die Gruft mit nimmt. Wir haben die besten + Uhren von den geschiktesten Meistern, wir haben Teppiche und Gott weiß was, aber darum ist nicht + jeder Teppichmacher ein Apostel u. s. f. nicht jeder Versemacher ein König und Prophet. Wie + traurig wird Ihnen Ihr Haus itzt vorkommen, da die Seele in der Hausuhr fehlt – – – dann das bleiben + die lieben Gattinnen doch immer, wenn ich gleich dis Glük noch nicht selbst bis auf den Grad + erfahren. Die äussern Geschäfte, so unserm Geschlecht überlassen sind, drüken und quälen ohne einen + innern Trost, ohne einen geheimen Freund, dem alles recht ist und der uns den Schweiß von der + Stirne wischt. Und diesen Freund
    gönnt
uns das Verderben der Welt – und Gott! offt unsrer nächsten + Freunde
    nicht.
Was ist zu thun? Ueber den Sternen wird’s eine andere Philosophie geben. + + Wir suchen, wir wählen, wir betrügen uns und andere, bis wir endlich finden. Es ist einer, der Erbarmen + mit unsem Schwächen fühlt. Er prüft doch auch nicht über Vermögen und lenkt Herzen wie Wasserbäche. + + Giebt es in Liefland Witwenanstalten für den Adel und die Priesterschafft? Es hat in Rußland ehemals + geistliche Stiftungen gegeben, an welche Summen ausgezahlt und für diese Leibrenten entrichtet wurden. + Sollten sich nicht in Liefland Fonds zu einer Handlungsgesellschaft errichten lassen, die denen + Interessenten, besonders denen verheuratheten, oder die zu heurathen willens wären, jährliche Dividenden + austheilten. + + Ich schmiere mehr um Sie zu zerstreuen, als Sie zu unterhalten. Das Elend ist allgemein, auch durch ganz + Rußland, besonders für die so Vorurtheile in dies Land mitgebracht, die in einem gewissen Alter nicht mehr + zu heben sind. Das Reich ist groß und so erschöpft nicht, es werden sich Mittel finden lassen, einem jedem + Fremden in demselbigen sein Vaterland wieder darzustellen. + Meine Schwester hatte mir offt von Permien geschrieben, allein ich begreiffe nicht, wie ich dahin kommen, noch + was ich da machen soll. + + Die Härte der Grundsätze ist überall gleich und man trift freilich mit unter auch überall weichere und edler + gestimmte Gemüther. Doch auch diese wünschten gern die ganze Welt nach sich umzustimmen diese Bekehrungskrankheit + ist allgemein. Der Schöpfer liebt und will die Verschiedenheit bei aller Eintracht der Gesinnungen und wenn nun + der ganze Leib Auge wäre, was würde der Fuß sagen? Warum richten und verdammen sich doch die Menschen untereinander + ohne Ursache? – – + + Ich bin fast ganz von Kleidem und Wäsche gekommen, durch diese scharfsinnige
    Sucht nach Aehnlichkeiten,
die uns + alle Individualität nimmt. Sollte denn Gott nicht helfen denen so tag und Nacht zu ihm schreyen über diese + felsenfeste und Unbewegliche Bekehrer zu
    der kleinen Schimäre
mit der sie Morgens früh aus dem Bette aufstehen. + + Ich küsse Sie Ädler! mit dem innigsten Bedauren und bitte mir eine überlegte – aber niemals schwärmerische Theilnehmung + in Liebe an meinem Schiksal aus, wenn Geschäfte Ihnen gleich nicht Zeit lassen zu schreiben an Dero + + auch abwesend gleich aufrichtigen und + ungekünstelten Verehrer JMR. Lenz. + + N. S. Ich weiß, daß Sie auch
    ausser der Kirche
und dem öffentlichen Gottesdienst Geistlicher sind und bitte daher, + sich meinen Brief an meinen Vater von demselben vorlesen zu lassen und in Ihre Berathschlagung zu nehmen. Wir haben in + dem hiesigen Senat ein Camptair zur Untersuchung des Petersburgischen Justizkollegii und es läßt sich hoffen, daß bey + der Commission zur Errichtung neuer Städte geistliche und Weltleute Platz nehmen können. Ich will nicht sagen, Gott + berathe, Gott helfe Ihnen, ich will ihn lieber bitten, mich in den Stand zu setzen, auch entfernteren Freunden nützlich + zu werden, die mich freilich wohl bisweilen verkennen mögen, weil ich wieder die
    Täge
so in der Russischen Kirche + ursprünglich ausgesetzt waren, sich bey der Mahlzeit auch des Armen und Dürftigen zu erinnern, nicht mit dem + schwärmerischen Eiffer zu Felde zog. Uebrigens ist wohl, bey der Einführung neuer Kalender – anjetzt alles so + ziemlich gleich und die
    Herzens
härtigkeit das einzige allgemeine Uebel das durch Geduld überwunden werden muß. + Die Rangtabellen Peter des Großen fangen an auch so
    ziemlich
menschlicher commentirt zu werden als bisher und + vielleicht stehen einmal Geistliche auf, die das
    Ehre von einander
nehmen ein wenig besser auseinander + setzen. – Gott schenke Ihnen und mir weniger schmarrende Lobeserheber und seltnere standhafte und aufrichtige + Freunde! – d. 6te Jun. 87. + andere Tinte + Mosco.
+ diff --git a/data/xml/meta.xml b/data/xml/meta.xml index df1b8dc..932a52b 100644 --- a/data/xml/meta.xml +++ b/data/xml/meta.xml @@ -5015,7 +5015,21 @@ - + + + + + + + + Moskau, 6. Juni 1787 + + + + + + + diff --git a/data/xml/traditions.xml b/data/xml/traditions.xml index 6b4d661..3dba223 100644 --- a/data/xml/traditions.xml +++ b/data/xml/traditions.xml @@ -2290,6 +2290,12 @@ Zürich, Zentralbibliothek, FA Lav. Ms. 572, Nr. 26 (zeitgenössische Abschrift) + + + + Riga, Latvijas Akadēmiskā Bibliotekā, Ms. 1113, F. 25, V. 31, Nr. 26 + +