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@@ -382,14 +382,14 @@ darf den Bogen nicht zu hoch spannen, weil er dir in d. Noth geholfen p. Du hast
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<line type="break" /><align pos="right">Ihr melancholischer Lenz.</align>
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<line type="break" /><align pos="center"><note>am Rand:</note></align>
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<line tab="1" />Haben Sie die Gütigkeit, der ganzen Tischgesellschaft meine Ergebenheit zu versichern. …
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<line tab="1" />Haben Sie die Gütigkeit, der ganzen Tischgesellschaft meine Ergebenheit zu versichern.
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<line tab="1" />Ums Himmels, um meines Mädchens und um meinetwillen, lassen Sie doch Alles dieß ein Geheimniß bleiben. Von mir erfährt es Niemand als mein zweites Ich.
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<letterText letter="10"><page index="1"/><align pos="right">Fort Louis d. 10ten Junius 1772</align>
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<letterText letter="10"><page index="1"/><align pos="right">Fort-Louis den 10ten Junius.</align>
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<line type="break" /><align pos="center">Guter Sokrates!</align>
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<line tab="1" />Schmerzhaft genug war der erste Verband den Sie auf meine Wunde legten. Mich auszulachen – ich muß mitlachen, und doch fängt meine Wunde dabey nur heftiger an zu bluten. Nur fürchte ich – soll ich Ihnen auch diese Furcht gestehen? Ja da Sie mein Herz einmal offen gesehen haben, so soll kein Winkel Ihnen verborgen bleiben. Ich fürchte, es ist zu spät an eine Heilung zu denken. Es ist mir wie Pygmalion gegangen. Ich hatte mir zu einer gewissen Absicht in meiner Phantasie ein Mädchen geschaffen – ich sah mich um und die gütige Natur hatte mir mein Ideal lebendig an die Seite gestellt. Es ging uns beyden wie Cäsarn: <aq>veni, vidi, vici</aq>. Durch unmerkliche Grade wuchs unsere Vertraulichkeit – und jetzt ist sie beschworen und unauflöslich. Aber sie sind fort, wir sind getrennt: und eben da ich diesen Verlust am heftigsten fühle, kommen Briefe aus Strasburg und – Vergeben Sie mir meinen tollen Brief! Mein Verstand hat sich noch nicht wieder eingefunden. Wollte der Himmel ich hätte nicht nöthig, ihn mit Vetter Orlando im Monde suchen zu lassen. Ich bin um mich zu zerstreuen, die Feyertage über bei einem reichen und sehr gutmüthigen Amtsschulz in Lichtenau zu Gast gewesen. Ich habe mich an meinem Kummer durch eine ausschweiffende Lustigkeit gerächt: aber er kehrt jetzt nur desto heftiger zurück, wie die Dunkelheit der Nacht hinter einem Blitz – Ich werde nach Strasburg kommen und mich in Ihre Kur begeben. Eins muß ich mir von Ihnen ausbitten: schonen Sie mich nicht, aber – lassen Sie meine Freundin unangetastet. Der Tag nach meinem letzten Briefe an Sie, gieng ich zu ihr: wir haben den Abend allein in der Laube zugebracht; die bescheidne und englisch gütige Schwester unterbrach uns nur selten und das allezeit mit einer so liebenswürdigen Schalkheit - Unser Gespräch waren Sie – ja Sie, und die freundschaftlichen Mädchen haben fast geweint für Verlangen Sie kennen zu lernen. Und Sie wollten mit gewaffneter Hand auf sie losgehen, wie Herkules auf seine Ungeheuer – Nein Sie müssen sie kennen lernen und ihre Blicke allein werden Sie entwaffnen. Ich habe meiner Friedrike gesagt, ich könnte für Sie nichts geheim halten. Sie zitterte, Sie würden zu wenig Freundschaft für eine Unbekannte haben. Machen Sie diese Furcht nicht wahr, mein guter Sokrates! Uebrigens tun Sie was Ihnen die Weißheit räth. Ich will mich geduldig unterwerfen. Es ist gut, daß Sie meinen freundschaftlichen Ott nicht mit meiner Torheit umständlich bekannt machen. Ich verbürge mich gern vor mir selbst nur nicht vor Ihnen. Leben Sie wohl!
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<line tab="1" />Gestern ist der Herr Landpriester bei mir zu Gast gewesen. Er ist ein Fieldingscher Charakter. Jeder andere würde in seiner Gesellschaft Langweile gefunden haben; ich habe aber mich recht sehr darin amusirt; denn ein Auge, womit ich ihn ansah, war poetisch das andere verliebt. – Er läßt sein Leben für mich und ich für seine Tochter.
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<line tab="1" />Schmerzhaft genug war der erste Verband den Sie auf meine Wunde legten. Mich auszulachen – ich muß mitlachen, und doch fängt meine Wunde dabei nur heftiger an zu bluten. Nur fürchte ich – soll ich Ihnen auch diese Furcht gestehen? Ja da sie mein Herz einmal offen gesehen haben, so soll kein Winkel Ihnen verborgen bleiben. Ich fürchte, es ist zu spät an eine Heilung zu denken. Es ist mir wie Pygmalion gegangen. Ich hatte mir zu einer gewissen Absicht in meiner Phantasie ein Mädchen geschaffen – ich sah mich um und die gütige Natur hatte mir mein Ideal lebendig an die Seite gestellt. Es gieng uns Beiden wie Cäsarn: <aq>Veni, vidi, vici</aq>. Durch unmerkliche Grade wuchs unsere Vertraulichkeit – und jetzt ist sie beschworen und unauflöslich. Aber sie ist fort, wir sind getrennt: und eben da ich diesen Verlust am heftigsten fühle, kommen Briefe aus Straßburg und – Vergeben Sie mir meinen tollen Brief! Mein Verstand hat sich noch nicht wieder eingefunden. Wollte der Himmel, ich hätte nicht nöthig, ihn mit Vetter Orlando im Monde suchen zu lassen. Ich bin um mich zu zerstreuen, die Feiertage über, bei einem reichen und sehr gutmüthigen Amtsschulz in Lichtenau zu Gast gewesen. Ich habe mich an meinem Kummer durch eine ausschweifende Lustigkeit gerächt: aber er kehrt jetzt nur desto heftiger zurück, wie die Dunkelheit der Nacht hinter einem Blitz. – Ich werde nach Straßburg kommen und mich in Ihre Kur begeben. Eins muß ich mir von Ihnen ausbitten: schonen Sie mich nicht, aber – lassen Sie meine Freundin unangetastet. Der Tag nach meinem letzten Briefe an Sie, gieng ich zu ihr: Wir haben den Abend allein in der Laube zugebracht; die bescheidne, englischgütige Schwester unterbrach uns nur selten und das allezeit mit einer so liebenswürdigen Schalkheit – Unser Gespräch waren Sie – ja Sie, und die freundschaftlichen Mädchen haben fast geweint für Verlangen, Sie kennen zu lernen. Und Sie wollten, mit gewaffneter Hand, auf sie losgehen, wie Herkules auf seine Ungeheuer – Nein, Sie müssen sie kennen lernen und ihre Blicke allein werden Sie entwaffnen. Ich habe meiner Friedericke gesagt, ich könnte für Sie nichts geheim halten. Sie zitterte, Sie würden zu wenig Freundschaft für eine Unbekannte haben. Machen Sie diese Furcht nicht wahr, mein guter Sokrates! Uebrigens thun Sie was Ihnen die Weisheit räth. Ich will mich geduldig unterwerfen. Es ist gut, daß Sie meinen freundschaftlichen Ott nicht mit meiner Thorheit umständlich bekannt machen. Ich verbärge mich gern vor mir selbst, nur nicht vor Ihnen. Leben Sie wohl!
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<line tab="1" />Gestern ist der Herr Landpriester bei mir zu Gast gewesen. Er ist ein Fielding’scher Charakter. Jeder Andere würde in seiner Gesellschaft Langweile gefunden haben; ich habe aber mich recht sehr darin amusirt; denn ein Auge, womit ich ihn ansah, war poetisch, das andere verliebt. – – Er läßt sein Leben für mich und ich für seine Tochter.
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<letterText letter="11"><page index="1"/><align pos="right">Fort Louis, d. 15ten Junius n. St.</align>
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