diff --git a/data/xml/briefe.xml b/data/xml/briefe.xml index e22b062..e6785a9 100644 --- a/data/xml/briefe.xml +++ b/data/xml/briefe.xml @@ -14415,6 +14415,115 @@ Den spricht * * kann nicht vermählen Das kann Sündfluth Witz allein. + Lieber Papa + + Die unglükliche Leidenschaft welche sich meiner in Liefland bemächtiget und ihre häuffigen ernstlich + väterlichen Briefe nach Petersburg und Moskau mir so oft vergeblich ausgeredet die mein Bruder und + alle meine Verwandte so heftig bestritten und die ich deswegen auch aus meinem Herzen zu reissen + versuchte hat sich desselben wieder bemächtiget So spielt das Schiksal mit unserm Herzen und unsem + Wünschen und der Rath meiner schreibenden bärtigen Freunde, die sich mir unter der Gestalt meiner + angebetheten Julie welche denen Frauenzimmern Lieflandes ein Collegium von den Sitten der alten Teutschen + aus dem Tacitus mit einigen teutschen und esthnischen Reimen unter meinem Fürsitze zu eröfnen nach + Maurerischen Zeichen und Regeln sich endlich rühmlich entschlossen mich den Gebeinen des verewigten + Zingischans und Tamerlans schwören lassen müssen und demzufolge alle die[sje unterirrdischen Geister + in Anspruch und Einspruch genommen + + Es wird in diesem Collegio ein Oratorium vorkommen welches Medea heißt die den Jason verjüngerte und + ihre Kinder umbrachte auch eine Hölle und ein Orpheus denn ohne diese giebt es weder Musikalisches noch + Poetisches Vergnügen, weil nach dem Tode kein Vergnügen statt hat und Engel und Geist die Schimäre + eines verborgnen Giftes sind Diese ehrwürdigen alten Geheimnisse aber, noch daß es ein Verbrechen ist + sie anzutasten, versteht der überwitzige Geist unsrer Liefländischen Damen nicht welchen wir durch witzeln + wieder in die rechte Leise setzen wollen und ihnen beweisen daß auf der ganzen bewohnten Erde unter + Gelehrten und Ungelehrten noch Spuhren dieser ehrwürdigen Phrygersitte und des einzigen rechten seelig + machenden Glaubens von welchem abzuweichen dem Schwerdte die weil er seinen eignen Schild und zwölf + Apostel hat – – und alle die ihm nicht beypflichten wollen rundweg für Türken und Mameluken zu erklären + das Recht hat - ja ihnen nicht nur öffentlich sondern auch heimlich nach Ehre guten Namen zeitlichen + wo möglich ewigen Wolfarth zu stehen in den Weg zu treten zu äusern völlige uneingeschränkte Vollmacht + und Gewissensfreiheit weil er von dem einzigen rechten Dienst der Phönizier und Anbeter des Herkules + und Jason gewichen und zügellosen Leidenschaften und schwännerischen Einbildungen gleich des Oehlgötzen + frohnet – + + + Zärtlichgeliebte Geschwister + vielgeliebte Schwester! + + Dein letzter Brief hat mich sehr gerührt, ich habe daraus ersehen daß du dich vollkommen wohl befindest, + dein lieber Mann ist wieder gesund und munter, seine äusseren Umstände haben sich verbessert, eure Familie + vermehrt, es fehlet euch also nichts zur irrdischen Glükseeligkeit als ein wenig Iangeweile oder wie du + mir mit deiner so eignen Naivetät schreibst ein Virtuos, den zu zum Narren brauchen könntest wenn du + schwermüthig wirst. Soll ich dirs rein deutsch heraus sagen noch obenein ein Liebhaber denn das kann bey + allen andern Vergnügen nichts schaden wenn man einen Nothnagel auf schlimmes Wetter übrig behält. + + Liebe Schwester du bist sehr naif. Deine Offenherzigkeit freut mich mehr als die Scheinheiligkeit der + Bethschwestern die ihre wahren Gesinnungen verbergen. Nach wem soll man sich denn umsehen wenn man in den + Wagen steigt? Wer soll einem die Hand bieten wenn man in die Assemblee fährt. Diese Höflichkeiten will + dir gerne gestatten, aber, aber – und wer soll bisweilen einen artigen Vers auf mich machen? – Wunder- + 20 bare Grillenfängerin! muß denn das ein Liebhaber seyn? Ja sonst gefallen sie nicht und gerathen nicht. + Umgekehrt! dem Liebhaber gerathen keine Verse, der artige Mann lügt mit kaltem Blut und viel schöner als + es ein Liebhaber je thun kann, er lügt in des Liebhabers Namen. Die Regel ist nicht ohne Ausnahme, aber + das ist zu verlässig, je besser gesetzt je feiner gereimt gedacht gerundet der Vers je mehr die Seele in + der rechten Harmonie, desto weniger liebte der der ihn machte. Die Liebe begnügt sich wenn sie in den Fall + kommt mit ängstlichen einzelnen Lauten, und ˕be˕hält das beste zurük: der schöne Geist und artige Mann wird + ein freygebiger Gastwirth und stellt das letzte aus sieben Schüssern auf den Tisch, denn er ist großmüthig + + Was soll das Wimmern und Püsteln närrisches Weib wenn eins deiner Kinder kränkelt. Ist nicht jemand da einen + Vers darauf zu machen? Er ist gewiß ein Narr denn er machte Verse auf ein Weib das ihn nicht lieben durfte sie + also wie die Zukerdüten brauchte, die man doch annimmt wenn sie aus gutem Herzen kommen und auch in den Mund + stekt wenn einem bitter wird. Aber er muß ein Liebhaber seyn und muß fallen sonst schmeken sie nicht – Schwester + Schwester – Und du suchtest dir einen Geheimsekretär? vielleicht die Windeln deines Kindes zu troknen + oder zu besingen – Ey ey! so böse hast du es doch nicht gemeint – Nicht alle Windeln sind Windeln – Und wenn du + nur die Seele deines Geheimsekretärs auf dein Gewissen ladest. O dafür ist Rath, unsere heutigen Poeten wissen + allem eine Farbe zu geben – + + Ganz gut aber was wird denn nun aus deinem Geheimsekretär – Dein Narr – das ist doch ein bisgen zu + unfreundlich – danke ihm ab und mache ihn wieder zu dem was er war zu einem höflichen artigen Mann der + nicht über den Wolken schwebt und nicht unten im Abgrund auf Tarnedans und Bajazeth und Zingischans Stuhl + sieht denn das waren Heilige der ersten Ordnung die vielleicht auch Orden stifteten – + + Laß uns ehrlich sprechen, die heutige Welt weiß nicht was sie will. Alles möchte gern beliebt seyn und gefallen + und daran ist nichts versehen denn du gefällst wenn du nicht zu gefallen meynst und wirst unleidlich so bald + du es merkst daß du gefällst. Aber man möchte nicht gern daß ein andrer gefiele, damit haben wir alle zu + kämpfen. Und warum nicht liebe Frau wenns ein ehrlicher Mann oder ein ehrliches Stük Weisbild ist das dir + auch gut ist und nützlich werden kann. Aber wehe deinem Geheimsekretär wenn er ein Weib berührt – denn dein + ganzes irrdisches Glük ist hin. Er mag sich auftausendmal fünfhundert Meilen weit von dir verheurathen, wo man + nichts von deiner Schönheit gehört hat – Liebe Frau! Und was ist Schönheit – – Mach mich nicht zum Pilatus – + dein Spiegel ist falsch – er zeigt dir dein Gesicht nie in dem
    Augenblik
wenn solche Gedanken in deiner Seele + sind und diese entstellen deine sanfte liebreiche Gebehrde – + + Den Vorzug – ey da ist kein Vorzug – die wahre Liebe weiß von keinem Vorzug – der Liebhaber gefällt weil er + liebt, die Geliebte weil sie geliebt wird. Der Liebhaber findt tausend Frauen schöner besser milder als seinen + Gegenstand, aber er liebt seinen Gegenstand weil es so seyn muß, weil er gezwungen dazu ist er ist ein + Unglüklicher! du kannst ihn bedauern aber du brauchst ihm nicht feind darum zu werden. Die andern Schwestern + lachen darüber + + Aber was bleibt mir denn übrig, wenn er eine andre liebt? Nichts gar nichts! der Schurke bezahlet mir meine + Rechnung nicht, er ist ein Betrüger Nicht so ganz als du meynst. Er hat sich nur versehen er glaubte dich zu + lieben und liebt dich in einer andern. Sieh einmal er liebte dich auch vielleicht nicht bloß um der weissen + Schürze willen, oder um sein Glük durch dich zu machen oder um Brod zu erhalten oder – doch was ist vom Geschmak + zu reden jeder Mensch hat seinen Geschmak und man muß dem Geschmak seine Grillen lassen. Das ist eine Philosophie + die kein Barometer ausschöpft - dem einen gefällt das natürliche, dem das künstliche, dem das eigennützige, dem + das freye dem das eiffersüchtige, dem das unschuldige + + Was macht deine Freundin am Hofe? Oder ist sie schon wieder zurük? Hat sie nicht auch ein Paar geheim Sekretäre + dort gelassen + + Sollte es möglich seyn daß dein Geheimsekretär liebte? Er müßte allen Gebrauch seiner Vernunft verloren haben und + rasend geworden seyn. Weniger Naivetät Schwester! laß ihn leben. Die Grille wird übergehen und dann wird er wieder + in deine Fesseln zurükkehren. + + Wenn er aber in vollem Ernst liebte? Nun dann ist er ein Türk und Mameluke, denn wie ist es möglich daß – halt ein + wenig inne liebe Schwester! verdamme nicht – – – er kann seine Ursachen haben, laß ihn leben, ich bitte für ihn – + Du liebst deinen Mann nicht recht oder vielmehr er hat Ursache ein wenig zu zürnen wenn du neben ihn noch einen + Galeerensklaven halten möchtest der nicht dein Mann wäre. Du bist meine liebe Schwester aber die reinste heiligste + Wahrheit ist mir noch lieber. Ich kann in denselben Fall gerathen und was wird aus mir wenn eine Dame sich meine + Schwester zum Muster – + + Du bist ein Narr – Ey ey mir den Grandison ins Gesicht zu werfen Nun es ist doch gut daß du es mit guter Laune thatst – + Wir wollen also einmal eine Ausname von deiner Immanoyukase machen und einem auf den Tod Gefangenen das Leben – ey pfuj + doch, mehr, ich handle itzt – mehr mehr Schwester – pfuj schäme dich – mehr – um das rechte Leben – ich bin zufrieden
+ + + diff --git a/data/xml/meta.xml b/data/xml/meta.xml index 43b5b20..cc31eac 100644 --- a/data/xml/meta.xml +++ b/data/xml/meta.xml @@ -5178,7 +5178,7 @@ - Moskau, um 1790 + Moskau, um 1790 @@ -5189,6 +5189,21 @@ + + + + Moskau, etwa Herbst 1790 + + + + + + + + + + + diff --git a/data/xml/traditions.xml b/data/xml/traditions.xml index a918689..5083257 100644 --- a/data/xml/traditions.xml +++ b/data/xml/traditions.xml @@ -2362,6 +2362,12 @@ Kraków, Biblioteka Jagiellońska, Lenziana 1, II, Nr. 5 + + + + Kraków, Biblioteka Jagiellońska, Lenziana 5, Nr. 41 + +