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Korrekturen Brief 1.
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<line type="empty" /> gehorsamsten Diener <line
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<line type="empty" /> gehorsamsten Diener <line
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type="break" tab="7" /> JLandau, den 7. September.
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type="break" tab="7" /> JLandau, den 7. September.
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So wenig Zeit mir auch übrig ist, so muß ich Ihnen doch sagen, daß ich Sie in Landau noch eben so hoch schätze, ebenso liebe, als in Fort-Louis. Unser Marsch war angenehm genug: vor Tage zu Pferde, und vom Mittag, bis in die Nacht gerastet. Ich möchte so durch die Welt reisen. Weißenburg hat mir gefallen, die dortige Schweizergarnison glich den Priestern der Cybele, so erfreute sie die Ankunft eines deutschen Regiments. Landau kann in der That das Schlüsselloch von Frankreich heißen, da es nur zween Thore hat, eins nach vorne, das andere nach hinten. Unsern Ausgang segne Gott, unsern Eingang – – Ich wohne bei einem Herrn Schuch, der ein naher Verwandter vom Herrn Türkheim seyn will. Seine Frau und er spielen mir alle Abende Komödie, wobei mein Herz mehr lacht, als bei allen Farcen des Herrn Montval und Ribou. Er ist ein gutwilliger Schwätzer, gegen seine Frau, ein rechter Adventsesel und auch gegen die Füllen bei ihr. Sie trägt Hosen und Zepter, eine Teintüre von Andacht und koketter Prüderie – in der That, meinen kleinen Plautus hinterdrein gelesen und ich brauche kein Theater. Melden Sie mir doch, was das Ihrige in Straßburg macht und ob dort kein deutsches zu erwarten sei. Beim Herrn Senior, der fast die alleinige Materie des Gesprächs meiner Wirthsleute ist (ausgenommen den gestrigen vortrefflichen Abend, wo wir lauter Haupt- und Staatsaktionen ausmachten) bin ich noch nicht gewesen. Der Bürgermeister Schademann soll schon seit geraumer Zeit todt seyn. Vielleicht erlange ich die Bekanntschaft seines Sohnes, der sehr reich sein soll. Ein Rektor bei der hiesigen Schule, der im Kloster einen Sohn hat, der schon Magister ist (wo mir recht ist, hab ich ihn dort gesehen) soll eine gute Bibliothek haben: da muß ich suchen unterzukommen. Seyen Sie doch so gütig und schreiben mir in Ihrem nächsten Briefe den Namen des Churfürsten von der Pfalz; wie auch den Charakter und die Adresse des Herrn Lamey, ein Name, den ich in Straßburg oft gehört. Sie lachen – wozu das? Nun, nun, es hat nichts zu bedeuten, ein guter Freund hat mich um beide in einem Briefe ersucht. Einen Nachmittagsprediger habe ich hier gehört, der keine Pfeife Toback werth vorgebracht. Ich ging nach Hause und las Spalding, vom Werth der Gefühle im Christentum. Welch ein Kontrast! Dieses Buch müssen Sie auch lesen, mein Sokrates! es macht wenigstens Vergnügen zu finden, daß Andere mit uns nach demselben Punkt visiren. Ich freue mich, daß man in einem Tage von hier nach Straßburg kommen kann, wer weiß wenn ich Sie überrasche. Fahren Sie fort mit Ihrer Gewohnheit für mich. –
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<line tab="1"/>So wenig Zeit mir auch übrig ist, so muß ich Ihnen doch sagen, daß ich Sie in Landau noch eben so hoch
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Lenz.
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schätze, ebenso liebe, als in Fort-Louis. Unser Marsch war angenehm genug: vor Tage zu Pferde, und vom Mittag,
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bis in die Nacht gerastet. Ich möchte so durch die Welt reisen. Weißenburg hat mir gefallen, die dortige
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Schweizergarnison glich den Priestern der Cybele, so erfreute sie die Ankunft eines deutschen Regiments. Landau
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kann in der That das Schlüsselloch von Frankreich heißen, da es nur zween Thore hat, eins nach vorne, das andere
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nach hinten. Unsern Ausgang segne Gott, unsern Eingang – – Ich wohne bei einem Herrn Schuch, der ein naher Verwandter
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vom Herrn Türkheim seyn will. Seine Frau und er spielen mir alle Abende Komödie, wobei mein Herz mehr lacht, als bei
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allen Farcen des Herrn Montval und Ribou. Er ist ein gutwilliger Schwätzer, gegen seine Frau, ein rechter Adventsesel
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und auch gegen die Füllen bei ihr. Sie trägt Hosen und Zepter, eine Teintüre von Andacht und koketter Prüderie – in der
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That, meinen kleinen Plautus hinterdrein gelesen und ich brauche kein Theater. Melden Sie mir doch, was das Ihrige in
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Straßburg macht und ob dort kein deutsches zu erwarten sei. Beim Herrn Senior, der fast die alleinige Materie des
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Gesprächs meiner Wirthsleute ist (ausgenommen den gestrigen vortrefflichen Abend, wo wir lauter Haupt- und Staatsaktionen
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ausmachten) bin ich noch nicht gewesen. Der Bürgermeister Schademann soll schon seit geraumer Zeit todt seyn. Vielleicht
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erlange ich die Bekanntschaft seines Sohnes, der sehr reich sein soll. Ein Rektor bei der hiesigen Schule, der im Kloster
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einen Sohn hat, der schon Magister ist (wo mir recht ist, hab ich ihn dort gesehen) soll eine gute Bibliothek haben: da
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muß ich suchen unterzukommen. Seyen Sie doch so gütig und schreiben mir in Ihrem nächsten Briefe den Namen des Churfürsten
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von der Pfalz; wie auch den Charakter und die Adresse des Herrn Lamey, ein Name, den ich in Straßburg oft gehört. Sie
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lachen – wozu das? Nun, nun, es hat nichts zu bedeuten, ein guter Freund hat mich um beide in einem Briefe ersucht. Einen
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Nachmittagsprediger habe ich hier gehört, der keine Pfeife Toback werth vorgebracht. Ich ging nach Hause und las Spalding,
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vom Werth der Gefühle im Christentum. Welch ein Kontrast! Dieses Buch müssen Sie auch lesen, mein Sokrates! es macht
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wenigstens Vergnügen zu finden, daß Andere mit uns nach demselben Punkt visiren. Ich freue mich, daß man in einem Tage von
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hier nach Straßburg kommen kann, wer weiß wenn ich Sie überrasche. Fahren Sie fort mit Ihrer Gewohnheit für mich. – <line type="break"/>
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Jacob Michael Reinhold Lenz <line tab="7" />
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acob Michael Reinhold Lenz <line tab="7" />
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Von Hause, d. 2 Jenner, 1765. </letterText>
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Von Hause, d. 2 Jenner, 1765. </letterText>
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