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Athem Ihnen zu sagen, daß ich, zu der höchsten Uebereinstimmung der Welt das Zutrauen habe, daß
sie mich nach Straßburg in Ihre Armen führen wird.
- Lenz.
+ Lenz.
+
+ Landau d. 10ten Dec. 1772.
-
+ – Der Ausdruck in einem Briefe an meinen Bruder, mein Glück mag ewig in Dämmerung liegen
+ bleiben, ist mir leid: doch hab’ ich nur damals an das zeitliche Glück gedacht und dieses braucht
+ freilich nicht zu glänzen und kann dennoch solid seyn.
+
+ Dass ich mir auch selber wohl viele Leiden zugezogen, gestehe ich gerne, und wer sollte wohl so
+ weislich handeln, dass er nie erst durch Erfahrung nöthig hätte klug zu werden. Die Liebe eines in der
+ That liebenswürdigen Frauenzimmers kann ich aber keine Klippe nennen, an der meine Tugend
+ Gefahr gelaufen. Soviel ist richtig, dass die Klugheit will, dass ein Reisender sein Herz auch vor der
+ reinsten Leidenschaft verwahre, und das war der Rath meines Mentors, meines weisen Salzmanns,
+ für den ich keine Bewegung meiner Seele geheim hielt. Schade, dass er diese zu spät erfuhr, denn das
+ kann ich nicht leugnen, dass sie bei aller ihrer Süßigkeit, ihre Bitterkeiten hat. Unglücklich aber macht
+ sie mich nicht und soll auch in dem Plan, den die gött· liche Schickung mir zu durchlaufen
+ vorgezeichnet hat, nichts verändern, sollte gleich die Wunde, die sie in meiner Seele zurückgelassen,
+ unheilbar seyn.
+
+ Wie traurig ist es für mich, dass ich Ihren Vorschlag, ungesäumt in’s Land zu kommen, nicht so·
+ schnell vollziehen kann, als es Ihr Vaterherz zu wünschen scheint. Aber – Sie schreiben mir, Sie
+ wünschten mich vor Ihrem Ende noch zu sehen und zu seegnen – haben Sie denn nur einen Seegen,
+ mein Vater? Ich hoffe zu Gott, dass er Ihr und meiner besten Mutter Leben noch eine Weile fristen
+ wird. – Meine Verbindungen mit den Herrn von Kleist sind von der Art, Dass ich den eigentlichen
+ Zeitpunkt meiner Zurückkunft nicht bestimmen kann. Der älteste besonders will nichts davon hören,
+ dass ich ohne ihn heimreise. Sie werden mir vergeben, Dass ich über diesen Punct ein Stillschweigen
+ beobachte das ich – für meine Pflicht halte. Noch einmal aber bitte ich Sie, sich über mein Schicksal
+ und meine gegenwärtigen und zukünftigen Umstände, keine vergebliche Unruhe zu machen.
+
+ Dem guten Herrn Pastor Müthel danke ich für das schmeichelhafte Zutrauen, das er in mich zu setzen
+ beliebt. Er könnte sich aber auch vielleicht irren, wenn er zu viel Gutes von mir erwartete. Wenn ich
+ im Lande wäre, sollte mich nichts abhalten, so freundschaftliche und vorteilhafte Anträge
+ anzunehmen. So lange das aber nicht ist, wird er die Bildung seines Sohnes dem überlassen, der ihn
+ erschaffen und auch die unscheinbarsten Mittel zu seinen ewig nothwendigen Zwecken anzuwenden
+ weiß. – – – Versichern Sie diesen mir so werthen Mann übrigens von meiner ganzen Hochachtung,
+ und sagen ihm, Dass ich nicht ohne Widerspruch meines Herzens, welches in schöner
+ Uebereinstimmung mit dem seinigen, gern für seinen Sohn voll süßer, kleiner Sorgen klopfen möchte,
+ seinen Vorschlag ablehne. Andere Sorgen fordern dieses Herz, die sich freilich nicht so durch sich
+ selbst belohnen, wie jene wohl tun würden. – Kann ich aber in der Folge der Zeit irgend etwas
+ beytragen seine Wünsche zu befördern, so will ich es mit Freuden thun.