diff --git a/data/xml/briefe.xml b/data/xml/briefe.xml index d409263..c6d179c 100644 --- a/data/xml/briefe.xml +++ b/data/xml/briefe.xml @@ -3163,6 +3163,88 @@ Oder laß Dir den Korrektor erst offenherzig schreiben, ob er das Ganze gelesen und jedes Wort drin verstanden. Was er nicht verstanden schreibt mir nur, zugleich Akt und Szene – und wie er es verstanden. + + Hast Du Masuren gelesen, Lavater! die elendeste Satyre die je auf Goethen, Dich, Klopstock und + andere ist geschmiedet worden? Hast Du die Zeitungen gelesen in denen Herder auf die + niederträchtigste Art gemißhandelt wird? Fühlst Du ganz welch eine Wirkung der über Frömmigkeit + hohnlachende Verfasser des Notbankers aufs Publikum haben muß. Ernst ist kein Waffen dagegen, je + ernsthafter man sich gebehrdet, desto lauter lachen sie. Es muß wieder gelacht werden, und + lauter als sie – oder Ihr müßt beschämt vom Schauplatz wo euch niemand hören mag. Euch niemand + hören – und wen denn? – Wehe über mein Vaterland, wenn die Wolken nicht gedruckt werden. + Laß Dich durch nichts irre machen Frommer! was drin vorkommt; kühne Striche sind nothwendig + oder das ganze Bild wird ein Schild am Wirthshause. Und sind wir nicht frey? Und soll + Gewissenhaftigkeit uns binden, gerecht zu seyn? Gewissenhaftigkeit uns zu Sklaven machen? + Daß doch das nicht der Fall bey den meisten Christen wäre. + + Es bleibt also und wird ewig meine grosse Bitte an Dich bleiben, die Wolken drucken zu lassen. Alle + Folgen nehme ich auf mich. Und aufs geschwindeste und ohne Entgeld, mag sich Steiner Vortheile + davon machen, wie er am besten kann. Wenn es nur balde in Deutschland herumkommt. + Noch diese Messe und nothwendig diese Messe, schick mir ein Giftpulver lieber als daß Du mir diese + Bitte abschlägst. Werd’ ich gewürdigt für dies Stück zu leiden, wer ist glücklicher als ich? + + Und gerad itzt muß es ins Publikum, oder alle Gemählde verlieren ihre Anzüglichkeit Stärke und + Wahrheit. Du darfst Dich nicht damit bemengen. Verbiete dem Buchhändler zu sagen, daß Dus ihm + gegeben hast, nenn’ ihm meinen Namen, weiß ihm diesen Brief. Bitte Passavant daß er die Korrektur + übernimmt, er muß aber eydlich versichern es niemand zu weisen, auch Kaysern nicht, ders nicht + zurechtlegen kann. Wenns gedrukt ist, dann theilts alle den guten Seelen aus – + + + Auch Goethen sag nichts davon, diesmal laß uns was alleine thun. Desto mehr Freude hat er dran + wenn er überrascht wird. Ich hab ihm geschrieben ich arbeitete – aber nicht was? + + + παντα δε δυναμενα δια την πισιν. + + + Es ist Gegengift Lavater! das mir lang auf dem Herzen gelegen und wo ich nur auf Gelegenheit gepaßt + es anzubringen Diese Gelegenheit ist meine Persönliche Schriftsteller-Rache – aber (es + bleibt bey uns):
    diese Gelegenheit hab ich selbst gemacht.
Geradzu läßt das Publikum seiner + Sinnesart, seinem Geschmack nicht gern wiedersprechen, man muß einen Vorwand, eine Leidenschaft + brauchen, sonst nimmt es nimmer Antheil. Und meine Kunst, meine Religion, mein Herz und meine + Freunde alles fodert mich jetzt dazu auf – jetzt ausgelassen, auf ewig ausgelassen. Wer + ersetzt mir den Schaden? Wer ersetzt ihn euch. + + So genug, Du der Du Landvögte in ihrem Frevel antastetest, für Dich. Es muß einmahl ein Ende haben + oder wir arbeiten alle vergeblich und die Thoren ruffen laut, es ist kein Gott. Ich kenne die Lässigkeit + des Publikums und daß wer am lautesten ruft immer recht bey ihm behält. Und sollten wir uns + scheuen zu ruffen? Wir uns irre machen lassen – Lavater, wenn sie nicht gedruckt werden, so hab ich + kein Theil an Dir. In eine Wüsteney will ich gehn zweiffelhaft über wen ich seufzen soll. + + Gute Nacht! Wie süß werde ich träumen! wie leicht morgen an meinen Frohndienst gehn + Donnerstags. 1775 + J M. R. Lenz. + + + Adresse + Herrn + Herrn Johann Caspar +
    Lavater,
Pfarrer + am Waysenhause + in +
    Zürich.
+ + Mein allerliebster Jacob + Wie vergeblig habe ich nun so viele Jahre auff Deine zu Hause Kunft gewartet, wie oft habe ich nicht + umsonst aus dem Fenster gesehn, wenn nur ein Fragtwagen ankam, ob ich Dich nicht erblickte, allein + vergebens. Wie manche Tränen und Seufzer, habe ich nicht zu Gott geschickt, das er Dich führen + und leiten mögte. + Ach wenn ich Dich auch noch ein mahl sehen könte, vor meinem Ende, und Dich segnen, ehedenn ich + sterbe, so wollte ich zufrieden sein. Wie lange wiltu so herum irren, und Dich in solche nichtswürdige, + Dinge vertiffen, ach nimm es doch zu Herten was Dein Vater Dir schreibt, es ist ja die Wahrheit, nimm + es nur zu Hertzen, und dencke nach, was wil aus Dir werden? ich billige alles was Papa geschrieben + hat. + + Melde mir auch, ob Dujetzo gantz gesund bist mit Deinen Halse und Zähnen, ich bin Deinentwegen + sehr besorgt gewesen. + Pastor Oldecob und seine Frau laßen Dich hertzlig, grüßen, sie wohnen jetzt im Garten Hauß weil sie + ˕ganz˕ abgebrannt sind und alles verlohren haben die Häuser auff dem Margt sind alle abgebrannt, + wie auch das Rathaus, und Löwensterns Haus, die Russische Buden und straffhalter, nebst der großen + Brücke sind alle abgebrant. es ist alles wüste Die Frau Oberst Albedill ist noch in Curland, sie + hat ihre älste Freilen Tochter, als Hoff Freilein bei der Alten Herzogin, hingebracht, wir warten + sie täglig zurück. Ubrigens Grüße und Küsse ich Dich Zährtlig mein liebes Kind. Gott segne Dich und + leite Dich auff seinen wegen. Verbleibe + Deine Zärtliche Mutter + Dorothea Lenz diff --git a/data/xml/meta.xml b/data/xml/meta.xml index 0aba30a..70a08f4 100644 --- a/data/xml/meta.xml +++ b/data/xml/meta.xml @@ -1003,6 +1003,22 @@ + + + + + + + + + + + + + + + + diff --git a/data/xml/traditions.xml b/data/xml/traditions.xml index 9c7417e..fcc4e6c 100644 --- a/data/xml/traditions.xml +++ b/data/xml/traditions.xml @@ -417,5 +417,12 @@ + + + Riga, Latvijas Akadēmiskā Bibliotekā, Ms. 1113, F. 25, V. 32, Nr. 32 + + + +