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Einpflegung von Brief 374.
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<align pos="right">JMRlenz.</align></letterText>
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<align pos="right">JMRlenz.</align></letterText>
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<letterText letter="374"><align pos="right">d. Jenner 1792.</align><line type="break"/>
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<align pos="center">Hochwolgebohrner Herr<line type="break"/>
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insonders hochzuverehrender Gönner</align> <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Ich habe Russische Zobelhändler aufgesucht, um sie aufzumuntern, eine Reise nach Dörpt zu
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übernehmen, da ich weiß, daß der zahlreiche dasige Adel in der h.3. Köngismesse sich sonst mit
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Pelzwerk von Frankreich aus Canada versieht und ich nicht begreiffe, warum ein solcher Handel nicht
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mit Kaufleuten aus Moskau zu schliessen wäre. Allein ich ward krank über diese Jagd und da mir das
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Ausgehen durch heftige Schmerzen gewehrt blieb, so glaubte wenigstens durch einige Zeilen der Erinnemng
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genug zu thun, welche von Ew. Hochwolgeb. ersten Bekanntschaft auf der Schule in fremde Länder mitnahm
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und wo ich nicht irre auf einem Conzert im Löwensternschen Hause so überraschend angenehm in einem
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Jahrmarkt zu erneuren die Ehre hatte. Vielleicht reiset einer unsrer hiesigen holländischen Kaufleute
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hinüber und nimmt diese Waare mit sich; es war mir hauptsächlich daran gelegen, dem Liefländischen
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Adel welcher wie man mir gesagt, von der Akademie der Wissenschaften Winke erhalten, daß die
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Monarchinn entweder in Dörpt oder in Pleskau, wo die Ewst und Welika sich mit der Toropa vereinigen
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eine hohe Schule errichten wolle, einheimischen Adel in den Landessprachen und Rechten unterrichten
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zu lassen, eh er die Fremde besucht, etwa <ul>zur Einweyhung</ul> eines neuen Gebäudes, wie der <ul>Domantische</ul>
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Zauberpallast eines verwünschten Prinzen in Pieskau seyn soll, Vorschub zu thun. Man sprach von einer
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Drukerey, die aus Oberpalen hieher versetzt werden sollte, und in der That wäre Herr Past. Hupel, der
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sich so verdient ums Vaterland gemacht, nach der Beschreibung Hn. Bakmeister in Petersb. von der
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alten Akademie zu Derpt, der einzige Gelehrte der <ul>werth</ul> wäre, an der <ul>Stiftung</ul> einer Universität Teil
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zu nehmen, da es ihm, wenn er sich etwa im Sommer oder Wintersemester dort aufhalten wollte, an einem
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Adjunkt in Oberpalen oder auch in Pieskau oder Derpt nicht fehlen sollte.<line type="break"/>
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<line tab="1"/>Es ist hier ein Fürst Gholizin der in Liefland Güter hat und von seiner Bekanntschaft weiß ich zwey
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liebenswürdige Gelehrte aus der Schweitz, die vielleicht gegen vortheilhafte Anträge aus Liefland nicht
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unempfindlich seyn würden. Im Vorbeigehen <aq>„oserois je bien demander, mon eher Baron, si Vous aviez
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quelques Iiaisons avec zme certaine Dame Douairiere, Soeur de Ia Generale Kurganoffsky de Ia flotte
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a S. Petersbourg. Sa Soeur, comme elle ne doit pas ignorer, s 'est domte zme superbe maison et je
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crois que Me. d 'A ** feroit tres bien, de lui COI?fier zme ou deux de ses filles, dont on m 'a dit,
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qu 'une avoit llit promis, Offleier au corps des Cadets, et que j'ai eü I 'honneur de voir chez Me.
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de K**. Le scrupule comme si son.fief de Ia couronne courroit risque en eloignant une de ses filles,
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cesseroit bien vite parceque ces sortes de donations sont pour Ia vie de Ia Douairiere. De plus, ce
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jeune officier dont depuis mon sejour ici je n 'ai Ia moindre nouvel/e, se trouvera probablement encore
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au corps, ou une 20taine de Livoniens sont eleves aux depens de I 'Jmperatrice. Ces Livoniens en sortant
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du corps, pourroient continuer leurs etudes a Plescou, et Mons. de Prattje se faire un merite distingue,
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de !es accompagner.“</aq> <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Verzeihen Ew. Hochwolgeb. daß ich alle Mißverständnisse zwischen Rußland und Liefland auf die Rechnung
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alter Chronikenschreiber und Schulfüchse setze. Sie waren nicht viel besser als die Romanschreiber, die
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bei den häuffigen Pressen in Deutschland sich wohl oft der seltsamen Anwendungen ihrer Rittergeschichten
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von der runden Tafel nicht versehen würden. Die Schwürigkeiten der Sprache, die durch Sitten, Gebräuche,
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Speisen sich gern möchten <ul>errathen</ul> lassen, wenn sie sich Feier in der <page index="3"/> Aussprache zu begehen scheuen,
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machen das einzige Mißverständniß. Die Russische Geistlichkeit in Petersburg versteht sich sehr wohl mit der
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deutschen und wenn Drukereyen in beiden Sprachen oder die Uebersetzung des nehmlichen Buchs in beyde – den Weg
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öfneten, so würde man bei dem Russen des nehmlichen Nervensystems und Blutumlaufs, auch die nehmlichen
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Gesinnungen antreffen. <line type="empty"/>
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<line tab="1"/>Ich befinde mich ein wenig in einer kritischen Lage, welche meinen lieben Brüdern und Schwestern nicht
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unbekannt seyn kann. Man hält mich hier überall für reich – da ich doch einen Vater habe, der bereits über
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dem Grabe schwebt, eine Wittwe als Tochter mit ihren Kindern bei sich hat oder in Petersburg unterstützt
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und von den starken Familien meiner übrigen wohlversorgten Geschwister gleichfalls in Anspruch genommen
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wird. – Es ist schwürig, mit meinen Geschwistern Briefwechsel zu führen, denn da ein Prof. in Giessen mir
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die Ehre erwiesen mich mit dem Romanschreiber – der aber in andem Aemtern dabei steht – Hn. Göthe in eine
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Liste zu setzen, so suchen und finden sie in allen meinen Briefen nichts als unverständliche Worte Poesie
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und Roman. Der Himmel wolle ihnen das wohlbekommen lassen und den Buchhandel in Liefland vermehren, damit
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sie auch den berühmten Rousseau vom Fuß der Pedemontischen Gebirge zur Ehre unsrer Nation in unsrer Sprache
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lesen können. Meine ziemlich ernsthafte Krankheit setzt dismal allen launigten Nebenausschielenden
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Anspielungen Grenzen, unser Leben ist freilich auf diesem Erdball nur allzuoft wunderbarer, als es sich
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das Hirn der Dichter und Leser von Gedichten vorstellen mag. – – Ew. Hochwolgeb. Wollen mir meine Geschwätzigkeit
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als einem Kranken und zum Jahrmarkte verzeihen da man gern viel spricht und ich hoffe, daß auch mein Bruder
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und Geschwister das Glük haben werden, denenseihen aufzuwarten. Man spricht von neuen Magazinen die einige reiche
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Entrepreneure von Metallgruben an verschiedenen Plätzen des Reichs errichten werden, welches <page index="4"/> da man in
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Liefland nur Branntwein nach Permien und Casan schikt, leicht zu einem solidem Handel mit Brod und Gerstensaft
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Gelegenheit geben könnte, woran es in den Berggruben zu mangeln scheint. Der Russische Tressenhandel würde z. B.
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nebst Kupfer zu Branntweinkesseln und Eisen zu andern Kesseln, gegen Lieferungen an Grütze, Malz u. s. f. über
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Pleskau, Toropez und Smolensk durch Agenten sehr wohl geführt werden, und manche Weitläuftigkeiten erspahren. Ich
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will vom Leinwand und Strumpfhandel schweigen, der auch aus benachbarten Ländern geführt wird, und da fast halb
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Rußland barfuß geht, bei Vereinigung der Düna mit dem Dnepr und der Moskwa mit vielem Vortheil, nebst dasigen Lächsen
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und gesalzenem Fleisch gegen Sibirische Fische geführt werden könnte, die man auf dem Wasser lebend erhalten kann.
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Sollten die Engländer mehr Bley und Zinn einführen, daß mehr Küchengeräth angeschafft werden könnte und sich etwa
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ihres Plüsch und Manchesterhandels wegen in Absicht der Geistlichen mit der <ul>Krone</ul> in Verhandlungen einlassen, so
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würde der innere Handel auf den Liefländischen Märkten bald mehr Vergnügen machen, als selbst der entfernte. Ich
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breche ab um Ew. Hochwohlgeb. als ein Kranker die aufrichtige Achtung zu bezeugen, welche mir Ihr persönliches
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Bezeigen eingeflößt. Den Liphartischen Häusern bezeige meine Ehrerbietung gleichfalls, und den jungen von Löwenstern
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bitte gelegentlich beizubringen, daß ihr ehmaliger Hofmeister im Hause des D. <ul>Büsching</ul> in Berlin schon vor mehrern
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Jahren den Schritt gethan, den wir alle einmal machen werden und welchem in diesen Tagen auch bisweilen nahe war. <line type="empty"/>
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<align pos="right">Ew. Hochwolgebornen<line type="break"/>
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gehorsamer Diener<line type="break"/>
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JMR Lenz.</align> <line type="empty"/>
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Moskau, d. 14ten Jenner 1792. <line type="empty"/>
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Hn. Postmeister Peuker wird dieser Brief wo möglich zur Bestellung ergebenst empfohlen. <line type="empty"/>
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<address> <line type="empty"/>
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<align pos="center">á Monsieur<line type="break"/>
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Monsieur le Baron de Stiernhielm<line type="break"/>
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possesseur des terres<line type="break"/>
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á Wasola</align></address></letterText>
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<date when="1792-01-14">Moskau, 14. Januar 1792</date>
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Riga, Latvijas Akadēmiskā Bibliotekā, Ms. 1113, F. 25, V. 31, Nr. 30
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Reference in New Issue
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