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| <opus> | ||||
| 	<document> | ||||
| 		<letterText letter="1"> | ||||
| 			<page index="1" /> Hoch Edelgeborner Hochgelahrter Herr <aq>Secretair</aq> <line type="break" | ||||
| 				tab="7" /> Verehrungswürdigster Gönner! <line tab="7" />  | ||||
| <line type="empty" /> Ew. | ||||
| 			HochEdelgebh: haben mich durch die neue Probe von Dero schätzbaren Gewogenheit ausserorndtlich | ||||
| 			beschämt. Meine Feder ist zu schwach, Denenselben die regen Empfindungen meines Herzens | ||||
| 			darüber zu schildern. Ich weiß Ew. HochEdelgebh: meine Dankbegierde auf keine andere Art an | ||||
| 			den Tag zu legen, als daß ich meine gestrigen Wünsche für Dero Wohlseyn wiederhole, und die | ||||
| 			gütige Vorsicht um die Erhörung derselben anflehe. Der Herr überschütte Dieselben und Dero | ||||
| 			wertes Haus im künftigen Jahr mit tausend Seegen und Heil. Er erhalte Ew. Hoch Edelgebh: bis | ||||
| 			zu den spätesten Zeiten im ersprießlichsten Wohlergehen. Er bewahre Ew. HochEdelgebh: für alle | ||||
| 			widrige Zufälle in den künftigen Jahren, und <page index="2" />lasse mich noch lange das Glück | ||||
| 			genießen, Dieselben in dem blühendsten Wohlstande zu sehen, und mich mit dem erkenntlichsten | ||||
| 			Herzen nennen zu dürfen <line type="empty" /> Hoch Edelgeborner Hochgelahrter Herr <aq> | ||||
| 			Secretair</aq> <line type="break" tab="7" /> Verehrungswürdigster Gönner <line type="break" | ||||
| 				tab="7" /> Ew. Hoch Edelgebh: <line tab="7" /> | ||||
|  | ||||
| <line type="empty" /> gehorsamsten Diener <line | ||||
| 				type="break" tab="7" /> Jacob Michael Reinhold Lenz <line tab="7" /> | ||||
| <line type="empty" /> | ||||
| 			Von Hause, d. 2 Jenner, 1765. </letterText> | ||||
|  | ||||
| 		<letterText letter="2"> | ||||
| 			<page index="1" /> Bester Bruder! <line tab="2" /> Wie kann ich einen Augenblick anstehn, Dir | ||||
| 			bey der freudigsten Begebenheit Deines Lebens ein Bruderherz auszuschütten, das von Seufzern | ||||
| 			und Tränen wallet! Ich preise die Vorsicht mit Dir, die Dir die liebenswürdigste Gattin | ||||
| 			zuführt und unsere Familie in einem Jahre mit sovielem Glück überhäuft, daß wir für gar zu | ||||
| 			großer Freude wie betäubt sind und nichts als jauchzen und stammeln können. So sind denn nun | ||||
| 			Deine Wünsche erfüllt: so schmeckest Du nun zum erstenmal alles Süße, alles Entzückende einer | ||||
| 			Liebe, die keine Angst, kein Kummer, keine Träne verbittert. So belohnt denn die ächte, die | ||||
| 			reine, die wahre Zärtlichkeit endlich einmal ein Herz, das nur für sie geschaffen war und das | ||||
| 			schon von Jugend auf sich heimlich nach einem Gegenstande hat sehnen müssen, dem es sich ganz | ||||
| 			überlassen könnte. 0 gütige Vorsicht! so erhöre denn alle unsere Wünsche, alle unsere Tränen, | ||||
| 			für dies Paar, das du selbst durch wunderbare Wege geknüpft hast. Lebe, liebster Bruder! lebe | ||||
| 			lange, lebe glücklich in den Armen Deiner Cristinchen: seyd ein Muster der schönsten Ehe, ein | ||||
| 			Trost Eurer für Freude weinenden Eltern, eine Freude Eurer Geschwister: jeder Eurer Tage müsse | ||||
| 			mit neuem Entzücken für Euch geschmückt seyn, jedes Eurer Jahre müsse so heiter hinfließen, | ||||
| 			wie ein Bach, der durch Rosen fließt. Nie müsse ein Gram Eure Seele umwölken, nie müsse ein | ||||
| 			Elend euch niederschlagen, da es euch nicht mehr allein, sondern verbunden, von der Hand | ||||
| 			Gottes verbunden, trifft, da eure Zärtlichkeit und eure Küsse euch trösten und selbst im | ||||
| 			Unglück beglücken werden. Eure Liebe sey so feurig, so rein, aber auch so unauslöschlich, wie | ||||
| 			das Feuer der Vesta: sey so dauerhaft, als ein Felsen, auf den das Meer vergeblich loßstürmt: | ||||
| 			eure Liebe lebe mit euch, sie leide mit euch: ihr werdet zwar sterben, aber eure Liebe wird so | ||||
| 			wie eure abgeschiedenen Seelen ewig währen, sie wird um euer Grab wachsen, und so wie eure | ||||
| 			Seelen dereinst wieder mit euren Körpern vereinigt werden; alsdann kann kein Tod sie mehr | ||||
| 			aufhalten, alsdann dauert sie bis in undenkbare Aeonen. <line type="empty" /> Ich seh euch | ||||
| 			schon im Geist, ihr liebenswerthen Beyde, <line tab="5" /> Ihr wandelt Hand in Hand durch | ||||
| 			Tarwasts frohe Flur. <line tab="5" /> Aus euren Mienen lacht nur Freude, <line tab="5" /> Und | ||||
| 			reine Lust und Lieb und Unschuld nur. <line tab="5" /> Euch wird der Lenz sich jetzo schöner | ||||
| 			schmüken, <line tab="5" /> Ihr findt ihn auf der Flur, findt ihn in euren Bliken. <line | ||||
| 				tab="5" /> Euch wird der Bach jetzt mit mehr Anmuth rauschen, <line tab="5" /> Mit froherm | ||||
| 			Ohr werdt ihr aufs Lied der Wälder lauschen, <line tab="5" />  <page index="2" /> Und mit | ||||
| 			entzükterm Blick, werdt ihr von goldnen Höhn, <line tab="5" /> Die Morgensonn zur Erde lächeln | ||||
| 			sehn. <line tab="5" /> Und weht der stürmsche Herbst und tobt der kalte Winter <line tab="5" /> | ||||
| 			So wird nur euer Herz und eure Lieb entzündter; <line tab="5" /> Im ländlich stillen Sitz | ||||
| 			werdt ihr, auch ganz allein, <line tab="5" /> Auch unter Schnee und Sturm, euch durch euch | ||||
| 			selbst erfreun: <line tab="5" /> Und wird denn in der Stadt der Tag zu trübe seyn, <line | ||||
| 				tab="5" /> Dringt ihm die Nacht zu früh herein, <line tab="5" /> Wird er des Abends Länge | ||||
| 			scheun: <line tab="5" /> Dann werdet ihr bei sanftem Lampenschein <line tab="5" /> Euch selbst | ||||
| 			Gesellschaft, Lust und Scherz und Frühling seyn. <line tab="5" /> Wird euch ins künftige ein | ||||
| 			neues Glüke lachen, <line tab="5" /> So werdet ihr vereint, es euch noch süßer machen: <line | ||||
| 				tab="5" /> Und naht ein Unglückssturm euch zärtlichen Erschroknen, <line tab="5" /> So wird | ||||
| 			des einen Trän des andern Tränen troknen. <line tab="5" /> Und einst wenn Jahre euch, wie Tage | ||||
| 			hingeflossen, <line tab="5" /> Und ein unschuldig Kind hält eure Knie umschlossen <line | ||||
| 				tab="5" /> Und stammelt seinen Segen euch: <line tab="5" /> Dann ist nicht Ehr und Gold, | ||||
| 			dann ist nicht Thron und Reich <line tab="5" /> Dann ist kein Glük dem euren gleich. <line | ||||
| 				tab="5" /> Dann soll sich eur Geschlecht dem unsrigen begegnen <line tab="5" /> Und unsre | ||||
| 			grauen Eltern seegnen: <line tab="5" /> Dann wollen wir uns freun, wie sich ein Engel freut, <line | ||||
| 				tab="5" /> Voll Wehmut und voll Zärtlichkeit, <line tab="5" /> Voll Wonne und voll | ||||
| 			Dankbarkeit. – <line tab="5" /> Und werden einst … Gedank voll Bitterkeit! <line tab="5" /> | ||||
| 			Und werden einst sich eure Augen schließen, <line tab="5" /> (Doch dann erst, Gott! wenn sie | ||||
| 			das Alter halb schon schließt) <line tab="5" /> Dann drükt mit traurigen und doch noch traurig | ||||
| 			süßen, <line tab="5" /> Und euch im Tod noch angenehmen Küssen <line tab="5" /> Euch eure | ||||
| 			Augen zu. – O Bild voll Schmerz! Dann fließt! <line tab="5" /> Ihr Tränen meiner Wang, fließt | ||||
| 			um sie! Dann begießt <line tab="5" /> Ihr mir geliebtes Grab, aus seiner Erde schießt <line | ||||
| 				tab="5" /> Dann eine Ros herfür, die traurig reizend blühet, <line tab="5" /> In der mein | ||||
| 			Aug das Bild von ihrer Ehe siehet. <line tab="5" /> Dann sag ich – – – doch mein Lied, zu | ||||
| 			traurig Lied! halt ein! <line tab="5" /> Sonst muß ich dieses Blatt mit Tränen überstreun. <line | ||||
| 				tab="5" />  | ||||
| <line type="empty" /> | ||||
| <note>vertikal am linken Rand</note> Ich umarme Dich und | ||||
| 			küsse Dich 1000mahl als Dein <line type="break" /> allergetreuester Bruder <line type="break" /> | ||||
| 			Jacob Michael Reinhold Lenz.<line type="break" /> Dorpat den 11ten October 1767. </letterText> | ||||
|  | ||||
|  | ||||
| 		<letterText letter="3"> | ||||
| 			<page index="1" /> | ||||
| <align pos="center">Verehrungswürdigste Eltern! </align> | ||||
| <line type="empty" /> | ||||
| <line | ||||
| 				type="empty" /> | ||||
| <line type="empty" /> Nach einer langsamen und ziemlich beschwerlichen Reise | ||||
| 			sind wir endlich am verwichenen Mittwochen Nachmittags um zwey Uhr glüklich und gesund zu | ||||
| 			Tarvast angekommen. Der Weg ist fast <aq>inpassabel</aq>, und die ersten Tage hatten wir | ||||
| 			ungemein starke Stürme und Regen. Wir wurden von der Wittwe recht artig aufgenommen und | ||||
| 			speiseten den ersten Abend mit dem Lieutenant Krüdner von Arrohoff und seiner Gemahlin, die | ||||
| 			sich Ihnen empfehlen ließen und mit dem Rittmeister Pietsch und der Fräulein Krüdner. Wir | ||||
| 			werden auch noch immer zum vor und nachmittäglichen Kaffee und zur Mahlzeit herein gebethen, | ||||
| 			weil der älteste Bruder mit seiner Wirtschaft noch nicht völlig im Stande ist und wir erst mit | ||||
| 			dem Anfange der künftigen Woche unsre eigne <aq>Menage</aq> <page index="2" />anfangen wollen. | ||||
| 			Die Wittwe ist eine <aq>simple</aq> Frau mit der der Umgang ziemlich langweilig wird: aber die | ||||
| 			Kinder sind rechte Unholde, und ich habe sie noch in meinem Leben so ungezogen nicht gesehen. | ||||
| 			Die jüngere Tochter strich ohne uns zu grüßen mir wie ein Wirbelwind vorbey und nahm ihren Weg | ||||
| 			gerade nach dem Tisch zu, auf den sie mit einem Satz sich heraufschwung und die Älteste machte | ||||
| 			es eben so, nur mit dem Unterschied daß sie bei jedem Schritt eine Art von Kniks machte, wie | ||||
| 			ihn ihr die Natur gelehrt hatte. Bey Tisch schreyt alles so untereinander, daß wir stumm seyn | ||||
| 			müssen, weil wir unser Wort nicht hören können. Der Bruder läßt sich recht sehr entschuldigen, | ||||
| 			daß er nicht mitgeschrieben: er ist von Morgen bis Abend zu mit Arbeiten und Bräutigammen und | ||||
| 			Lehrlingen überhäufft, überdem auch mit seiner Wirthschaft beschäftigt, mit der es noch nicht | ||||
| 			in<page index="3" /> den Gang kommen will, weil die alte Jungfer noch immer Rasttage hält und | ||||
| 			überhaupt ein bisgen unlustig ist, weil sie, wie sie sagt und sich einbildt, unter lauter | ||||
| 			Feinden hier leben muß. Er befindet sich aber sonst nach der Reise, so wie auch ich und die | ||||
| 			Jungfer, Gottlob recht gesund und läßt Sie, das junge Paar und alle Geschwister aufs | ||||
| 			ehrerbietigste und zärtlichste grüßen. Ich bitte gleichfalls den Neuverbundnen und allen | ||||
| 			Geschwistern meinen zärtlichsten Gruß zu vermelden und küsse Ihnen die Hand als <line | ||||
| 				type="empty" /> Meiner verehrungswürdigsten Eltern <line type="empty" /> | ||||
| <line type="empty" /> | ||||
| 			gehorsamster Sohn <line type="break" /> Jacob Michael Reinhold Lenz Tarwast den 9ten November | ||||
| 			1767. <note>am linken Rand, vertikal</note> Der Frau Obristin und ihrem würdigsten Hause, wie | ||||
| 			auch dem Herrn Pastor Oldekopp bitte unser beyder gehorsamste Empfehlung zu machen und | ||||
| 			letzterem zu seinem Namenstage zu gratuliren. Ich werde meine Kur erst mit der künftigen Woche | ||||
| 			anfangen und mache mir deswegen in der jetzigen bisweilen eine <aq>Motion</aq>, mit Reiten und | ||||
| 			Spazierengehen. Auf den Sonntag wird der Bruder teutsch predigen. <page index="4" /> | ||||
| <note> | ||||
| 			Adresse</note> Dorpat. <line type="empty" /> | ||||
| <line type="empty" /> | ||||
| <line type="empty" /> | ||||
| <aq>A | ||||
| 			Monsieur Monsieur <ul>Lenz</ul> Prevot ecclisiastique et Ministre du St. Evangile a l’eglise | ||||
| 			de St. Jean </aq> | ||||
| 		</letterText> | ||||
|  | ||||
| 		<letterText letter="4"> | ||||
| 			<page index="1" /> | ||||
| <align pos="center">Verehrungswürdigster Herr Papa!</align> | ||||
| <line | ||||
| 				type="empty" />  | ||||
| <line | ||||
| 				type="empty" />  | ||||
| <line type="empty" /> Ich weiß nicht, ob der Bruder bey seinen | ||||
| 			Amtsgeschäften, Catechisiren etc. Zeit haben wird, an Sie zu schreiben: ich nehme mir also die | ||||
| 			Freyheit, Ihnen abermals von dem was uns angeht, gehorsamst Nachricht zu geben. Der Bruder ist | ||||
| 			wie gesagt, sehr beschäftigt, befindet sich aber bey seinen Arbeiten noch immer Gottlob! recht | ||||
| 			gesund und vergnügt. Auch mir bekommt meine Kur recht gut und außer der kleinen | ||||
| 			Unbequemlichkeit, die mir der <aq>Diät</aq>, das Warmhalten, das Laxieren u. dgl. <page | ||||
| 				index="2" />machen, bin ich hier so vergnügt, wie man es in der Einsamkeit sein kann. Ich | ||||
| 			lese, oder schreibe, oder studire, oder tapeziere oder purgiere, nachdem es die Noth erfodert. | ||||
| 			Uebrigens hoffen und wünschen wir beyde von ganzem Herzen, daß dieser Brief sowohl Sie, als | ||||
| 			meine hochzuehrende Frau Mamma recht gesund, vergnügt und zufrieden antreffen möge. <line | ||||
| 				tab="1" /> Doch! eine Bitte, gütigster Herr Papa! zu der mich die Noth und Dero väterliche | ||||
| 			Gewogenheit berechtigen. Ich habe bey der neulichen Herreise empfunden, wie wenig ein bloßer | ||||
| 			Roquelor bey Reisen in kühler und windiger Witterung vorschlage. Ich kann mir also leicht | ||||
| 			vorstellen, wie es anziehen muß, wenn man im Winter im bloßen Mantelrock reiset. Ich weiß | ||||
| 			wirklich nicht, wie ich einmal nach Derpt zurückkommen oder falls des Bruders Hochzeit im | ||||
| 			Janauar seyn sollte, zu der er mit seiner Equipage mich mitnehmen will, wie ich die Reise | ||||
| 			dorthin werde thun können. Ueberdem ist mir ein Pelz allezeit nöthig: ich nehme mir also die | ||||
| 			Freyheit, Sie ganz gehorsamst zu bitten, ob sie mir nicht könnten für 3 Rubel das Futter dazu, | ||||
| 			nämlich einen Sak <insertion>schwarzen</insertion> Schmaßchen aus den Russischen Buden | ||||
| 			ausnehmen lassen. Das Oberzeug darf nur Etemin seyn: und da Sie in dieser Zeit sich <page | ||||
| 				index="3" />ohnedem ausgegeben haben, <insertion>so</insertion> daß ich mich billig gescheut | ||||
| 			haben würde, mir von Denenseiben was gehorsamst auszubitten, wenn mich nicht die Noth zwänge: | ||||
| 			so könnte es ja solange in Peukers Bude auf Conto gesetzt werden, bis es Ihnen weniger | ||||
| 			beschwerlich fiele, das Geld dafür zu bezahlen. Ich überlasse dies übrigens ganz Ihrer eigenen | ||||
| 			gütigen Disposition und werde mich auch alsdenn zufrieden geben, wenn die Umstände es für | ||||
| 			diesmal nicht erlauben sollten. <line tab="1" /> Uebrigens küsse ich Ihnen und meiner besten | ||||
| 			Mamma ganz gehorsamst die Hand und bin nach 1000 Grüßen an allen meine Geschwister und nach | ||||
| 			gehorsamen Empfehl an die Frau Obristin Albedille nebst Ihrem ganzen würdigsten Hause, an den | ||||
| 			Herrn Pastor Oldekopp und alle übrige Gönner und Freunde <align pos="right">Meines | ||||
| 			verehrungswürdigsten Herrn Papas</align> | ||||
| <line type="empty" />  | ||||
| <line type="empty" />  | ||||
| <align | ||||
| 				pos="right">gehorsamster Sohn <line type="break" /> Jacob Michael Reinhold Lenz. </align> | ||||
| 			Tarwasts Pastorath den 24ten November 1767 <page | ||||
| 				index="4" /> P. S. Der Bruder läßt sich nochmals gehorsamst entschuldigen, daß er diesmal | ||||
| 			nicht mit geschrieben. Er hat gestern den ganzen Tag mit Brautsleuten und Lehrlingen zu thun | ||||
| 			gehabt, gestern abend um 12 Uhr in aller möglichen Eile noch nach Reval geschrieben, welchen | ||||
| 			Brief er gehorsamst zu bestellen bittet und ist heut früh schon bey dem scharfen Frost den wir | ||||
| 			seit einiger Zeit gehabt haben und bey dem Schnee und Sturm der verwichenen Nacht, | ||||
| 			catechisiren mit Schlitten gefahren. Er läßt unterdessen Ihnen und seiner würdigsten Frau Mama | ||||
| 			seinen kindlichen Handkuß und allen seinen Geschwistern besonders dem jungen Paar, wie auch | ||||
| 			allen guten Freunden seinen zärtlichsten Gruß versichern. <line tab="1" /> | ||||
| <note>Friedrich | ||||
| 				David Lenz’ Hand</note> | ||||
|  | ||||
| <hand ref="3">P. S. Theurester Papa. Diesen Augenblick komme von der | ||||
| 			Catechesation. Von 8 Uhr heute Morgen bis 4 Uhr Nachmittag habe ich in der Kälte zugebracht, | ||||
| 			und bin vom Frost und Ungestüm so durchgenommen, daß ich kaum die Fingern rühren kann. Ich bin | ||||
| 			sonst Gottlob gesund, und werde mich innigst freuen, wenn Sie und meine geliebteste Frau Mama | ||||
| 			es auch sind. Sie haben doch meiner gehorsamsten Bitte gemäß schon nach Reval an meine | ||||
| 			Schwieger-Eltern geschrieben, und für mich eine Vorbitte in puncto der Hochzeit im Januario | ||||
| 			eingelegt? 100000 Grüße und Küße an <insertion>Sie beyde verehrungswürdigten</insertion> alle | ||||
| 			Geschwister Freunde und Gönner von Ihrem gehorsamsten Sohn. F. D. Lenz. Mit steifen Fingern </hand> | ||||
| 		</letterText> | ||||
|  | ||||
|  | ||||
| 		<letterText letter="5"> | ||||
| 			<page index="1" /> | ||||
| 			<align pos="center">Mein liebstes junges Paar!</align> | ||||
| <line type="empty" />  | ||||
| <line | ||||
| 				type="empty" />  | ||||
| <line type="empty" /> Wie sind Sie angekommen? Wieviel Glieder und Sinne | ||||
| 			haben Sie noch übrig? (denn Ihren Leuten wird wohl Verstand und alle Sinne erfroren seyn). Wie | ||||
| 			haben Sies zu Wasser und zu Lande gehabt? Sind Sie auch geirret? Und wie haben Sie alles zu | ||||
| 			Hause gefunden? Wie lassen sich die Schwedischen Reichsräthe an? Und wie gefällt Ihnen, meine | ||||
| 			liebe junge Frau, das einsame Tarwast? <line tab="1" /> Zum andern befinden wir uns alle so, | ||||
| 			wie Sie uns gelassen haben. Papa ist Papa, und Mamma ist Mamma, und Moritz und seine Frau und | ||||
| 			alle übrige sind gesund und vergnügt, und ich, ich sey Jakob. <line tab="1" /> Zum dritten, | ||||
| 			vierten und zehnten habe ich auch die Ehre zum Geburstag zu gratuliren und zu wünschen <aq> | ||||
| 			mmmmmmm</aq> und wieder der Herr <aq>mmmmm</aq> und wieder der Heiland <aq>mmmmm</aq> und | ||||
| 			wieder sitzo. <note>am linken Rand, vertikal</note> Mamma bittet den Sak zurück in welchem | ||||
| 			Dein Junge Salz mitgenommen hat. Sie grüßet Sohn und Tochter aufs zärtlichste und bittet sehr | ||||
| 			um angeführten Sak. <page index="2" /> Oder besser: ich wünsche auch, daß Sie möchten zu einer | ||||
| 			glüklichen Stunde geboren seyn ….. und nicht nur dieses sondern viele folgende zu erleben und | ||||
| 			mit Gesundheit zu verzehren. <line tab="1" /> Oder dito feiner: Wünsche auch, daß der | ||||
| 			barmherziger Gott verleihen wolle einen kräftigen Geist des <aq>Danielis</aq> und wenn es | ||||
| 			sollte dermaleinst zum Jahre des Nestors kommen, dieselben; Sie gehen nimmer aus meinem | ||||
| 			Gemüthe weg. Anbey wünsche auch daß in künftiger Zeit benebenst guter Gesundheit dermaleinst | ||||
| 			mancher kleiner Herr Söhnlein um die Eltern wimmeln mag, benebst den Oelpflänzlein um dero | ||||
| 			Tisch, sie grünen und blühen. Abkürze hier meine Gratulation, dieweile der drange Raum mich | ||||
| 			verweigert, hierüber weiter herauszulassen. <line tab="1" /> Ernsthaft zu reden so ist es | ||||
| 			Schade, daß wir an diesem Tage nicht hier zusammen vergnügt sein konnten. Doch ich bin jetzt | ||||
| 			im Geist auf Tarwast und schwatze Ihnen was vor, dann werde ich ganz ernsthaft und wünsche | ||||
| 			Ihnen beyden so viele und so angenehme Geburtstage, als Sie sich selbst wünschen, und soviel | ||||
| 			Vergnügen, als Ihnen die ersten Umarmungen in Reval gaben, an dem heutigen Tage. Es sey euch | ||||
| 			dieser Tag an tausend Zärtlichkeiten<line tab="5" /> An tausend sanften Freuden reich.<line | ||||
| 				tab="5" />  | ||||
| <page index="3" /> Mit Küssen grüßet ihn: spielt ihm auf sanften Sayten<line | ||||
| 				tab="5" /> Ein zärtlich Lied und unter Zärtlichkeiten<line tab="5" /> Verfließ er euch!<line | ||||
| 				tab="5" /> Dies ist der Tag, müß jetzt Ihr Fritzchen sagen,<line tab="5" /> Der Dich mir | ||||
| 			gab, mein Leben, meine Lust.<line tab="5" /> Für mich hat unter ihrer Brust<line tab="5" /> | ||||
| 			Die beste Mutter Dich getragen.<line tab="5" /> Für mich hat Deinen ersten Tagen<line tab="5" /> | ||||
| 			Gott jene teure Pflegerin geschenkt<line tab="5" /> Die zärtlicher, als hundert Mütter denkt<line | ||||
| 				tab="5" /> Und deren Abschied noch Dich kränkt.<line tab="5" /> Für mich wuchs Deine holde | ||||
| 			Jugend<line tab="5" /> Wie Frühlingsrosen auf: und Zärtlichkeit und Tugend<line tab="5" /> | ||||
| 			Keimt’ damals schon für mich in Deiner Brust empor.<line tab="5" /> | ||||
| <line tab="1" />Dann müß | ||||
| 			auch sie mit sanften Küssen sagen:<line tab="5" /> Geliebter, ja, ich bin nur da für Dich.<line | ||||
| 				tab="5" /> Für Dich fing dies Herz an zu schlagen<line tab="5" /> Und ewig schlägt es nur | ||||
| 			für Dich.<line tab="5" />  | ||||
| <line tab="1" />So sey euch dieser Tag an unschuldsvollen Freuden,<line | ||||
| 				tab="5" /> So sey er euch an Liebe reich.<line tab="5" /> Wie mancher Hagstolz muß euch eure | ||||
| 			Lust beneiden,<line tab="5" /> Wie manches Ehepaar wünscht heimlich eure Freuden!<line tab="5" /> | ||||
| 			Werd ich einst auch ein Mann, will ich euch nicht beneiden:<line tab="5" /> Allein zum Muster | ||||
| 			nehm ich euch.<line tab="5" /> | ||||
| <page index="4" /> Neuigkeiten! <aq>Madem. Smoljan</aq> und die | ||||
| 			Majorin Graß sind weggereist. Die Oldekoppin ist recht böse auf Dich, lieber Bruder, und auf | ||||
| 			Deine junge Frau, daß ihr nicht bey ihr gewesen seyd. – <line tab="1" /> Papa und Mama, die | ||||
| 			sich Gottlob! noch erträglich befinden, Moritz und seine Frau, die vielleicht selbst auch | ||||
| 			schreiben werden, Lieschen, Christian und die kleinen Geschwister, alle Freunde besonders die | ||||
| 			Frau Obristin und die Fräuleins grüßen und küssen 1000mal Fräu- und Männlein. Auch wird die | ||||
| 			alte Jungfer begrüßt. Leben Sie gesund und vergnügt mein liebstes Paar! und behalten Sie immer | ||||
| 			lieb <line type="empty" />  | ||||
| <note>Albedylls Hand</note> | ||||
| <hand ref="7">Ihres Herrn Bruders seine | ||||
| 			grüsse von mich sind zu kalt, hier folgen die zärtlichsten die aufrichtigsten die feurigsten | ||||
| 			von mich und meiner Tochter, von meiner eigenen Hand. <ul> | ||||
| 					<aq>Albedyll</aq> | ||||
| 				</ul></hand> | ||||
| <line type="empty" /> zärtlichsten Bruder <line | ||||
| 				type="break" /> Jacob Michael Reinhold Lenz<line type="break" /> Am Geburtstage 1768. <line | ||||
| 				type="break" /> P.S. Wenn Du, liebster Bruder! einige <aq>Exemplare</aq> von <insertion> | ||||
| 				den</insertion> hochzeitlichen Gedichten hast, so schicke sie mir doch, ich habe kein | ||||
| 			einziges. Onkel Kellner vergaß auch uns welche mitzugeben. Die <aq>Capit. Sege</aq> und die | ||||
| 			Lieutnantin Brandt von Fetenhof und die Majorin Toll von Wissus haben junge Söhne. Die alte | ||||
| 			Oldenkoppin ist ziemlich krank. Heut hat H. Rektor für Reichenberg gepredigt. <aq>Adieu!</aq> | ||||
| 			Dieses am Sonntage. </letterText> | ||||
|  | ||||
| 		<letterText letter="6"> | ||||
| 			<page index="1" /> Königsberg 1769. Octbr 14. <align pos="center">Gütigster Herr Papa.</align> | ||||
| <line | ||||
| 				type="empty" /> Um den Brief nicht überflüssig groß und dick zu machen, muß ich mich | ||||
| 			begnügen, nur gegenwärtigen kleinen Zettel in denselben an Sie einzuschließen. Christian wird | ||||
| 			vermutlich in seinem Schreiben weitläuftiger <del>zu</del> seyn und ich habe also nur noch | ||||
| 			einige kleine Supplemente zu meinem vorigen Briefe zu geben. So sehr ich Ihnen für die gütige | ||||
| 			Besorgung eines Theils meines jährlichen <aq>Fixi</aq> verbunden bin, so sehr sehe ich mich | ||||
| 			genöthigt, Sie nochmals gehorsamst um die so viel möglich baldige Beförderung dessen, was Ihre | ||||
| 			Gütigkeit zu unserer Kleidung bestimmt hat, zu bitten. <aq>Pranumeration</aq> ist nothwendig, | ||||
| 			wenn ein Student gut wirthschaften will und also ist ihm im Anfange des Jahrs immer Geld | ||||
| 			unentbehrlich. Noch einige Ausgaben habe Ihnen schon vorhin specificiren wollen, für die ich | ||||
| 			gleichfalls von Ihrer Gewogenheit einigen Ersatz hoffe, wenn es Ihre Umstände zulassen. Der | ||||
| 			Band einiger <aq>Exemplare</aq> meiner Landplagen, insonderheit der letzte, der nach Petersb. | ||||
| 			bestimmt und den ich schon dem Herrn v. Schulmann an Sie mitgegeben: kostet mir wenigstens bis | ||||
| 			2 Dukaten. Hernach haben alle Landsleute zum Begräbnis des seel. Herrn Langhammers was | ||||
| 			beitragen müssen: weil seine Mutter eine Wittwe ist, die sich selbst nicht ernähren kann, und | ||||
| 			derjenige, der ihn studiren lassen, nicht einmal so viel, als zu den Ausgaben, an Doctor etc. | ||||
| 			in seiner Krankheit erfordert worden, überschickt<page index="2" /> hat. Dieser Beytrag war | ||||
| 			bis über 4 Thlr. – Wenn Sie von dem Obristen Bok was gehört haben, so seyn Sie so gütig, es | ||||
| 			mir bey Gelegenheit zu melden. – Neulich haben wir einen gewissen Bar. Cloth, Ihren gewesenen | ||||
| 			Eingepfarrten, 2 Bar. v. Baranow und den jungen H. D. Stegemann, der vielleicht schon jetzt in | ||||
| 			Dorpat angekommen seyn, allhier gesprochen. – Der Catalogus lectionum ist zwar jetzt heraus, | ||||
| 			allein ich fürchte er würde den Brief zu sehr anschwellen, wenn ich ihn hier beylegte. Ich | ||||
| 			werde dieses halbe Jahr, außer den philosophischen und andern Collegiis von theologicis das | ||||
| 			Theticum bey D. Lilienthal und ein Exegeticum über die Ep. Pauli an die Römer bey D. Reccard | ||||
| 			hören. Die andern theologischen Collegia bedeuten in diesem halben Jahr nicht viel. Ueberhaupt | ||||
| 			wenn man nebst einigen wenigen Professoren die Magister von Königsberg nähme, würde die | ||||
| 			Akademie wenig oder gar nichts werth seyn. Nächstens werde ich weitläuftiger sein. Vergeben | ||||
| 			Sie unser öfteres unverschämtes Geilen nach Geld: die Noth lehrt hier beten und betteln. Gegen | ||||
| 			den Winter kommen viel neue Ausgaben. Holz: ein neuer Schlafrock, Tisch – – – Grüßen Sie doch | ||||
| 			alle Verwandte und Freunde, besond. aber meine theureste Frau Mama 100000mal von Ihrem <line | ||||
| 				type="empty" /> gehorsamsten Sohn<line type="break" /> J.M. R. Lenz. <note>auf der ersten | ||||
| 			Seite am rechten oberen Rand</note> P. S: Wenn Sie an den Tarwastschen Bruder schreiben, so | ||||
| 			sagen Sie ihm doch, daß ich recht sehr begierig bin, einmal einen Brief von ihm zu sehen. </letterText> | ||||
|  | ||||
|  | ||||
| 		<letterText letter="7"> | ||||
| 			<page index="1" /> I. <aq>Ni Deus fere miraculum fecisset, hae pecuniae non confluxissent.</aq> | ||||
| 			1) Ursachen, Wenigkeit der <aq>Communicanten</aq>: armselige Beschaffenheit, die größten | ||||
| 			Ausgeblieben, kein Rathsherr, keiner von den Aeltesten-Leuthen; <aq>excepto</aq> P.ker und | ||||
| 			Teller – das wenige Gesammelte zu Bezalung der Handwerker im Auditorium, die schon lange zu | ||||
| 			Halse gegangen. – – 2) Art u. Weise, wie sie zusammen geflossen. <aq>Fick</aq> 20 Rbl. – | ||||
| 			Treuer 20 Rbl. – Stryck 10 Rbl. – Raths-Stipend. – 20 Rbl. – – 3) <aq>Distributio.</aq> a) <aq>Jacob | ||||
| 			Fick</aq> – 10 Rbl.– Raths–<aq>Stip.</aq>– 10 Rbl. – S. 20 Rbl. b) <aq>Christian Fick</aq> – | ||||
| 			10. <aq>Treuer</aq> – 20. <aq>Stryck</aq> – 10. Raths-<aq>Stip.</aq> 10 – S. 50 Rbl <line | ||||
| 				tab="1" />II. Hiermit aber sind auch nun die vorigen Quellen verschlossen. Jacob hat Boks u. | ||||
| 			der <aq>Baronne Wolf Stipendia</aq> weg – <aq>Fick</aq> sagte 50 Rbl. habe er destinirt, 30 | ||||
| 			Rbl. hätte er vorher gegeben, nun die letzten 20. – <aq>Treuer</aq> ein vor alle mal – das | ||||
| 			Raths-<aq>Stipendium</aq> für dich geschlossen, tritt nun So .. <aq>jun.</aq> an. – <aq>Stryck</aq> | ||||
| 			auch aufs letzte Jahr. – Auf mich gar keine Rechnung zu machen. Denn da meine Erntezeit nichts | ||||
| 			getragen u. ich also fast in allgemeinen Schulden sitzen bleibe, so ist auf die übrigen Teile | ||||
| 			des Jahres wenig zu rechnen: u. es wird e. Wunder-Gnade Gottes seyn, wenn noch so viel | ||||
| 			zusammen soll, als bis Michaelis nöthig ist. <page index="2" />  | ||||
| <line tab="1" /> III. <aq> | ||||
| 			Porismata</aq> hieraus, daß sie 1) durchaus nicht länger als bis gegen Michaelis sich ihren <aq>Terminum | ||||
| 			Academicum</aq> setzen, denn es wird ohnehin schwehr genug seyn, sie noch so hinge zu | ||||
| 			unterstützen 2) sich nicht in Schulden einfressen, sonst sich so vest fressen, da ich sie | ||||
| 			unmöglich würde lösen können u. da wären sie ganz verloren, denn ich könnte nicht, wenn sie | ||||
| 			auch ins <aq>Carcer</aq> kämen 3) daß sie mittlerweile sehr fleissig seyn pp. <line tab="1" /> | ||||
| 			IV. Nachricht, so ich gehöret, daß Prof. Cant ihn nach Rehbinder in Danzig <aq>recommendiret</aq> | ||||
| 			. <line tab="1" /> 1) Vorläufige Bestrafung, daß er nicht mit mir solche Sachen <aq> | ||||
| 			communicire</aq>, böses Gewissen: Ich würde ihm Väterl. und aus reifer Ueberlegung und | ||||
| 			Erfahrung rathen: Aber damit wäre ihm vielleicht nicht gedient, sondern Rath d. Jungen, die | ||||
| 			auch noch flüchtig denken u. sich durch den anfängl. Falschen Schein, Dunst u. Glast blenden | ||||
| 			lassen.– Er mache es wie Rehabeam p.– Vielleicht unsere Väter – und mütterliche Zärtlichkeit | ||||
| 			würde es nicht zulassen, ob es gleich dein Bestes wäre: Aber a) <aq>Si Supponis</aq> so viel | ||||
| 			väter- u. mütterl. Zärtlichkeit; <aq>male</aq>, daß du nicht eben so viel kindl. Zärtlichkeit | ||||
| 			hast, u. deine Eltern dadurch erfreuen wilst, daß du in deinem Vaterlande Gott und deinen | ||||
| 			Nächsten, ihnen zur Ehre und Freude nützl. seyn wilst – Zeigt wenig <aq>patriotismus</aq> an. | ||||
| 			– Ist doch auch wol e. Tugend – <aq>Exempl.</aq> <page index="3" />Griechen, Römer. Was haben | ||||
| 			wir, was alle Freunde, was alle deine hiesigen Compatrioten, bey denen du das beste Vorurth. | ||||
| 			erweckt hast, von allen ihren Erwartungen. b) Aber wenn es dein wahrer Vorteil wäre; abnegarem | ||||
| 			Alle mein eignes und der Meinigen Vergnügen p. So affenliebisch bin ich nicht pp. Allein <aq> | ||||
| 			Suppono</aq>, daß d. <aq>H. Resident</aq>, als <aq>Resident</aq> (denn das bringt diese s. <aq> | ||||
| 			Charge</aq> schon mit sich) in Danzig bliebe. Was wilst du dann bey ihm machen? – Erst | ||||
| 			Hofmeister, – das hier auch, – dann <aq>Secretair</aq>. Ein schlechter wol nicht, damit er | ||||
| 			dich abdanken könne. – Nein e. gut., folgl. e. ewiger <aq>Secretair</aq>, so wie dein | ||||
| 			Mutterbruder <aq>Neoknapp</aq>, e. ewiger freier Unterthan s. Hauses, der nie s. eignes | ||||
| 			anfangen, nie heiraten, nie selbst e. Wirtschaft fuhren kann, immer die Füsse unter e. fremden | ||||
| 			Tisch stecken muß. Taugst du nichts u. must ihn verlassen, so jägt er dich ohne <aq> | ||||
| 			Recommendation</aq> weg. – Taugst du was, u. hat er dich lieb, so wird er aus Eigennutz dich | ||||
| 			in s. Hause ewig festhalten wollen, u. ich weiß nicht, zu welchen <aq>emplois</aq> er dir in | ||||
| 			Danzig helfen könnte, da es doch dort wol von geschickten Landes Leuten krimmelt u. wimmelt, | ||||
| 			die nothwendig vor fremden den Vorzug haben. – Vielleicht rechnest du darauf, daß er dich dort | ||||
| 			in e. gute Pfarre helfen solle. In was für eine Etwa in e. Stadtpfarre in Danzig selbst? Nein | ||||
| 			dazu nehmen die Herren Danziger wahrhaftig <aq>praejudicio</aq> keinen blossen und noch dazu | ||||
| 			fremden Candidaten, wenn er auch Apoll selbst wäre, auch nicht jeden geschickten wahren | ||||
| 			Prediger einmal, sondern verschrieben sich immer große <aq>Professores</aq> und <aq>Doctores | ||||
| 			Theologiae</aq> von fremden Academien, wie so z.E. <aq>D.</aq> Kraft a.d. großen Pfarrkirche; | ||||
| 			und D. Bertling aus Helmstädt dahin kamen. Nun wo dann hin? Aufs Land, aufs Dorf. 1) kannst du | ||||
| 			das hier auch u. viel besser haben: denn wir haben hier 10mal bessere Land-Pastorate, als die | ||||
| 			dortigen Dorf-Pfarren sind, wo die armen Prediger fast das Hungerbrod fressen. 2) ist nichts | ||||
| 			Verachteteres, als e. dasiger Dorf-Pfaffe. <aq>In urbibus pastores magis honorantur,<page | ||||
| 					index="4" /> quam hic. At in pagis quoque centies magis spernuntur, quam hic.</aq> – Es | ||||
| 			ist überhaupt die Frage, ob d. <aq>H. Resident</aq> dich dort zu e. geistl. od. weltl. Amt | ||||
| 			befördern könne, oder wolle: (1) ob er könne! Denn warum solten sie sich <aq>Subjecta</aq> von | ||||
| 			e. fremden Herrn vorschlagen lassen, da es ihnen weder an eignen <aq>consiliariis</aq> noch <aq> | ||||
| 			Subjectis</aq> zu Aemtern fehlet b) ob er wolle! Denn gefällst du ihm, so wird er kein Thor | ||||
| 			seyn, sich auf die Art von dir zu trennen u. sich selbst deiner guten Dienste zu berauben. | ||||
| 			Gesetzt du wollest da nicht länger bey ihm bleiben; wo dann hin! da du dort fremd u. unbekannt | ||||
| 			bist: hier aber (da dein Vat. überall und du auch schon zieml. weit und breit bekannt ist) dir | ||||
| 			das ganze Land offen steht. <aq>Ergo plane dissuadeo ut amicus, at si non vis,</aq> befehle | ||||
| 			ichs dir als Vater, daß du dies Project fahren lassest u. mit deinem Bruder hereinkommst. <line | ||||
| 				tab="1" /> V. Anderwärtiger Vorschlag, den ich ihm gebe. D. H. Obrister Bok bey mir, hat e. | ||||
| 			Schwester in Lettland, <aq>nomen nescio</aq> hat noch klein. Kind., fordert nur den ersten | ||||
| 			Unterricht in Bstabiren, Lesen, Schreiben, Rechnen u. sonderl. im französischen, <aq>offerirt</aq> | ||||
| 			selbst nicht das <aq>Salarium</aq>: du solst es fixiren. Ich meine im ersten Jahre, da dte | ||||
| 			Kind. klein 150 rthl. Alb. (weil dort im lettischen Alberts-Tahler) so nach Rubeln doch zum | ||||
| 			allerwenigsten 180 Rbl. ausmachen, und dabey 20 Rthl. zu freyem <aq>Thee</aq> und Zucker. – Im | ||||
| 			anderm Jahre wenn du bleiben wilst und kanst, aber 200 rthl. Alb. welches zum allerwenigsten | ||||
| 			240 Rbl. ausmachet, u. abermal 20 rthl. Thée und Zucker. Ich wil auch suchen das Reisegeld für | ||||
| 			dich mit zu verdingen, weil ich sorge, ich möchte es kaum aufbringen können. Wilst du dies, so | ||||
| 			wil ich an Bok schreiben. Denn er wartet sehnl. auf Antwort u. bittet sehr darum. Wer weiß, wo | ||||
| 			dieser Gönner auch wegen s. grossen Bekanntschaft mit den Größten des Hofes u. Einfluß bey d. | ||||
| 			Majestät selbst dir hier noch beförderl. seyn könnte? Antworte bald. – Das <aq>Salarium</aq> | ||||
| 			däucht mir <aq>convenable</aq>. Man<page index="5" /> darf den Bogen nicht zu hoch spannen, | ||||
| 			weil er dir in d. Noth geholfen p. Du hast Freiheit, kanst bleiben u. auch gehen, wenn dir die <aq> | ||||
| 			condition</aq> nicht länger ansteht. <line tab="1" /> VI. Der Mamma Zustand: Marter von Viel. | ||||
| 			1000 Plagen, schlechtes OsterFest. – Meine Gesundheit auch schlecht. Kopfschmerzen vom Dunst. <line | ||||
| 				tab="1" /> VII. Meine neue Verfolgung, wegen 1) d. Ober-Consistorial-Schrift 2) des | ||||
| 			Kirchenbuches. <line tab="1" /> VIII. Erbärml. Zustand d. <aq>Sczibalski</aq> auf Rüggen. Sie | ||||
| 			werden wol nicht mehr sehen. <aq>Extract</aq> aus den beyden letzten <aq>Sczibalskischen</aq> | ||||
| 			Briefen. – Unsere vielen Tränen. <line tab="1" /> IX. Lieschen 3 Tage schon krank. – | ||||
| 			Ueberhaupt dort viel Patienten, desgleichen in Lemsal von den <aq>Recruten</aq>. <line tab="1" /> | ||||
| 			X. Gestorben: 1) General Di..t.. ..: Schreckl. Krankheits-Umstände seel. Tod. Grots | ||||
| 			Leichen-Predigt 2) Landrath <aq>Igelstrohm</aq> 3) <aq>Axel</aq> Bruiningk 4) d. <aq>Candid.</aq> | ||||
| 			Hoffmann, d. euch auf dem Claviere informirte, in Lemsal 5) d. junge Reichenberg. – <aq>Ejus | ||||
| 			ultima</aq> – Vorm Jahrd. junge Helm. <line tab="1" /> XI. Neuer General-<aq>Superint.</aq> | ||||
| 			Sein guter Character. Nicht ein solcher Pedant. – Neuer Grund einzukommen. <line tab="1" /> | ||||
| 			XII. <aq>Copulandi</aq> Inspect. Petersen mit e. Jungfer Rosenthal. <line tab="1" /> XIII. | ||||
| 			Frage, obs wahr, daß die Preußen in Curland eingerückt sind? – Ob sie <aq>communiciret</aq> | ||||
| 			haben u. wann? <line tab="1" /> XIV. Schluß-Ermahnung. 3 Stangen fein. schwarzen Lak. Zu 40 | ||||
| 			Trauer-Briefen Pappier mit schwarzen Ränd. 2 Buch Pappusch Pappier von No. 1. </letterText> | ||||
|  | ||||
|  | ||||
| 		<letterText letter="8"> Theurester Freund! <line tab="1" />Sie werden mir ein kleines | ||||
| 			Stillschweigen zu gut halten, das auf eine Abreise ohne Abschied seltsam genug aussieht. Die | ||||
| 			gegenwärtige Lage meiner Seele wird mich entschuldigen. Sie kriecht zusammen, wie ein Insekt, | ||||
| 			das von einem plötzlichen kalten Winde berührt worden. Vielleicht sammelt sie neue Kräfte, | ||||
| 			oder vielleicht ist dieser Zustand gar Melancholey. Sey es was es wolle, ich befinde mich eben | ||||
| 			nicht unglücklich dabey, es ist kein Schmerz den ich fühle, sondern bloß Ernst und obschon | ||||
| 			dieser den Jüngling nicht so sehr ziemet als den Mann, so denk ich, ist er auch für jenen | ||||
| 			unter gewissen Umständen vortheilhaft. Geben Sie mir doch Nachricht von Ihrem Befinden, ändern | ||||
| 			Sie Ihr sonst so gütiges Zutrauen gegen mich nicht. Meine Umstände können meine Oberfläche | ||||
| 			zwar ändern, aber der Grund meines Herzens bleibt. – Ich beschäftige mich gegenwärtig | ||||
| 			vorzüglich mit Winkelmanns Geschichte der Kunst, und finde bei ihm Genugtuung. O daß dieser | ||||
| 			Mann noch lebte! Schaffen Sie sich sein Werk an, wenn Sie einmal auf Verschönerung Ihrer | ||||
| 			Bibliothek denken. Wenn seine Sphäre nur nicht von der Art wäre, daß er sich durch einen | ||||
| 			großen Nebel von Gelehrsamkeit in derselben herumdrehen muß, der den gesetzten und edlen Flug | ||||
| 			seines Geistes merklich niederschlägt. In der Jurisprudenz habe ich nur noch eine kleine Saite | ||||
| 			in meiner Seele aufgezogen, und die gibt einen verhenkert leisen Thon. Der waltende Himmel mag | ||||
| 			wissen, in was für eine Form er mich zuletzt noch gießt und was für Münze er auf mich prägt. | ||||
| 			Der Mensch ist mit freien Händen und Füssen dennoch nur ein tändelndes Kind, wenn er von dem | ||||
| 			großen Werkmeister, der die Weltuhr in seiner Hand hat, nicht auf ein Plätzchen eingestellt | ||||
| 			wird, wo er ein paar Räder neben sich in Bewegung setzen kann. – Ist Ihre Abhandlung schon | ||||
| 			vorgelesen? Und wie haben sich <aq>Ott</aq> und <aq>Haffner</aq> das letztemahl gehalten; ich | ||||
| 			zähle auf Ihr Urtheil davon. <line tab="1" />Ihre weisen Rathschläge über einen gewissen | ||||
| 			Artikel meines Herzens, fang ich an mit Ernst in Ausübung zu setzen: allein eine Wunde heilt | ||||
| 			allemahl langsamer, als sie geschlagen wird. Und wenn ich die Leidenschaft überwände, wird | ||||
| 			doch der stille Wunsch ewig nicht aus meinem Herzen gereutet werden, mein Glück, wenn ich | ||||
| 			irgend eines auf dieser kleinen Kugel erwarten kann, mit einer Persohn zu teilen, die es mir | ||||
| 			allein wird reitzend und wünschenswerth machen können. Ich habe heut einen dummen Kopf, aber | ||||
| 			ein gutes und geruhiges Herz: aus der Fülle dieses Herzens will ich Ihnen sagen, daß ich bin | ||||
| 			Ihr <line type="break" /> unaufhörlich ergebenster Freund <line type="break" /> J. M. R. Lenz. <line | ||||
| 				type="empty" />  | ||||
| <note>Am Rand</note> Von Herrn von Kleist ein ganz ergebenstes Compliment. | ||||
| 			Wollen Sie so gütig seyn, mich Ihrer Tischgesellschaft zu empfehlen, vorzüglich Herrn <aq> | ||||
| 			Leibhold</aq> und <aq>Hepp</aq>. <line type="empty" />  | ||||
| <note>Nachschrift</note> Ich sehe daß | ||||
| 			mein guter Ott mich nicht versteht und durchaus glaubt, wenn ich nicht lustig bin, müsse ich | ||||
| 			unglücklich seyn. Benehmen Sie ihm doch dieses schlechte Zutraun zu mir, welches mich in der | ||||
| 			That schamroth machen muß. Der Himmel ist noch nie so strenge gegen mich gewesen, mir größeren | ||||
| 			Kummer aufzulegen, als wozu er mir Schultern gegeben, und wenn ich jetzt die feige Memme | ||||
| 			machte, der Ungedult und Thorheit über die Backen liefen, so verdient ich in Essig eingemacht | ||||
| 			zu werden, damit ich nicht in <aq>putredinem</aq> überginge. Ich fürchte, weil ich an ihn | ||||
| 			jetzt nicht mehr mit lachendem Munde schreiben kann, sein gar zu gutes und empfindliches Herz | ||||
| 			wird glauben, ich sey niedergeschlagen und ich bin es doch niemals weniger gewesen als itzt. <line | ||||
| 				tab="1" />Neulich als ich einige Stunden einsam unter einem Baum gelesen, sah ich | ||||
| 			unvermuthet eine erschreckliche Schlange ganzgeruhig zwei Zoll weit neben mir liegen. Ich flog | ||||
| 			schneller als ein Blitz davon, und dachte es muß doch noch nicht Zeit für dich sein – Diese | ||||
| 			Anekdote schreibe ich meinen Freunden nur darum, damit sie sich in Acht nehmen, unter einem | ||||
| 			Baum auszuruhen – denn sonst denk ich interessirt sie niemanden als mich. <line tab="1" />Ich | ||||
| 			schick Ihnen zur Ausfüllung einer vegetirenden Stunde nach dem Essen, eine kleine Romanze, die | ||||
| 			ich in einer eben so leeren Stunde gemacht habe. <line type="empty" />  | ||||
| <align pos="center">Piramus | ||||
| 			und Thisbe.</align> | ||||
|  | ||||
| <line tab="4" />Der junge Piramus in Babel <line tab="4" />Hat in der Wand <line | ||||
| 				tab="4" />Sich nach und nach mit einer heissen Gabel <line tab="4" />Ein Loch gebrannt. <line | ||||
| 				type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />Hart an der Wand, da schlief sein Liebchen, <line tab="4" />Die | ||||
| 			Thisbe hieß, <line tab="4" />Und ihr Papa auf ihrem Stübchen <line tab="4" />Verderben ließ. <line | ||||
| 				type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />Die Liebe geht so, wie Gespenster, <line tab="4" />Durch Holz | ||||
| 			und Stein. <line tab="4" />Sie machten sich ein kleines Fenster <line tab="4" />Für ihre Pein. <line | ||||
| 				type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />Da hieß es: liebst du mich? da schallte: <line tab="4" />Wie | ||||
| 			lieb ich dich! <line tab="4" />Sie küßten Stundenlang die Spalte <line tab="4" />Und meynten | ||||
| 			sich. <line type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />Geraumer ward sie jede Stunde, <line tab="4" />Und | ||||
| 			manchen Kuß <line tab="4" />Erreichte schon von Thisbens Munde <line tab="4" />err Piramus. <line | ||||
| 				type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />In einer Nacht, da Mond und Sterne <line tab="4" />Vom Himmel | ||||
| 			sahn, <line tab="4" />Da hätten sie die Wand so gerne <line tab="4" />Beyseits gethan. <line | ||||
| 				type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />Ach Thisbe! weint er, sie zurücke: <line tab="4" />Ach | ||||
| 			Piramus! <line tab="4" />Besteht denn unser ganzes Glücke <line tab="4" />In einem Kuß? <line | ||||
| 				type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />Sie sprach: ich will mit einer Gabe, <line tab="4" />Als wär | ||||
| 			ich fromm, <line tab="4" />Hinaus bei Nacht zu Nini Grabe, <line tab="4" />Alsdann so komm! <line | ||||
| 				type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />Dies wird Papa mir nicht verwehren, <line tab="4" />Dann | ||||
| 			spude dich. <line tab="4" />Du wirst mich eifrig bethen hören, <line tab="4" />Und tröste | ||||
| 			mich. <line type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />Ein Mann ein Wort! Auf einem Beine <line tab="4" />Sprang | ||||
| 			er für Lust: <line tab="4" />Auf Morgen Nacht da küß ich deine <line tab="4" />Geliebte Brust. <line | ||||
| 				type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />Sie, Opferkuchen bei sich habend, <line tab="4" />Trippt | ||||
| 			durch den Hayn, <line tab="4" />Schneeweiß gekleidt, den andern Abend <line tab="4" />Im | ||||
| 			Mondenschein. <line type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />Da fährt ein Löwe aus den Hecken, <line | ||||
| 				tab="4" />Ganz ungewohnt, <line tab="4" />Er brüllt so laut: sie wird vor Schrecken <line | ||||
| 				tab="4" />Bleich wie der Mond. <line type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />Ha, zitternd warf sie | ||||
| 			mit dem Schleyer <line tab="4" />Den Korb ins Graß <line tab="4" />Und lief, indem das | ||||
| 			Ungeheuer <line tab="4" />Die Kuchen aß. <line type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />Kaum war es | ||||
| 			fort, so mißt ein Knabe <line tab="4" />Mit leichtem Schritt <line tab="4" />Denselben Weg zu | ||||
| 			Nini Grabe – <line tab="4" />Der rückwärts tritt, <line type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />Als | ||||
| 			hätt ein Donner ihn erschossen: <line tab="4" />Den Löwen weit – <line tab="4" />Und weiß im | ||||
| 			Grase hingegossen <line tab="4" />Der Thisbe Kleid. <line type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />Plump | ||||
| 			fällt er hin im Mondenlichte: <line tab="4" />So fällt vom Sturm <line tab="4" />Mit | ||||
| 			unbeholfenem Gewichte <line tab="4" />Ein alter Thurm. <line type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />O | ||||
| 			Thisbe, so bewegen leise <line tab="4" />Die Lippen sich, <line tab="4" />O Thisbe, zu des | ||||
| 			Löwen Speise <line tab="4" />Da schick ich mich. <line type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />Zu hören | ||||
| 			meine treuen Schwüre <line tab="4" />Warst du gewohnt; <line tab="4" />Sey Zeuge, wie ich sie | ||||
| 			vollführe, <line tab="4" />Du falscher Mond! <line type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />Die kalte | ||||
| 			Hand fuhr nach dem Degen <line tab="4" />Und dann durchs Herz. <line tab="4" />Der Mond fing | ||||
| 			an sich zu bewegen <line tab="4" />Für Leid und Schmerz. <line type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />Ihn | ||||
| 			suchte Zephir zu erfrischen <line tab="4" />Umsonst bemüht. <line tab="4" />Die Vögel sangen | ||||
| 			aus den Büschen <line tab="4" />Sein Todtenlied. <line type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />Schnell | ||||
| 			lauschte Thisbe durch die Blätter <line tab="4" />Und sah das Graß, <line tab="4" />Wie unter | ||||
| 			einem Donnerwetter, <line tab="4" />Von Purpur naß. <line type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />O | ||||
| 			Gott, wie pochte da so heftig <line tab="4" />Ihr kleines Herz! <line tab="4" />Das braune | ||||
| 			Haupthaar ward geschäftig, <line tab="4" />Stieg himmelwärts. <line type="empty" />  | ||||
| <line | ||||
| 				tab="4" />Sie floh – hier zieht, ihr blassen Musen, <line tab="4" />Den Vorhang zu! <line | ||||
| 				tab="4" />Dahinter ruht sie, Stahl im Busen: <line tab="4" />O herbe Ruh! <line type="empty" />  | ||||
| <line | ||||
| 				tab="4" />Der Mond vergaß sie zu bescheinen, <line tab="4" />Von Schrecken blind. <line | ||||
| 				tab="4" />Der Himmel selbst fieng an zu weinen <line tab="4" />Als wie ein Kind. <line | ||||
| 				type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />Man sagt vom Löwen, sein Gewissen <line tab="4" />Hab ihn | ||||
| 			erschröckt, <line tab="4" />Er habe sich zu ihren Füßen <line tab="4" />Lang hingestreckt. <line | ||||
| 				type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" />O nehmt, was euch ein Beyspiel lehret, <line tab="4" />Ihr | ||||
| 			Alten, wahr! <line tab="4" />Nehmt euch in Acht, ihr Alten! störet <line tab="4" />Kein | ||||
| 			liebend Paar. <line type="empty" />  | ||||
| <note>Auf einem beiliegenden Zettel</note> | ||||
|  | ||||
| <line tab="4" />Man | ||||
| 			sagt daß keine Frau dem Mann die Herrschaft gönnt; <line tab="4" />So nicht Frau Magdelone. <line | ||||
| 				tab="4" />Sie theilt mit ihm das Regiment: <line tab="4" />Behält den Zepter nur und lässet | ||||
| 			ihm die Krone. </letterText> | ||||
|  | ||||
| 		<letterText letter="9"> Fort Louis, den 3ten Juni 1772. <line type="empty" /> S. T. Mein | ||||
| 			theurester Freund. <line tab="1" />So nenn’ ich Sie, die Sprache des Herzens will ich mit | ||||
| 			Ihnen reden, nicht des Ceremoniels. Kurz aber wird mein Brief werden, denn sie ist lakonisch, | ||||
| 			lakonischer als Sallustius, lakonischer als der schnellste Gedanke eines Geistes ohne Körper. | ||||
| 			Darum hasse ich die Briefe. Die Empfindungen einer so geläuterten Freundschaft als Sie mich | ||||
| 			kennen gelehrt, gleichen dem geistigen Spiritus, der wenn er an die Luft kömmt, verraucht. Ich | ||||
| 			liebe Sie – mehr verbietet mir mein Herz zu sagen, der plauderhafte Witz ist nie sein | ||||
| 			Dolmetscher gewesen. Ich bin wieder in Fort-Louis, nach einigen kleinen Diversionen, die meine | ||||
| 			kleine Existenz hier, auf dem Lande herum, gemacht hat. Ob ich mein Herz auch spazieren | ||||
| 			geführt – – – <line tab="1" /> Ich habe die guten Mädchen von Ihnen gegrüßt: sie lassen Ihnen | ||||
| 			ihre ganze Hochachtung und Ergebenheit versichern. Es war ein Mädchen, das sich vorzüglich | ||||
| 			freute, daß ich so glücklich wäre, Ihre Freundschaft zu haben. Mündlich mehr. Ich komme in der | ||||
| 			Fronleichnamswoche zuverlässig nach Straßburg. – Schon wieder eine Visite – und schon wieder | ||||
| 			eine – Ich bin mit einigen Offiziers bekannt und diese Bekanntschaft wird mir schon, in ihrer | ||||
| 			Entstehung lästig. Ich liebe die Einsamkeit jetzt mehr, als jemals – und wenn ich sie nicht in | ||||
| 			Straßburg zu finden hoffte, so würde ich mein Schicksal hassen, das mich schon wieder zwingt, | ||||
| 			in eine lärmende Stadt zurückzukehren. <line tab="1" /> Was werden Sie von mir denken, mein | ||||
| 			theuerster Freund? Was für Muthmaßungen – Aber bedenken Sie, daß dieses die Jahre der | ||||
| 			Leidenschaften und Thorheiten sind. Ich schiffe unter tausend Klippen – auf dem Negropont, wo | ||||
| 			man mir mit Horaz zurufen sollte <line type="empty" />  | ||||
| <line tab="4" /><aq>Interfusa nitentes <line | ||||
| 					tab="4" />Vites aequora Cycladas.</aq> | ||||
| <line type="empty" />  | ||||
| <line tab="1" />Wenn ich auf | ||||
| 			einer dieser Inseln scheitre – wäre es ein so großes Wunder? Und sollte mein Salzmann so | ||||
| 			strenge ·sein, mich auf denselben, als einen zweiten Robinson Crusoe, ohne Hilfe zu lassen? | ||||
| 			Ich will es Ihnen gestehen (denn was sollte ich Ihnen nicht gestehen?), ich fürchte mich vor | ||||
| 			Ihrem Anblick. Sie werden mir bis auf den Grund meines Herzens sehen – und ich werde wie ein | ||||
| 			armer Sünder vor Ihnen stehen und seufzen, anstatt mich zu rechtfertigen. Was ist der Mensch? | ||||
| 			Ich erinnere mich noch wohl, daß ich zu gewissen Zeiten stolz einen gewissen G. tadelte und | ||||
| 			mich mit meiner sittsamen Weisheit innerlich brüstete, wie ein welscher Hahn, als Sie mir | ||||
| 			etwas von seinen Thorheiten erzählten. Der Himmel und mein Gewissen strafen mich jetzt dafür. | ||||
| 			Nun hab’ ich Ihnen schon zu viel gesagt, als daß ich Ihnen nicht noch mehr sagen sollte. Doch | ||||
| 			nein, ich will es bis auf unsere Zusammenkunft versparen. Ich befürchte, die Buchstaben | ||||
| 			möchten erröthen und das Papier anfangen zu reden. Verbergen Sie doch ja diesen Brief vor der | ||||
| 			ganzen Welt, vor sich selber und vor mir. Ich wünschte, daß ich Ihnen von Allem Nachricht | ||||
| 			geben könnte, ohne daß ich nöthig hätte zu reden. Ich bin boshaft auf mich selber, ich bin | ||||
| 			melancholisch über mein Schicksal – ich wünschte von ganzem Herzen zu sterben. <line tab="1" />Den | ||||
| 			Sonntag waren wir in Ses. den Montag frühe ging ich wieder hin und machte in Gesellschaft des | ||||
| 			guten Landpriesters und seiner Tochter eine Reise nach Lichtenau. Wir kamen den Abend um 10 | ||||
| 			Uhr nach S. zurück: dieser und den folgenden Tag blieb ich dort. Nun haben Sie genug. Es ist | ||||
| 			mir als ob ich auf einer bezauberten Insel gewesen wäre, ich war dort ein anderer Mensch, als | ||||
| 			ich hier bin, alles was ich geredt und gethan, hab ich im Traum gethan. <line tab="1" />Heute | ||||
| 			reiset Mad. Brion mit ihren beyden Töchtern nach Sarbrücken, zu ihrem Bruder auf 14 Tage, und | ||||
| 			wird vielleicht <b>ein Mädchen</b> da lassen, das ich wünschte nie gesehen zu haben. Sie hat | ||||
| 			mir aber bei allen Mächten der L– geschworen, nicht da zu bleiben. Ich bin unglüklich, bester | ||||
| 			bester Freund! und doch bin ich auch der glücklichste unter allen Menschen. An demselben Tage | ||||
| 			vielleicht, da sie von Saarbrük zurük kommt, muß ich mit H. v. Kleist nach Straßburg reisen. | ||||
| 			Also einen Monath getrennt, vielleicht mehr, vielleicht auf immer – Und doch haben wir uns | ||||
| 			geschworen uns nie zu trennen. Verbrennen Sie diesen Brief – es reut mich, daß ich dies einem | ||||
| 			treulosen Papier anvertrauen muß. Entziehen Sie mir Ihre Freundschaft nicht: es wäre grausam | ||||
| 			mir sie jetzt zu entziehen, da ich mir selbst am wenigsten genug bin, da ich mich selbst nicht | ||||
| 			leiden kann, da ich mich umbringen möchte, wenn das nichts Böses wäre. Ich bin nicht schuld an | ||||
| 			allen diesen Begebenheiten: ich bin kein Verführer, aber auch kein Verführter, ich habe mich | ||||
| 			leidend verhalten, der Himmel ist schuld daran, der mag sie auch zum Ende bringen. Ich | ||||
| 			schließe mich in Ihre Arme als Ihr <line type="break" /> melancholischer <line type="break" /> | ||||
| 			Lenz. <line type="empty" />  | ||||
| <note>am Rand</note> Haben Sie die Gütigkeit, der ganzen | ||||
| 			Tischgesellschaft meine Ergebenheit zu versichern. … Ums Himmels, um meines Mädchens und um | ||||
| 			meinetwillen, lassen Sie doch alles dies ein Geheimnis bleiben. Von mir erfahrt es niemand als | ||||
| 			mein zweites Ich. </letterText> | ||||
|  | ||||
| 		<letterText letter="10"> Fort Louis d. 10ten Junius 1772 <line type="empty" /> Guter Sokrates! <line | ||||
| 				tab="1" />Schmerzhaft genug war der erste Verband den Sie auf meine Wunde legten. Mich | ||||
| 			auszulachen – ich muß mitlachen, und doch fängt meine Wunde dabey nur heftiger an zu bluten. | ||||
| 			Nur fürchte ich – soll ich Ihnen auch diese Furcht gestehen? Ja da Sie mein Herz einmal offen | ||||
| 			gesehen haben, so soll kein Winkel Ihnen verborgen bleiben. Ich fürchte, es ist zu spät an | ||||
| 			eine Heilung zu denken. Es ist mir wie Pygmalion gegangen. Ich hatte mir zu einer gewissen | ||||
| 			Absicht in meiner Phantasie ein Mädchen geschaffen – ich sah mich um und die gütige Natur | ||||
| 			hatte mir mein Ideal lebendig an die Seite gestellt. Es ging uns beyden wie Cäsarn: <aq>veni, | ||||
| 			vidi, vici</aq>. Durch unmerkliche Grade wuchs unsere Vertraulichkeit – und jetzt ist sie | ||||
| 			beschworen und unauflöslich. Aber sie sind fort, wir sind getrennt: und eben da ich diesen | ||||
| 			Verlust am heftigsten fühle, kommen Briefe aus Strasburg und – Vergeben Sie mir meinen tollen | ||||
| 			Brief! Mein Verstand hat sich noch nicht wieder eingefunden. Wollte der Himmel ich hätte nicht | ||||
| 			nöthig, ihn mit Vetter Orlando im Monde suchen zu lassen. Ich bin um mich zu zerstreuen, die | ||||
| 			Feyertage über bei einem reichen und sehr gutmüthigen Amtsschulz in Lichtenau zu Gast gewesen. | ||||
| 			Ich habe mich an meinem Kummer durch eine ausschweiffende Lustigkeit gerächt: aber er kehrt | ||||
| 			jetzt nur desto heftiger zurück, wie die Dunkelheit der Nacht hinter einem Blitz – Ich werde | ||||
| 			nach Strasburg kommen und mich in Ihre Kur begeben. Eins muß ich mir von Ihnen ausbitten: | ||||
| 			schonen Sie mich nicht, aber – lassen Sie meine Freundin unangetastet. Der Tag nach meinem | ||||
| 			letzten Briefe an Sie, gieng ich zu ihr: wir haben den Abend allein in der Laube zugebracht; | ||||
| 			die bescheidne und englisch gütige Schwester unterbrach uns nur selten und das allezeit mit | ||||
| 			einer so liebenswürdigen Schalkheit - Unser Gespräch waren Sie – ja Sie, und die | ||||
| 			freundschaftlichen Mädchen haben fast geweint für Verlangen Sie kennen zu lernen. Und Sie | ||||
| 			wollten mit gewaffneter Hand auf sie losgehen, wie Herkules auf seine Ungeheuer – Nein Sie | ||||
| 			müssen sie kennen lernen und ihre Blicke allein werden Sie entwaffnen. Ich habe meiner | ||||
| 			Friedrike gesagt, ich könnte für Sie nichts geheim halten. Sie zitterte, Sie würden zu wenig | ||||
| 			Freundschaft für eine Unbekannte haben. Machen Sie diese Furcht nicht wahr, mein guter | ||||
| 			Sokrates! Uebrigens tun Sie was Ihnen die Weißheit räth. Ich will mich geduldig unterwerfen. | ||||
| 			Es ist gut, daß Sie meinen freundschaftlichen Ott nicht mit meiner Torheit umständlich bekannt | ||||
| 			machen. Ich verbürge mich gern vor mir selbst nur nicht vor Ihnen. Leben Sie wohl, Ihr <line | ||||
| 				type="break" />unaufhörlich ergebenster Freund <line type="break" />JMRLenz. <line | ||||
| 				type="empty" /> Gestern ist der Herr Landpriester bei mir zu Gast gewesen. Er ist ein | ||||
| 			Fieldingscher Charakter. Jeder andere würde in seiner Gesellschaft Langweile gefunden haben; | ||||
| 			ich habe aber mich recht sehr darin amusirt; denn ein Auge, womit ich ihn ansah, war poetisch | ||||
| 			das andere verliebt. – Er läßt sein Leben für mich und ich für seine Tochter. </letterText> | ||||
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| 	</document> | ||||
| </opus> | ||||
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	 Simon Martens
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